Zorro muss reisen

Claudio schaute nachdenklich auf seine Hände. Seitdem er die Lehre als Maurer begonnen hatte, waren aus seinen immer gepflegten Händen rissige, verhornte Greifwerkzeuge geworden. Anders konnte er das nicht bezeichnen. Er schlüpfte in seine Arbeitskleidung, er hatte nur noch ein paar Minuten Zeit bis, er den Bauwagen wieder verlassen mußte, um wieder beim Polier Habt Acht zu stehen.

So schön hatte er sich das vorgestellt. Lehre mit Matura, erst Maurerhandwerk lernen, Matura machen, fleissig arbeiten, Polier werden und nebenher Architektur studieren. Er sah dies als den geerdeten Zugang zu seinem Traumberuf.  Nur seine Kollegen konnten mit ihm nicht anfangen. Er war nicht so wie die anderen Kollegen. Er las mit seinen 17 Jahren Kant, Marx und mit Begeisterung den jungen Philosophen Pfaller; seine persönliche Bibel war aber Gödel, Escher, Bach von Douglas R. Hofstadter….  Er liebte aber seine Arbeit, auch wenn er kaum Anschluß fand. Grosso modo liess man ihn in Ruhe und tat ihn als Spinner ab, seine Arbeit war gut, der Big Boss war zufrieden mit seinem Lehrling.

Nur der Vorarbeiter machte ihm zu allem sich bietenden Gelegenheiten das Leben schwer. Er hatte schnell erkannt, daß Claudio ihm eines Tages den Vorarbeiter möglicherweise streitig machen würde,  hatte er doch zufällig ein Telefonat von BB belauscht. Zorro, der Vorarbeiter, beschloß, daß er dafür sorgen wolle, daß dies nie passieren würde. Das war nun einige Monate her. Woher Zorro seinen Namen hatte, wußte niemand, er war einer der ältesten Mitarbeiter im Betrieb, würde noch 10 Jahre arbeiten zu haben. Und er hatte nicht vor, sich aus seiner Bequemlichkeitszone drängen zu lassen.

Zorro riß die Türe zum Bauwagen auf. Beweg Deinen Arsch gefälligst hier raus und hackel endlich was, du faule Sau, pflaumte er Claudio an, der ihn mit leicht erstaunten Gesichtsausdruck ansah. Er sagte nichs, es waren nur noch wenige Monate, bis er seine Lehre abschliessen konnte, er würde das auch noch überstehen.

Zorro teilte ihm mit, daß er heute den Tag mit  ihm verbringen würde, BB hatte ihn beauftragt, in seinem Ferienhaus eine Arbeit erledigen, hatte aber darauf bestanden, daß er dies mit Claudio machte. Allein das machte Zorro wütend. Damit konnte er seinen Nebengeschäften  nicht nachgehen, denn Claudio war korrekt. Aber nicht korrekt, wie Zorro das verstand. Also viel saufen, Bauteile unterschlagen und an befreundete Häuslbauer zu verticken, und dafür den Auftraggebern minderwertige Ware einzubauen, die er weiss Gott wo, auftrieb.

BB erwartete die beiden Männer schon, wies sie ein, und zeigte sich höchst begeistert von den Ideen, die Claudio für den Umbau hatte. Zorro fühlte eine unbändige Wut in sich aufsteigen, mußte sich aber noch zurückhalten. BB informierte die Männer, daß er erst Ende der Woche wieder zurückkehren würde….

Kaum war BB verschwunden, machte Zorro sich erstmals eine Flasche Bier auf. Er hatte ein massives Alkoholproblem, und ohne 2-3 Flaschen in der Früh, konnte er kaum den Tag beginnen, dies war allerdings heute schon Flasche Nummer 5. Um 9 Uhr morgens.

BB wollte einen kleinen  Teil seines Kellers zugemauert haben, daher hatte Claudio die Aufgabe, die Ziegel hinunter zu schleppen. Es waren schöne , alte Ziegel,  wie man sie kaum mehr findet; er hatte BB vorgeschlagen, diese nicht zu verputzen, sondern nur am Rand mit einen Strukturputz zu versehen, sodaß er dann eine wunderschöne rohe Ziegelwand hat. Das bedeutete aber auch sehr exakte Arbeit – und das gefiel Zorro gar nicht.

Claudio richtete die Baustelle ein, und mit einem Seitenblick auf Zorro, der mit seiner 6. Flasche Bier an der Wand lehnte und Claudio beobachtete, begann er sorgfältig mit der Arbeit. Zorro dachte gar nicht dran, Claudio zu helfen; im Gegenteil: Er zog sich Bierkiste heran, setzte sich drauf, und fing zu sticheln anEs war die alte Leier, die Claudio kannte: Er brauche nicht glauben, er sei was Besseres, er ist ein arroganter Pimpf er solle mal das leisten was Zorro gemacht habe… irgendwann hörte Claudio nicht mehr zu..

Er war hochkonzentriert, und erlaubte sich dann gegen 12 Uhr eine Pause einzulegen. Zorro war inzwischen weggefahren, um frisches Bier zu holen. Claudia legte sich ins Gras und liess seine Gedanken fliessen.Langsam ging ihm Zorro auf die Nerven; genauso wie ihm sein älterer Bruder endlos genervt hatte. Glücklicherweise hatte sich das von selber erledigt. Der Bruder war nach Thailand abgehaut, am Anfang kamen noch Ansichtskarten, dann kam nicht mehr. Claudio sprang auf. In seiner Freizeit betrieb er Kampfsport, er war ziemlich behende, reaktionsschnell und trainierte 3 x pro Woche. Das war auch der Grund seiner Selbstbeherrschung. Obwohl er wußte, daß er nur noch ein paar Monate hinter sich zu bringen hatte, festigte sich ein Gedanke, der immer mehr Gestalt annahm.

Er war bereits wieder über eine Stunde beim Arbeiten, als Zorro zurückkam… Wenigstens hatte der verhasste Lehrling  die Wand fast komplett aufgestellt… Unwillig mußte er zugeben, daß Claudio bestens gearbeitet hatte. Er suchte nach Fehlern, konnte aber keinen finden. Breitbeinig und schwankend stand er vor der Wand.

Claudio schob den letzten Ziegel in die Wand, rührte die Strukturpaste an und vollendete das Werk. Er grinste wie ein kleiner Bub begeistert vor sich hin. Er machte noch ein paar Fotos und schickte sie ab. Man würde zufrieden sein.

Er packte alles zusammen, die nächsten Tage waren der Schule gewidmet.Am darauffolgenden Montag bat BB Claudio zu sich und teilte ihm mit, daß Zorro spurlos verschwunden wer, und er sich die letzten Tage schon ziemlich Sorgen gemacht hat: Er hatte eine Ansichtskarte in der Hand und reichte sie Claudio.Hallo Chef,  jetzt komme ich mal dran. Ich habe genug gearbeitet. ..Ein paar Kraftausdrücke weiter unten ein großes Z für Zorro Das kannten alle in der Firma. BB schaute etwas ratlos, zuckte mit den Schultern, und fragte Caudio, ob er den Vorarbeiterjob übernehmen würde wollen, wenn er in wenigen Wochen mit den Prüfungen fertig war.

Als Claudio am Abend auf dem kleinen Balkon saß, der zu seinem Zimmer gehörte, grinste er vor sich hin.Es hatte sich ausgezahlt, den Philosophiezirkel im Internet weltweit auszudehnen. Bis nach Thailand. Es würden  noch ca 5-6 Karten kommen, auf Nyen Gom konnte er sich verlassen. Der hatte schon Übung in Karten verschicken.Die Strukturpaste tat ihren Dienst, denn sie liess keine Gerüche durch. Das wußte er schon seit seinem gelösten Problem mit seinem Bruder.

Er nahm seine Sporttasche. Heute würde er die höchstmögliche Auszeichnung in seinem Grad der Kampfsportausbildung bekommen – die Foto hatten ihren Zweck nicht verfehlt.Und niemand wußte, daß der  letzte Ziegel, den Claudio in die Wand geschoben hatte, nicht fixiert worden war.Auch Zorro hatte es nicht gewußt, auch sein Bruder nicht.Eine SMS kam rein: Die Nächste Karte ist heute verschickt worden.Claudio lächelte. An der philosophischen Ausdrucksweise muß Nyen Gom noch arbeiten.

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Herbert Erregger

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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