„Agenda 2020“ lautet der schmissige Arbeitstitel in Anlehnung an die große deutsche Sozialreform unter Kanzler Schröder „Agenda 2010“. Auch beim politischen Marketing merkt man, dass Finanzminister Hans Jörg Schelling aus der Wirtschaft kommt.
Einst als Möbelmanager für die Einführung des Werbe-Dauerbrenners „Familie Putz“ zuständig, lieh er sich nun als Minister die Agenda als Trademark für die Ergebnisse eines internationalen Expertengremiums zum Reformbedarf Österreichs.
„Österreich ist eines der führenden Länder in der Ineffizienz beim Einsatz öffentlicher Mittel“. ist das schonungslose Resümee des Vorsitzenden Thomas Wieser. Als früherer Finanzministeriumsbeamter und jetziger Leiter der Euro-Lenkungsgruppe weiß er wovon er spricht. Und der Minister sieht sich bestätigt, „dass genug Geld da ist, aber wir es nicht gescheit genug ausgeben“.
Gewiss hat „Presse“-Kommentator Josef Urschitz damit Recht, dass es schon eine ganze Reihe einschlägiger Papiere aller möglichen Institutionen zu dieser causa prima für Österreichs Zukunft gibt.
Mit seinem eigenen Weisenrat und dessen präzisem Katalog hat sich Schelling jetzt aber persönlich die Latte hoch legen lassen. Agenda bedeutet schließlich die Auflistung von Sachen, die zu erledigen sind.
Manches von den Erkenntnissen wiederholt und präzisiert Bekanntes. Manches ist von erfrischend neuer Problemerkenntnis: Dass etwa im budgetär und ökonomisch besonders wichtigen Infrastrukturbereich außer dem Breitbandausbau und dem öffentlichen Nahverkehr alle Ausgaben überdimensioniert sind. Das gelte vor allem für den Straßen- und Tunnelausbau, den die Experten treffsicher als „falsche Prioritäten“ bezeichnen.
Zuständig für falsche und millardenschwere Weichenstellungen der letzten Jahre waren übrigens die Infrastrukturminister Werner Faymann und Doris Bures.
Finanzminister Schelling wird die Themen tatsächlich rasch „abarbeiten“ müssen. Bezeichnender Weise fand gerade dieser Tage beim zurecht meist kritisierten und fragwürdigsten Großprojekt Brennertunnel einen Festakt zum „Tunnelanschlag“ statt.
Bei Schelling sind alle Voraussetzungen anders als bei seinen Vorgängern. Er war höchst erfolgreicher Manager und tickt auch als Politiker im gelernten Takt, er ist persönlich von der Politik völlig unabhängig, er ist habituell ein konfliktfreudiger Täter und er weiß um die weitgehende Gestaltungsmacht und Steuerungskompetenzen des Finanzministers.
Andere realisieren das zunehmend auch. In den ersten Tagen nach Präsentation der „Agenda 2020“ stellte sich der Koalitionspartner blind und taub. „Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“ beschied SP-Klubchef Andreas Schieder einschlägige Journalisten-Fragen.
Am Wochenende lieferte dann aber Kanzler-Freund und „Krone“-Innenpolitiker Claus Pándi den neuen Spin: Faymann und Schelling seien ein „dynamisches Reformduo“, das „große Schlagzeilen macht“. Für solche halluzinierten Reformduo-Schlagzeilen ist bisher höchstens die mediale Claque auf dem Boulevard zuständig.
Wenn Schelling aber den Kanzler nach sieben verschlafenen Jahren tatsächlich zu dynamischen Reformen verleiten könnte, wäre das jede ernsthafte Headline in allen seriösen Medien wert.
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