Nicht Kopftücher sind das Problem - Bretter vor dem Kopf sind es

Gewiss, es gibt die Migranten-Buben ohne jeden Respekt vor Lehrerinnen und die Migranten-Mädchen, denen die Väter die Teilnahme am Schwimmunterricht verbieten. Gegen solche Formen der Integrationsverweigerung kann man durchaus über klare Konsequenzen bis zu Strafen diskutieren. (Eher rustikale Polit-Folklore ist dagegen der jüngste Vorschlag einiger ÖVP-Altgranden, in den Schulen das Kopftuch zu verbieten.)

Und gewiss, wir haben ein sehr ernsthaftes Problem mit der ultimativen Integrationsverweigerung von ein paar Dutzend oder auch Hundert islamistischen Fanatikern, die in den dschihadistischen Terror abwandern oder den unterstützen. Ob man aus klammer Staatskasse dafür gleich an die 300 Millionen für die Aufrüstung der Polizei aufwenden muss, bleibe mal dahingestellt.

Die ganz große, kaum diskutierte Problematik missglückter Integration liegt freilich anderswo.

Die jüngste Arbeitslosenstatistik weist für moslemische Türken (und teilweise auch Bosnier) weit überdurchschnittliche Arbeitslosenzahlen aus. Fast jeder vierte in Österreich lebende türkische Staatsbürger ist arbeitslos gemeldet. Zählt man die Jungen und viele Frauen ohne Jobs aber ohne Anspruch auf Arbeitslose dazu, dann wird wohl jeder Dritte an sich Arbeitswillige arbeitslos sein. Unter eingebürgerten türkischen Zuwanderern dürften die Zahlen ähnlich sein.

Dies ist fast ausschließlich das Ergebnis mangelnder Integration. Die türkische Community, insbesondere in Wien, ist groß genug für ein Leben in einer Parallelgesellschaft zwischen Moschee, Vereinen und türkischen Satelliten-TV zuhause. In diese Verhältnisse wachsen auch die Kinder und Enkel der aus traditionell-autoritären Teilen der Türkei Zugewanderten hinein. Die Folge sind weit überhöhte Zahlen bei Schulabbrechern und Jungen ohne Berufsausbildung und damit zunehmend beschränkten Chancen auf dem Arbeitsmarkt, aber auch bei jungen Gewalttätern und Kleinkriminellen. Mangelnde Bildungschancen und Karrieren in der Sozialhilfe werden vererbt.

Es ist wenig intelligent, den Zugewanderten allein oder vor allem die Schuld an dieser wachsenden sozialen Problematik zu geben.

Die einzig intelligente Antwort kann nur in der forcierten Integration durch Bildung liegen.

Es mag brutal klingen, aber dazu müssen die Kinder dieser bildungsfernen Randschichten (nicht nur türkischen) möglichst früh aus ihrer familiären Umgebung geholt werden.

Kindergartenpflicht ab dem 3. Lebensjahr dient nicht nur dem nötigen Erwerb unverzichtbarer Deutsch-Kenntnisse. Gleich wichtig ist die Einführung in ein Sozialverhalten diesseits der elterlichen Traditionen von väterlicher Allgewalt und mütterlicher Unterordnung samt Übertragung dieser Muster auf Söhne und Töchter. Das verlangt zusätzlichen Raum und vor allem zusätzliches qualifiziertes Personal in und für Kindergärten.

Danach braucht es in den Bezirken mit hohen Zuwandereranteilen flächendeckend Ganztagsschulen. Auch dies mit doppeltem Effekt: Weitere Integration statt Nachmittage vor Türk-TV oder Kraftmeierei im Park. Und unverzichtbare Lernhilfe, die die Eltern logischerweise nicht annähernd leisten können. Auch Ganztagsschulen können nur mit ausgebauten Schulen und deutlich mehr Lehrern und Assistenz-Personal mit Spezialkenntnissen funktionieren.

Der Einwand, dass solche Investitionen in die Bildung erst in Jahren auch in besseren Chancen für die jungen Migranten resultieren, ist ebenso richtig wie kurzsichtig. Es geht vor allem einmal darum, die Erbfolge von Integrations- und Bildungsmängeln zu stoppen. Man muss nicht Sarrazin heißen, um die einfache Mathematik anzuwenden: Wenn 20.000 bildungsferne traditionelle türkische Paare üblicherweise drei Kinder kriegen, und diese Kinder mangels erfolgreicher Integration das tradierte Muster übernehmen, dann haben wir es mit an die 100.000 Enkelkindern zu tun.

Bleibt der Einwand, dass die nötige Bildungsoffensive sehr viel Geld kosten würde. Eine vernünftige Politik könnte die nötigen Mittel sehr rasch organisieren, wenn sie etwa die wirtschaftlich beschränkt sinnvollen Tunnelprojekte der Bahn auf vernünftige Ausmaße reduzieren und zeitlich verschieben würde. Zusätzlicher Personalbedarf in Kindergärten und die notwendigen Bauten würden, so nebenbei, auch noch ein Vielfaches an Arbeitsplätzen schaffen im Vergleich zu den Tunnelbauten.

Und im Übrigen ist es auch höchste Zeit, in der Familienförderung weitgehend von Direktzahlungen an die Eltern auf Finanzierung von Krippen und Kindergärten umzusteigen. Nicht zuletzt, weil gerade in sozialen Rand- und Unterschichten die Familienbeihilfe häufig eher dem elterlichen Konsum als den Kindern dient.

Nicht das Kopftuch ist das Hauptproblem der Integration. Die Bretter vor dem Kopf der Politik sind es.

Denn wie formulierte es treffend der in Berlin lebende israelisch-arabische Psychologe mit Schwerpunkt Extremismus-Bekämpfung Ahmed Mansur kürzlich im „Spiegel“ treffend:

„Europas Gesellschaften müssen verstehen, dass Schulen nicht nur Bildungsinstitute sind, sondern für sogenannte marginalisierte Gruppen vor allem ein Sozialisationsapparat - und zwar oft der einzige! Hier müsse Kinder erfahren, dass es Raum für Denken und Fragen, Spielen und Lernen gibt, dass Kritik aufregend und Demokratie spannend sein kann. … An keinem anderen Ort kann bei Kindern aus autoritär-traditionellen Familien die Liebe zur Demokratie entstehen. Arbeit mit den Eltern mag noch so wichtig sein – wo die Eltern die Demokratie ablehnen, wird sie nicht wirken. Und die nächste Generation kann, soll und darf nicht warten.“

Werde auch Du Teil unserer Community und nimm Kontakt zu Journalisten und anderen Usern auf. Registrier dich kostenlosund begeistere unsere Community mit deinen Kommentaren oder eigenen Texten/Blogbeiträgen.

5
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

Miki

Miki bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

hannah arendt

hannah arendt bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

Claudia Braunstein

Claudia Braunstein bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:00

19 Kommentare

Mehr von Peter Rabl