Vergiss das, was sie dir in Bewerbungstrainings weismachen wollen!

heut blogg ich mal aus meinem ganz persönlichen jobsuch-nähkästchen. ich war lange zeit als bewerbungstrainer für langzeitarbeitslose und solche, mit guten chancen dies demnächst zu werden (studenten) tätig. hab dort die standesüblichen dinge gelabert. "stell dich im bestmöglichen licht vor, kaschiere lücken, zeiten der um- oder neu- oder gar nicht orientierung!" usw. ihr kennt das ja. tja und wie das leben so spielt, dann war ich selber in der rolle des (nicht grad unbedingt langzeit-)arbeitslosen. das war ich immer wieder mal. hab also öfter die seiten gewechselt. bzw. haben gewisse lebensumstände mich vom bock zum gärtner sozusagen gemacht und dann wieder retour.

wie aber bin ich als erfahrener bewerbungstrainer und gleichzeitig arbeitsloser zu meinem aktuellen job gekommen? indem ich alle bewerbungsfaxen bleiben und meinem (damals) zukünftigen chef, einem innovativen bio-bauern und unternehmer auf dessen wunsch hin, etwas über mich zu erfahren, folgendes zukommen ließ (wortwörtlich)

"meine kindheit roch nach frischem heu im sommer, auf den feldern verbrannten erdäpfeln im herbst, warmem kuhdung das ganze jahr über. mir war alles gleichermaßen vertraut, auf unbewusste weise lieb. darin war ich zu haus. genauer gesagt beim unterrain-bauern in der nachbarschaft. meine spielwiese. indianerspielen mit pfeil und bogen direkt hinter unserem haus auf dem feld, etwas weiter weg, im angrenzenden wald stand die selbst gebaute baumhütte. den ganzen tag draußen. auch im winter. es zog uns siedlungskinder ein kleiner schlepplift den hang rauf. der jüngste sohn der 10 unterrainer-kinder, georg, mein bester freund. ich spiele aber nicht nur dort, ich arbeite. ernsthaft, mit kindlichem eifer, angespornt durch lob und einem 50 erl ab und zu, manchmal sogar ein ganzer schilling. die heuernte erlebe ich als ungeheuer intensive zusammenarbeit und als etwas fast feierlich begangenes: anspannung, ernst, konzentriertheit und dann die schöne erschöpfung. der kaffe am nachmittag: das selbstgemachte brot, dick mit dem frischen butter bestrichen – „aufbuttern“ und dann diesen goldgelben, zähflüssigen „hunch“ drüber. oder das „neunern“ am vormittag mit speck und käse. nachdem man bereits drei anstrengende stunden „grasmachen“ oder im holz gewesen war. echter hunger! fast jeden abend „motze“ ich die kühe, vormelken. dieses selbstverständliche bewegen zwischen den schweren, gutmütigen, warmen, dampfenden kuhleibern. in den angrenzenden stallparzellen höre ich die noriker wiehern. schweine, hühner, schafe: alles hat er, der unterrainer-bauer. es überrascht also nicht, dass der klassenprimus in der volksschule auf die frage seiner übrigens geliebten lehrerin, was er denn später einmal werden wolle, ohne nachdenken zu müssen und ohne jedes „understatement“ zur antwort gibt: „unterrainer-knecht“. das schien ihm so klar wie irgendwas, vorgezeichnet, realistisch. und das lachen der mitschüler versteht er also wirklich nicht und auch nicht das milde lächeln seiner angehimmelten lehrerin.

später dann im gymnasium irgendwann verliert sich diese sicherheit. wird durch scheinbar besseres ersetzt. der matura folgt ein erster studienversuch, der, ziemlich lustlos begonnen, recht bald versandet. der erste sohn, die erste erwerbsarbeit. kompletter zufall. fahrschullehrer. das mache ich ein paar jährchen. fürchte zu verdummen und beginn wieder zu studieren. politikwissenschaft und philosophie. brot- aber keineswegs erkenntnislos. habe glück, finde einen lehrer, der mir und meinen besten freunden, die ich alle dort kennen lerne, das denken neu beibringt. das studium wird rasch abgeschlossen, der versuch universitär beruflich fuß zu fassen, endet in mehreren anläufen kläglich. der sommer vor der neuaufnahme meines studiums – ebenso wie später dann die sommer während desselben – sieht mich zum ersten mal auf einer alm. allein. mittelalter, kein strom, kein fließend wasser. 4 mal schnee diesen sommer. eine harte und herrliche zeit. ich arbeite viel und habe dabei niemals so gut nietzsche gelesen, heidegger. große arbeitsspitzen und dann aber wieder viel zeit: die alm. aber auch schwierige, ungute, sau-dumme bauern, neben denen mit herz und hirn. ich lerne ungeheuer viel über dieses heterogene völkchen. und mit jedem weiteren sommer auf der alm immer mehr. heute blicke ich auf 11 almsommer zurück auf insgesamt 6 verschiedenen almen. die beiden letzten in der schweiz. der letzte almsommer im wallis war der vielleicht überhaupt schönste bislang und der vorletzte, nähe st.moritz, der schlimmste, ein alptraum. weil dort ein schweizer redneck, ein echter faschisten-bauer mir das leben zur hölle gemacht hat. aber alles zusammen genommen ist die alm der arbeitsort schlechthin für mich. ein ort wo sinn und sinnlichkeit sich die hand reichen, arbeiten und denken kein widerspruch sind, sondern ineinander über gehen. ein ort auch von exquisiten begegnungen.

die andere arbeit über die jahre? jeweils mehr oder weniger aushaltbarer broterwerb. egal ob als parkwächter, trainer und coach fürs bfi und die uni, oder wie zuletzt als kellner, was ich mir aus der not heraus einfach abverlangt habe, so lange es irgendwie auszuhalten war, obwohl ich es vom ersten tag an hasste. im grunde alles vorübergehende stationen auf einem weg, der mir trotz meinen 45 jahren nicht klar geworden ist.

daneben schreibe ich. hauptsächlich briefe. hauptsächlich an frauen, die ich irgendwann einmal im bett hatte, aktuell grad habe oder haben will. dabei, kein casanova, kein abschlepper, kein flachleger, kein frauenheld. die anzahl bescheiden und immer viel engagement im spiel. hat vielleicht nichts mit meinen beruflichen qualifikationen zu tun, vielleicht aber doch. ein halbfertiger roman ist vorderhand auf eis gelegt. seit jahren in geldnot. nicht, weil ich so viel brauchen würde, sondern meine fünf kinder respektive deren vier mütter.

meine stärken: totale verweigerung von selbstmarketing. meine schwächen: totale unfähigkeit zum selbstmarketing.

was ich will? interessante menschen kennen lernen. männer und frauen. menschen, die etwas zu sagen haben, von denen ich lernen kann und die erkennen, dass sie von mir lernen können. wenn sich unter diesen rahmenbedingungen noch gemeinsam arbeiten und geld erwirtschaften lässt: warum nicht?"

tja so bin ich zu meinem job gekommen. ich blogge auf www.landschafftleben.at. erzähle dort geschichten und informatives rund um lebensmittel. zusammen mit einem kollegen fahr ich in österreich von pontius zu pilatus, um videos zur produktion, verarbeitung und vermarktung von dem, was wir täglich essen zu machen. auch nicht übel! lerne mal mehr, mal weniger unterhaltsame typen dabei kennen und bekomme einblicke in wirklich super interessante vorgänge, arbeits- und lebensgeschichten und zusammenhänge.

mir ist schon klar, dass ich nicht unbedingt der repräsentaive fall bin. mein job ist sehr speziell und erfodert ein realtiv eklusives qualifikationsprofil. schreiben können, ein bissl in der landwirtschaft bewandert sein und von bauern und schlipsträgern gleichermaßen ernst genommen werden. was ich aber eigentlich sagen wollte mit dem blog: verbieg dich nicht für einen job! das bekommt dir nicht gut, selbst wenn du den job dafür bekommst! sei mutig und selbstbewusst und probier's zur abwechslung mal mit dir selbst und nicht deinem (austauschbaren) ideal...

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Margaretha G

Margaretha G bewertete diesen Eintrag 06.06.2016 22:47:02

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