Quelle: Rocco Burggraf-Dresden
Der Worstcase blieb Dresden erspart. Wäre der Einsturz einige Wochen früher und dann tagsüber erfolgt, hätte es Hunderte Todesopfer geben können. Zur Illustration - zwei der dort die meiste Zeit des Tages in engstem Takt fahrenden, vollen Straßenbahnzüge transportieren allein knapp 600 Fahrgäste. Im unglücklichsten Fall wären Hunderte von Passanten dazugekommen, eventuell jene, die die Brücke nicht selten als Tribüne nutzen, wenn unten am Brückenkopf etwa Events wie die „Kaisermania“ stattfinden. Nicht auszudenken, worüber wir jetzt schreiben müssten, wäre die Brücke am frühen Abend eines solchen Tages unter erheblicher Verkehrslast zusammengebrochen.
Aber auch so sind die Schockwellen gravierend. Das Verkehrschaos heute Morgen war enorm, und es wird enorm bleiben. Durch die Zerstörung zweier, in den Tragprofilen verlaufenden Fernwärmeleitungen wurde nicht nur das Altstädter Ufer unter Wasser gesetzt, sondern durch den Druckverlust im Netz die Versorgung der gesamten Stadt mit Fernwärme unterbrochen. Darunter die für nahezu allen städtischen Kliniken. Dies wiederum führte dazu, dass überall Operationstermine abgesagt werden mussten, die angesichts von 14° Außentemperatur eine Beheizung der OP-Säle erfordert hätten. In dringlichen Fällen kann ein solcher unvorhergesehener Aufschub Menschenleben kosten. Die vielen Toten gab es nicht. Gott sei Dank.
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Vor diesem Hintergrund mögen die entstandenen Sachschäden vergleichsweise gering erscheinen. Sie sind aber enorm. Die Kosten durch die zu erwartenden, wahrscheinlich Jahre andauernden Verkehrsbeeinträchtigungen sind kaum zu ermessen. Sollte die gesamte Brücke ersetzt werden müssen, was schon aus Haftungsgründen sehr wahrscheinlich ist, werden die Baukosten weit über 100 Millionen Euro betragen. Dresden steht derzeit (wie in den letzten Jahren sehr oft) vor einer Haushaltssperre und kann Mehrbelastungen ohnehin kaum noch abfedern.
Als Dresdner ist mir also nach den sarkastischen Witzeleien, die jetzt das Netz fluten, nicht zumute. Der Nachmittag diente eher dazu, etwas Licht in den „Nineeleven Dresdens“ zu bringen. Ich habe mit zahlreichen Fachkollegen telefoniert, gechattet und gemailt. Die Frage, wer die Schuld für dieses Desaster trägt, wird schon jetzt heiß diskutiert und wird zu personellen Konsequenzen führen müssen. Zusammengetragen habe ich Folgendes:
Der beim Bau verwendete Stahl gilt meinen Informationen zufolge seit längerem als anfällig für die sogenannte Spannungsrisskorrosion. Ein Phänomen, das zum spontanen ankündigungslosen Zerreißen der Spannstähle führen kann. Durch rissigen Beton und eindringende Feuchte potenziert sich das seit langem bekannte Risiko noch weiter. Die Lebensdauer von Spannbetonbrücken wird in der Fachliteratur nicht zuletzt deshalb mit maximal 80 Jahren angegeben. Das war offensichtlich auch der Stadt bekannt. Daher sollte auch die derzeit laufende Sanierung der drei parallel verlaufenden Brückenteile die letzte ihrer Art sein. Ein Plan für das Danach, der angesichts des nötigen Planungsvorlaufs längst hätte veranlasst sein müssen, existiert nach meinen Informationen allerdings nicht.
Im letzten, der alle sechs Jahre vorgeschriebenen TÜV-Berichte - wurden dem jetzt eingestürzten Brückenzug ‚C‘ der Carolabrücke bereits 2021 eine ganze Reihe schwerer Mängel attestiert. Darunter Korrosionsschäden und eine mangelhafte Abdichtung der Gleisabschnitte nach unten. Die Einstufung des Brückenteils erfolgte daher mit den Noten 3,0 - 3,4. Gleichbedeutend mit dem Prädikat „nicht ausreichend“ (sicher). Welche regulatorischen Spitzfindigkeiten dazu geführt haben, dass der Brückenabschnitt nicht gesperrt oder dort wenigstens umgehend Sanierungsmaßnahmen eingeleitet wurden, wird Gegenstand weiterer Aufarbeitungen sein. Jedenfalls wurde drei Jahre lang praktisch kaum etwas unternommen, was den unsicheren Zustand hätte beheben können. Statt dessen wurden die besser eingestuften Brückenzüge a und b saniert. Soweit wie möglich jedenfalls. Was in diesem Fall heißt, gegen weitere Einflüsse von außen, so gut es eben ging, geschützt. Bereits eingetretene Schäden in der Stahlstruktur selbst mit bildgebender Diagnostik vollständig zu erfassen, scheint so aufwändig zu sein, dass man darauf verzichten musste. Zu fragen ist dennoch, warum der im TÜV-Bericht deutlich schlechter eingestufte Brückenteil nicht zuerst saniert, sondern als letzter mit einem Baubeginn erst 2025 eingeordnet wurde. Dies gilt vor allem, weil davon auszugehen war, dass die dort fahrenden Straßenbahnzüge durch die erzeugten Erschütterungen einen erhöhten Verschleiß der Tragstruktur bewirken würden.
Am 14.Juni diesen Jahres hatten die Freien Wähler/Freie Bürger im Stadtrat nach monatelangem Hin und Her einen Antrag zur Abstimmung gestellt, der den städtischen Behörden endlich einen klärenden aktuellen Zustandsbericht zu den Dresdner Brücken abverlangte. Mit den Stimmen von RotRotGrün wurde dieser Antrag abgelehnt. Der Baubürgermeister Kühn, studierter Soziologe und seines Zeichens Angehöriger der Grünen hatte bereits ein Jahr zuvor in einer Nachricht auf Twitter einen bekannten Kommunalpolitiker zurechtgewiesen, der öffentlich moniert hatte, die zuständigen Behörden ließen Dresdner Brücken „vergammeln“. Dies „entbehre jeder Grundlage“. Er lehnte den Antrag vor wenigen Wochen erneut ab.
(Ende)
Natürlich ist es mühselig hinterher nach Schuldigen des Einsturzes zu suchen und wie auch auf Bundesebene, macht sich auch auf Landesebene, wie auch auf Stadtpolitikebene die Erkenntnis breit, man sollte keine Dilletanten an die Schaltstellen setzen, nur weil sie das richtige Parteibuch, oder eine komplett fachfremde (nicht)Ausbildung haben. Und wenn, wie fast immer, parteitaktische Gründe zur Missachtung gravierender Missstände angewendet werden, dann sollte man eben auch die dafür Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Da muss sich wohl die Staatsanwaltschaft um die politisch Verantwortlichen kümmern und einige davon einsperren.