Warum es VdB schwer hat bei den Bauern oder: Warum sich Bauern und Grüne nicht (immer) grün sind

Grün ist nicht die Lieblingsfarbe der meisten Landwirte, auch wenn sie im Grünland wirtschaften. Warum ist das so? Sollte es nicht eigentlich anders sein? Sind da nicht gleich lautende Interessen auf beiden Seiten im Spiel? Warum sehen viele Bauern Grüne bzw. grüne Politik, grüne Ziele aber häufig als Spielverderber statt -kameraden? Diese schwierige Frage mit vielen Facetten kann ich beim besten Willen nicht beantworten. Den dahinter liegenden oft scheinbar unversöhnlichen Interessenskonflikt aber möchte ich mit einem kleinen Erfahrungsbericht aus meiner Almzeit illustrieren.

Eine moderne Alm mit Kühen zum Melken braucht Strom. Bis vor wenigen Jahren waren noch viele Almen in Tirol nicht ans Stromnetz angeschlossen – einige bis heute. Wenn die nämlich das Pech haben entsprechend „far off“ oder, falls abgelegen, nicht in einem Schigebiet zu liegen. Also erzeugten Jahrzehnte lang vielerorts laute und dreckige Dieselaggregate den nötigen Strom fürs Melken und Kühlen der Milch. Nicht so auf meiner Alm. Ich hatte nämlich ein eigenes Kraftwerk. Mit einem eigenen kleinen Stausee, wo ich noch ein paar Forellen rein setzte und an besonders heißen Tagen gar schwimmen konnte. Was für ein herrlicher Luxus: ein eigenes Kraftwerk, das rund um die Uhr 100 Prozent Öko-Strom liefert. Freilich nur dann, wenn die beiden Bäche, die den See speisen genug Wasser führen. Andernfalls ist sofort Feuer am Dach! 40 Kühe per Hand von ihrer Milchlast zu befreien – diese Kunst beherrsche ich entschieden nicht, ganz abgesehen davon, dass ich die Milch nicht ausreichend kühlen hätte können.

Nun gab es genau zwei Probleme für meine Stromversorgung. Zu viel oder zu wenig Wasser. Gerieten nach einem Gewitterregen meine Almbächlein zu reißenden, Schlamm und Geröll führenden Ungeheuern, so verlegten sie regelmäßig den Sandfang und damit den Zulauf zu meinem Stausee. Das hieß dann unter Umständen um 5 Uhr morgens minutenlang bis zu den Hüften im eiskalten Wasser stehend den Zulauf freischaufeln, damit sich der See wieder füllen und die Turbine wieder fröhlich weiter drehen konnte.

Genauso bedrohlich waren längere Trockenperioden, aufgrund derer sich die Durchflussmenge meiner Bächlein entsprechend reduzierte. Und hier nun kam ein – wie ich meine – typischer Konfliktfall zwischen grünen Forderungen und Auflagen und bäuerlich pragmatischen Interessen zum Tragen. Dazu muss ich ein bisschen ausholen. Selbstverständlich braucht der Bau eines Wasserkraftwerks, wie klein es auch sei, eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Ein dafür ausgebildeter Sachverständiger muss den Plänen zum Bau zustimmen und kann unter Umständen gewisse Auflagen festlegen, sowohl was den Bau an und für sich als auch den späteren Betrieb betrifft. So war das auch bei „meinem“ Kraftwerk gewesen.

Ein mir übrigens gut befreundeter Sachverständiger, studierter Biologe und bekennender Grüner, hatte qua seines Amtes bei einem Lokalaugenschein, den er zusammen mit meinem Almobmann vornahm, befunden, dass er dem Bau nur zustimmen werde, wenn gewährleistet werden könne, dass die beiden Bächlein auch nach dem Abzweigen eines Teiles ihres Wassers in den Stausee noch eine bestimmte Wassermenge führen würden, weil sie im weiteren Verlauf eine vom Sachverständigen zweifelsfrei als ökologisch sensibel und wertvoll erkannte Zone durchflössen, um das Habitat einiger von ihm, dem Sachverständigen dort vorgefundenen seltenen Pflanzenarten sowie schützenswerten Insekten und - wiewohl nicht vorgefundenen so doch vermuteten - Amphibien nicht zu entwässern, was deren Zerstörung bedeutet hätte, zu welchem Behufe eine dreiteilige Platte vom Sachverständigen als Auflage erteilt worden war, welche den Abfluss der Wassermenge in den Stausee regeln solle und welche zu keiner Zeit völlig entfernt werden dürfe, sondern durch das Belassen von mindestens einem ihrer drei Teilsegmente eine Ableitung der gesamten Wassermenge verhindern können müsse. Zu Deutsch: Mein Kraftwerk und damit die für meinen Arbeitsalltag nicht weniger als existenziell wichtige Stromversorgung stand auf tönernen Füßen wegen ein paar Sumpfdotterblumen! Es gab aber nun keine andere Möglichkeit zur Stromerzeugung auf dieser Alm, es sei denn man hätte wieder die alten Dieselaggregate hochgefahren. Und da hab ich mich dann doch gefragt, ob mein Freund, der grüne Biologe mit seinen Auflagen, welche er zweifelsfrei aus den besten ökologischen Absichten heraus erteilt hatte, diese nicht selbst ad absurdum führt, wenn man sich objektiv anschaut worauf diese hinaus liefen: Hier ein paar vertrocknete Sumpfdotterblumen und dort ein stinkendes und lautes Dieselaggregat…

So sah ich das jedenfalls recht bald in diesem Sommer, wo es schon an die 14 Tage keinerlei Niederschlag mehr gegeben hatte. Du kannst dir sicher vorstellen, wie viele Segmente der vorgeschriebenen dreiteiligen Überlaufplatte ich dort beließ, wo die erteilte Auflage es mir vorschrieb. Und genau zu dieser Zeit bekam ich ein gewisses Verständnis für das bäuerliche Ressentiment gegenüber „grünen Schreibtischtätern“, Öko-Aktivisten und deren Forderungen. Damit will ich nicht sagen, dass ich mit wehenden Fahnen zu den „Bauern“ übergelaufen wäre. Selbstverständlich braucht es einen Interessensabgleich. Und selbstverständlich gibt es grüne Forderungen und Anregungen zu einer immer ökologischeren Ausrichtung landwirtschaftlicher Nutzung von Grund und Boden, von „Umwelt“, denen ich vieles abgewinnen kann.

Was mir meine kleine Kraftwerksgeschichte schön vor Augen geführt hat, war, wie sehr und wie schnell sich der Blickwinkel auf einen Sachverhalt verschieben kann, der sich in der Theorie oder auch in einer Praxis ganz anders darstellt, die sich keinen Fuß breit auf eine andere Praxis und Erfahrung hinzubewegt. Hätte man mich einfach mal so pauschal gefragt, ob ich dafür bin, dass Lebensräume von seltenen alpinen Pflanzen, Insekten, Amphibien geschützt werden sollen, keine Sekunde hätte ich gezögert und „ja, natürlich“ geantwortet. Und ich bin ja auch nach meiner Almerfahrung nicht der Meinung, dass Artenvielfalt kein schützenswertes Gut ist, dass intakte Lebensräume für Wildtiere bedenkenlos der menschlichen Nutzung übergeben werden dürfen. Selbstverständlich nicht! Es braucht einen Interessensabgleich UND es braucht meines Erachtens wesentlich mehr gegenseitiges Verständnis derjenigen, die in diesem Interessenausgleich engagiert oder vielmehr leider oftmals – so wie ich das sehe – befangen sind.

Ich würde mir wirklich wünschen wenn mehr „Grüne“ sich für eine Zeitlang in die Lage versetzt sähen einen bäuerlichen Betrieb, oder Teile davon – wie in meinem Fall eine Alm – zu verantworten. Ich glaube nicht, dass sie dadurch zu schlechteren Grünen würden, im Gegenteil. Sie würden wohl viel leichter einen Draht zu ihren logischen „Spielgefährten“, den Bauern, finden. Vorausgesetzt natürlich dass auch diese ihre altgewohnten Reaktionsmuster und Vorbehalte „den Grünen“ gegenüber zu hinterfragen begännen. Dass sie nicht länger automatisch sofort rot sehen würden angesichts grüner Vorschläge und Forderungen. So manchen Bauern und Bauernvertretern, deren Blick über die Jahrzehnte hin immer mehr im Korsett rein ökonomischer Engführung und Effizienzsteigerung sich verengt hat, täte es gut, das eine oder andere ökologische Argument nicht reflexartig als Einmischung in ihre ureigensten Angelegenheiten abzuwehren. Aber diesen „Bauern-Abwehr-Panzer“, dort, wo er quasi eingefleischt ist, aufzubrechen ist nicht leicht.

Ich jedenfalls habe damals die ganze Almsaison in weißen Blaumännern bestritten, die mir ein Freund überlassen hatte, welcher damals ehrenamtlich bei den Grünen engagiert war. Entsprechend prangte der Grünen Logo und Schriftzug mir auf Brust und Rücken UND damals trug ich zudem noch ziemlich grünes Gedankengut im politischen Teil meines Kopfes. Ich wusste freilich, dass ein weißer Blaumann von den Grünen für meine Bauern eine Provokation darstellte. Und das war dann auch so. Gottlob nahmen sie es mit Humor und beurteilten mich nicht nach meiner politischen „Verirrung“ sondern nach dem, wie ich die Almarbeit anging und für ihr Vieh sorgte. Und als das Vertrauen auf dieser Basis hergestellt war, kam es auch zum einen oder anderen Gedankenaustausch grundsätzlicher Natur: Wir, der grüne Alminger und seine Bauern, hatten den Draht zueinander gefunden. Nicht zuletzt deshalb, weil mir durch Erfahrungen wie die mit meinem Kraftwerk so manche Perspektive ganz leibhaftig zurecht gerückt wurde.

Perspektivenwechsel also: Nicht nur zwischen den hier beispielhaft genannten „Parteien“ Bauern und Grüne. Alle innerhalb der Wertschöpfungskette, die uns ernährt, die beim Bauern beginnt und beim Konsumenten endet, täten gut daran eigene Befindlichkeiten und Gewohnheiten grundlegend zu überdenken und zumindest zeitweilig versuchen, sich in des anderen Situation zu versetzen! Leicht gesagt und schwer getan. Theoretisch erscheint dies noch relativ leicht. Geschieht es aber auf dem umkämpften Feld der Praxis, wird dort Altgewohntes umgepflügt und bricht sich eine gänzlich neue Sichtweise Bahn, dann erst wird dieser Acker zu einem gemeinsamen und fruchtbaren – für alle!

Dieser BLog erschien ursprünglich auf der Webseite des Vereins Land schafft Leben. Wir freuen uns über jeden Besuch und jedes Like auf unserer Facebook-Seite!

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