Schweizer Wahlvolk lehnt „Hornkuh-Initiative“ knapp ab

Die Initiative „Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere“, so der exakte Wortlaut, hatte schon im Vorfeld international für Aufsehen gesorgt. Ein ganzes Land sollte darüber abstimmen, ob Bauern finanziell belohnt werden, wenn sie gegen die weitverbreitete Praxis ihren Kühen die Hörner belassen. Armin Capaul, ein kleines, uriges Bäuerlein hatte tatsächlich die für ein Referendum über ein Gesetz im Verfassungsrang (!) nötigen 100.000 Unterstützungserklärungen praktisch im Alleingang gesammelt. Knapp die Hälfte der Wahlberechtigten schritt an die Wahlurne, versagte ihm dort aber mehrheitlich die Unterstützung. Geschätzte 8 von 10 Schweizer Kühen sind hornlos (in Österreich etwa dieselben Verhältnisse) – daran wird sich also wohl so schnell nichts ändern...

Das Interessanteste, weit über die Schweiz hinaus Diskutierte, ist der Umstand, dass hier einmal tatsächlich die Gesamtheit der stimmberechtigten Bürger und damit Konsumenten eines Landes direkt über einen Tierwohl-Aspekt in der Nutztierhaltung abstimmen konnten.

Deshalb wurde im Vorfeld offen darüber diskutiert. Zeitungen und öffentlicher Rundfunk brachten in einer ganzen Reihe von Beiträgen die Argumente pro und contra „Kuhhorn“ und führten diese so einer breiten Bevölkerungsschicht überhaupt erst einmal vor Augen. Ich denke, dass dies grundsätzlich einmal begrüßenswert ist. Abgesehen jetzt einmal von der Frage, wie objektiv, sprich von den unterschiedlichen Interessengruppen möglichst unbeeinflusst, diese Vorfeld-Information ausfällt. Natürlich lässt sich letztlich von dieser Frage aber nicht absehen und sie wird die Qualität der stattfindenden Diskussion maßgeblich beeinflussen. Soweit ich sehe haben die Schweizer Medien das gar nicht mal schlecht gemacht. Wie etwa dieser Beitrag in der einflussreichen NZZ zeigt.

54 Prozent stimmen dagegen...

Jetzt haben sich die Schweizer, wenn auch relativ knapp (54:46), gegen die Initiative ausgesprochen. Wenn man den Kommentatoren glaubt, dann vor allem wegen der Unverhältnismäßigkeit des Ansinnens, sprich, der Frage ob die Schweizer mehr Kühe mit Hörnern sehen wollen, um ein wenig populistisch die Initiative in ihrer Zielsetzung abzukürzen, stehe kein Verfassungsrang zu. Obwohl der Initiative und ihrem Betreiber also von fast allen Seiten viel Sympathie entgegengebracht wurde – wer spricht sich schon gegen eine Tierwohlinitiative aus – habe sich die pragmatisch denkende Mehrheit in der Schweiz also dagegen entschieden, weil ihr die Frage insgesamt nicht bedeutsam genug erschien? Mag sein.

Ich persönlich hätte es gerne gesehen, wenn Capaul, den ich kürzlich im Rahmen einer Pressereise gesprochen habe, mit seiner sympathischen Inititiave Erfolg beschieden gewesen wäre. Ich bin ein Kuhhorn-Fan. Dabei aber kein Fanatiker der Kuhhorn-Überhöhung („Kosmische Antennen“ etc.). Weil ich die ökonomischen Argumente nachvollziehen kann und weil ich selbst so meine durchaus schmerzhaften Begegnungen mit dem Kuhhorn hatte auf der Alm, habe ich auch Verständnis für die längst überwiegende Praxis der Enthornung. Wobei ich es als großen Fortschritt erachte, dass das Österreichische Tierschutzgesetz in der letztjährigen Novelle zur Tierhaltung die betäubungslose Enthornung verbietet.

Das Beispielhafte aus meiner Sicht

Weil ich also die Praxis kenne, ihre Argumente verstehe, sehe ich persönlich insgesamt relativ emotionslos auf die ganze Debatte ums Kuhhorn, bei insgesamt doch eindeutiger pro-Haltung. Ich werde mich aber ganz sicher nicht mit einem Bauern, der enthornt, darüber streiten. Was will ich damit sagen und was hat das jetzt mit dem Schweizer Ergebnis zu tun. Ich denke, dass die Kuhhorninitiative schon allein deshalb positiv zu bewerten ist, weil sie einen breit angelegten öffentlichen Diskurs gefördert hat, der letztlich dazu führen kann, dass sich ein gesellschaftlicher Konsens bildet anhand von Argumenten, wie immer diese bewertet werden, anstelle von dumpfen Vorurteilen und Vorverurteilungen.

Die Schweizer können jetzt auch nicht mehr den „tierquälenden Bauern“ pauschal für eine umstrittene Praxis in der Tierhaltung den schwarzen Peter zuschieben. Sie hätten es ja selbst in der Hand gehabt zumindest in der Tendenz ein Zeichen dagegen zu setzen. Sie haben es in einem demokratischen Prozess verabsäumt. Um noch einmal den Tenor der Kommentare zu zitieren: Es war ihnen scheinbar nicht wichtig genug...

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