Zitate können sich nicht aussuchen, von wem sie verwendet werden. Shakespeares „Bei Philippi sehen wir uns wieder“ aus seinem „Julius Cäsar“ zum Beispiel.
Als Bruno Kreisky 1966 der frisch gebildeten ÖVP-Regierung in einer großen Parlamentsrede mit diesen Worten die vier Jahre später tatsächlich erfolgte Wahlniederlage androhte, hatte das bildungsbürgerliche Eleganz.
Als vor Tagen der niederösterreichische Vize-Landeshauptmann und Finanzreferent Wolfgang Sobotka dem Finanzminister Hans Jörg Schelling via „Kurier“ dasselbe ausrichten ließ, war es landestypisch rustikal-brutale Drohung. Unmissverständlich durch den Zusatz: „Schelling ist bereits mein siebenter Finanzminister.“
Der Finanzminister hatte sich beim überfälligen Versuch der Schadensbegrenzung der Hypo-Katastrophe in den Augen Sobotkas und anderer Landespotentaten schuldig gemacht, weil er einfach seines Amtes waltete und weiteren Schaden von Republik und Steuerzahlern abzuwenden versucht.
Dass er die Zahlungen der Hypo-Abbau-Gesellschaft HETA gestoppt hat, trifft nämlich auch die übrigen Hypo-Landesbanken. Die hatten jahrelang über gemeinsame Anleihen die Abenteuer ihrer Kärntner Kollegen mit 2,3 Milliarden Schuldscheine mitfinanziert. 1,2 Milliarden sind noch offen und werden jetzt durch Schellings Aktion fällig.
Dass der Finanzminister jetzt angegriffen wird, weil er sich vor seiner Notaktion nicht mit den Ländern abgesprochen hat, zeugt nur vom wirtschaftlichen und rechtlichen Unwissen seiner Kritiker. Jede Vorausinformation wäre eine strikt verbotene und mit unabsehbaren Folgen bedrohte Bevorzugung eines Teils der Gläubiger gewesen.
Viel skurriler die Forderung des derzeit als Sprecher aller Finanz-Landesräte agierenden, übrigens gelernten Musikschullehrers, Wolfgang Sobotka, die Länder wollten für den Schaden ihrer Hypos den Bund „nicht aus seiner Verpflichtung entlassen“. Die für ihre Landesbanken haftenden Länder (und mit ihnen unausgesprochen die an mehreren beteiligte Raiffeisen-Organisation) werde die Kosten beim Bund „geltend machen“.
Josef Urschitz, für „Die Presse“ schreibender Spitzen-Wirtschaftsjournalist, konfrontiert Sobotka & Co darauf in seiner Kolumne „ganz langsam zum Mitschreiben“ mit den Fakten: „Die Landes-Hypos haben über ihre Pfandbriefstelle Schuldscheine emittiert, für die sie gemeinsam solidarisch die Gesamthaftung übernommen haben. … Und für die haben sie jetzt gerade zu stehen. Punkt. Das hat mit dem Bund genau null zu tun.“
Nach Recht und geschriebener Verfassung eine völlig klare Angelegenheit also, was Schelling da durchziehen will.
Nach der föderalistischen Realverfassung eine echte Revolution.
Oder, wie die innenpolitische Star-Kolumnistin des „Kurier“ Daniela Kittner treffend titelt: „Das Ende eines Geschäfts-Modells“.
Jenes Modells nämlich, in dem sich die Länder - laut Verfassung fast ausschließlich durch vom Bund erhobenen Steuern finanziert – in den letzten Jahrzehnten munter auf die Finanzmärkte gewagt haben. Teils über die Geschäftsausweitung der landeseigenen, einst biederen Hypothekarbanken. Teils über die Ausgliederung von Landeseigentum in Landesgesellschaften, um damit auf dem Kapitalmarkt Kredite und Anleihen platzieren zu können. Teils über die spekulative Verwertung milliardenschwerer Guthaben aus Wohnbaugeldern.
Die Haftung von Dutzenden Milliarden für all diese Geschäfte liegt ausschließlich bei den Ländern. Augenzwinkernd und von Ratingagenturen wie Kreditgebern ernst genommen konnte man sich dabei immer an eine dahinter stehende Garantie des Bundes verlassen.
Schelling macht damit Schluss. Dass es für das tatsächlich insolvenzgefährdete Kärnten keine Bundeshaftung gebe, war rechtlich immer richtig. Politisch und für die Realität ausgesprochen wurde es nun zum ersten Mal.
Damit steht das für die spendierfreudigen Landesfürsten bequeme System der öffentlichen Finanzen völlig in Frage.
Es besteht angesichts der allgemeinen Schuldenmisere aber auch eine kleine Chance, den teilweise überdrehten Föderalismus via Finanzen zu beschränken.
Hätte Sobotka mit seinem Philippi-Zitat an den wahren historischen Hintergrund gedacht, läge er gar nicht so daneben.
Bei Philippi wurde 42 vor Christus in einer Schlacht die Zukunft des großen römischen Reiches entschieden.
Jetzt geht es in Wien tatsächlich um eine wesentliche Zukunftsentscheidung für das kleine Österreich.
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