“Superhypercube” ist der Rubik Würfel der 20er Jahre. Der Erfinder ist zwar ein Genie, hasst aber seine eigenen Kunden.

Wer sich an die 80er erinnern kann, hat dieses Ding noch genauso grausam in Erinnerung wie Tschernobyl: der Rubik Würfel, auch Zauberwürfel genannt. Seltsam, dass so kurz vor dem Fall des eisernen Vorhangs etliche obskure Dinge die Grenze zum Kommunismus vom tristen Osten her durchbrachen, um unser Leben zu “bereichern” - sei das jetzt radioaktiver Niederschlag, Tetris, oder eben dieser Rubik Würfel, den ein ungarischer Architekt auf die Menschheit los ließ. Rückblickend betrachtet, war mir das totbringende Casium 137 aus Tschernobyl von diesen drei Dingen noch am liebsten. Es machte uns klar, was wir Menschen für eine lächerlich kleine Nummer im Universum sind, und das schweißte uns zusammen. Der Rubik Würfel hingegen trennte die dummen von den intelligenten Menschen, und wenn so ein brillentragender Schulkollege im Klassenzimmer wie ein Roboter den Würfel korrekt zusammendrehte, war jegliches Zusammengehörigkeitsgefühl erloschen, und man wollte dem Nerd den Würfel an seinem Schädel hauen, in der Hoffnung ihm seine Intelligenz aus dem Schädel zu klopfen. Für den Rubik Würfel war ich dermassen unbegabt, dass ich heimlich versuchte die Farbsticker runterzukratzen, und farblich korrekt abgestimmt wieder an seine 6 Ecken zu kleben, was irgendwie nicht funktionierte, und grundsätzlich damit endetete, dass der Würfel in hohem Bogen Richtung Mistkübel geworfen wurde. Oder mit einem gezielten Wurf auf den Kopf eines intelligenteren Schulkamerdaden, dessen räumliche Vorstellungskraft ihn dazu befähigte, den Teufelswürfel zu meistern.

Nun stehe ich einige Jahrzehnte später vor dem selben Dilemma wie in den frühen 80ern: man verlangt von mir, an einem Würferl herumzudrehen um ein Rätsel zu lösen. Nur ist diesmal alles anders - ich fliege in einer virtuellen Realität, mein realer Körper ist losgelöst von existentiellen Bedrohungen wie unbezahlter Strafzettel, einer Freundin die zum Ikea will, oder Cäsium 137, dass einem die Knochen zerfrisst. Ermöglicht wird mir das durch die Kombination von aktueller Hard & Software. Auf meinen Kopf ist eine “Play Station Virtual Reality” (PS VR) geschnallt, darin läuft das Spiel “Super Hyper Cube”. Die Idee ist relativ simpel: wie schon beim einzigen russischen Blockbuster in der Geschichte des Kommunismus - gemeint ist Tetris - fallen Würfelgebilde auf eine Fläche herab. In diesem “Fall” allerdings fliegt man hinterher, und kann durch reale Kopfbewegungen auf die Fläche dahinter sehen, und somit erkennen welche Seite des Würfelhaufens dem man hinterherfliegt, dem Boden zugeneigt sein muss, damit das 3D Puzzle auch klappt. Das klingt einfach, und das ist es auch. Jedenfalls wenn das Würfelkonstrukt aus einem einzigen Würfel besteht. Dann drückt man die “X” Taste, der Würfel schiesst zu Boden, fügt sich korrekt ein, und eine neue Fläche erscheint, diesmal mit einer größeren Öffnung mit mehr Kanten. Von allen Seiten kommen plötzlich neue Würfel hinzugeflogen, und das Objekt dem man hinterher fliegt, wird größer und komplexer. Man beginnt den Würfelhaufen zu drehen, streckt den Kopf nach links und rechts, um zu schauen welche Seite in die Öffnung passt.

Superhypercube ist ein phänomenal designtes Spiel. Man fühlt sich wie Jeff Bridges in “Tron”, als wäre man IN einem Computerspiel. Dazu hat ein in der Szene sehr umstrittener Programmierer namens Phil Fish maßgeblich beigetragen. Bekannt wurde er durch sein Mitwirken im Dokumentarfilm “Indie - The Movie”, in dem er sein Spiele FEZ präsentierte, ein sehr ambitioniertes Plattform Spiel mit einer Fülle an neuen Ideen und einer einzigartigen, wirklich genialen Technik die 2D mit 3D verschmelzen lässt, und so Puzzles ermöglicht die zwar absolut logisch sind, einem aber das Hirn rauchen lassen. Noch bekannter wurde Phil Fish allerdings mit seinen Tweets, in denen er regelmäßig Gamer - also seine eigenen Kunden - beschimpfte. Sätze wie “Vergleiche Dein Leben mit meinem, dann willst Du Dich töten.” gehörten da noch zu den harmloseren. Die Gaming Community brach einen Shitstorm nach dem anderen los, Phil Fish kündigte an nie wieder ein Spiel zu programmieren, womit die Gaming Industrie sein Wunderkind verloren hätte. Zum Glück hielt er sein Versprechen nicht.

Bei der neuesten Kreation des `Enfant Terrible´ ist es auch ähnlich wie bei FEZ: Superhypercube ist blitzschnell erklärt, aber bis einem der Knopf aufgeht, und man die immer größer werdenden Würfelgebilde durch die Öffnung navigiert, vergehen ein paar Stunden. Dafür macht es wirklich Spaß! Die viel zitierte “Immersion”, also der Grad wie sehr die virtuelle Realität einen die tatsächliche vergessen lässt, ist sehr hoch, und hat zumindest bei mir kein einziges mal die berüchtigte VR Übelkeit verursacht. Dieser Effekt geht soweit, dass man sogar einen virtuellen Controller vor sich sieht, der sich exakt so vor einem bewegt, wie man ihn gerade hält - nur dass der Controller wie ein Konstrukt aus schwebenden Neonröhren aussieht. Der Sound ist minimalistisch und stimmungsvoll, die Dramatik steigert sich jedes mal wenn neue Würfel dazukommen, die Jagd auf einen besseren Highscore grenzt bald an Besessenheit. Das ganze spielt sich noch dazu in einem Pandämonium in Neonfarben ab, was das Spielerlebnis noch intensiver wirken lässt, ohne eine Reizüberflutung auszulösen. Superhypercube für die junge VR ist eindeutig ein Geheimtipp. Es macht das Headtracking der PSVR zu einem zentralen Element, hat tolle Grafik und Sound, und das Spielprinzip begeistert auf Anhieb. All das lässt einen fast vergessen, dass sein Erfinder Dich vielleicht nicht ausstehen kann.

Phil Fish - SONY

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