Ich mag Karotten. Nicht erst seit ich dabei war, im Marchfeld und im Eferdinger Becken beim Säen, Ernten und Verarbeiten. Seit ich also weiß, wer sich da aller welche Gedanken und Mühen macht, damit wir das orange, gelbe, lila Gemüse mit der erotischen Anmutung auf den Teller kriegen. In makelloser Form und züchterisch optimiertem Geschmack und rückstandsfrei und überhaupt...
Die perfekte Karotte für das Standard Ein-Kilo-Packerl darf weder zu groß, noch zu klein, weder zu lang noch zu kurz, selbstverständlich auch nicht gekrümmt oder abgebrochen sein. Geringste optische Mängel, minimale Fraßspuren, Schalenfehler jeglicher Art: und die Karotte ist raus aus dem Rennen um die Gunst des Konsumenten.
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Etwa 40 Prozent der geernteten Karotten trifft dieses Schicksal, wie mir der Geschäftsführer einer Erzeugerorganisation aus dem Marchfeld verrät. Damit sind sie zwar noch nicht raus aus jeder Art Wertschöpfung, weil sie noch im Tiermagen, in der Biogasanlage oder bestenfalls im Karottensaft landen können, aber: Die dabei für den Erzeuger erzielbaren Preise belaufen sich nur auf einen Bruchteil jener aus dem Frischmarkt.
Nachhaltig ist das nicht
Die Vermarktungsstandards, die Produktspezifikationen, die Qualitätskriterien, wie sie der Lebensmitteleinzelhandel fordert für Herrn und Frau Österreichers beliebtestes Bio-Gemüse, sind also streng. Aber sind sie auch sinnvoll? Aus ökologischer und (gesamt)ökonomischer Sicht? Daran darf getrost Zweifel angemeldet werden. Das meint auch Raphael Fink von Global 2000. Neben den oben erwähnten ökonomischen Nachteilen für Erzeuger und Verarbeiter kritisiert Fink vor allem die ökologischen Aspekte.
Denn jede Karotte musste trotzdem gedüngt, mit Pflanzenschutz versehen sowie bewässert werden und wurde teilweise auch “umsonst” gelagert. All dies bedeute laut Fink “umsonst anfallende Treibhausgasemissionen, umsonst in Anspruch genommene Flächen, nicht effizient eingesetzte Energie” und sei deshalb sehr problematisch.
Handelt der Handel wirklich im Auftrag des Konsumenten?
Der Handel, auf diese “Vorwürfe” angesprochen, beruft sich auf internationale Standards und Vermarktungsvorgaben, vor allem aber auf den Wunsch des Kunden. Letzterer wolle eindeutig in jeder Hinsicht makellose Ware. Ob nun der Konsumentengeschmack über Jahre und Jahrzehnte von der Werbung im Auftrag und Interesse des Handels auf optische Makellosigkeit hin programmiert worden ist, wie Kritiker behaupten, oder der Handel umgekehrt in seiner Werbung und Produktauslobung nur dem sich “natürlich” in diese Richtung bewegenden Geschmack des Konsumenten gefolgt ist, bleibt ein Streitpunkt.
Ressourcenverlust am höchsten beim Konsumenten
Fink rechnet vor, dass der vermeidbare Verlust all dieser Ressourcen umso höher ist, je weiter die Karotte auf ihrem Weg zum Konsumenten bereits fortgeschritten ist. Am höchsten sind demnach die Ressourcenverluste, welche vom Konsumenten selbst verursacht werden, indem er gekaufte Karotten letztlich nicht verwertet sondern wegwirft. Leider ist dieser vom Endkonsumenten zu verantwortende Anteil an der Lebensmittelverschwendung zugleich der bei weitem höchste.
Die im Kühlschrank oder überhaupt falsch gelagerten Karotten, die nicht mehr super knackig sondern leicht verschrumpelt sind und/oder ein paar schwarze Flecken aufweisen, wer kennt sie nicht? Wer macht sich jetzt die Mühe, diese Karotten trotzdem auf Verzehrtauglichkeit zu überprüfen oder alternative Verwendungszwecke anzudenken? Das zahlt sich doch nicht aus, nicht wahr?
Sind ja nur ein paar Karotten…
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