Thomas Bauer
Die Klimaanlage im Gerichtszimmer der Stadt Dourados in Mato Grosso do Sul läuft auf Hochtouren. Während, der Assistent die Namen der im Prozess involvierten Personen aufruft, überfliegt der Richter nochmals kurz die Akten des Straffverfahrens. Vorgeladen sind. Angeklagter: Großgrundbesitzer. Kläger: Staatsanwalt der Republik Brasilien. Die Anklage im Strafverfahren lautet: unerlaubter Einsatz von giftigen Pestiziden im Wohngebiet.
Dies ist absolut kein Einzelfall erzählt mir Marco Antonio - der zuständige Staatsanwalt für die indigene Bevölkerung und Minderheiten im Bundesland Mato Grosso do Sul. Vor ihm stapeln sich die Akten. Sie sind prall gefüllt mit unzähligen Verbrechen und ermordeten Indigenen die ihren Einsatz beim Kampf um ihre Territorien mit dem Leben bezahlt haben.
Im Gespräch fährt er fort: “bis Anfang der 80iger Jahre waren die Indigenen Guarani-Kaiowá auf den Fazendas geduldet. Wer sonst, wenn nicht sie, hätten dort als billige Erntehelfer auf den Mate-Plantagen die Arbeit übernommen.” Dann kam die Wende. Die Nachfrage an Soja stieg weltweit stark an. Die noch bewaldeten Flächen der riesigen Fazendas, vielfach bewohnt von den Guarani-Kaiowás mussten weichen. “Auch hier waren die Indigenen vielfach unter unmenschlichen Arbeitsverhältnissen im Einsatz.” erzählt mir Marco Antonio.
Mit der Expansion der maschinell bewirtschafteten Soja- und Zuckerrohrplantagen wurde den vorweg geduldeten – weil sie sich wirtschaftlich rechneten und zur billigen Produktion notwendig waren – Indigenen, allerdings ihr bereits spärlicher Raum genommen. Von Ausgebeuteten wurden sie zu Überflüssigen und stehen seit diesem Zeitpunkt einfach nur im Weg und kämpfen unter unmenschlichen Bedingungen um ihr Leben.
Versucht Euch in diese Situation hineinzudenken. Überflüssig, nicht gewünscht, permanent diskriminiert und mit dem Tode bedroht wenn man versucht das zurückzugewinnen was einem rechtmäßig zusteht. All dies genau an dem Ort an dem man das Licht der Welt erblickt hat. Dort wo die Vorfahren versucht haben eine Existenzgrundlage für die nächsten Generationen zu schaffen.
Szenenwechsel. Ich treffe mich mit dem indigenen Guarani-Kaiowá Häuptling Bonifácio im Zeltlager von Pakurity, ihrem ursprünglichen indigenen Territorium, eingekesselt zwischen den Soja und Zuckerrohrplantagen die weit über den Horizont hinausgehen. “Vor 28 Jahren haben wir uns wieder hier niedergelassen, der Grossgrundbesitzer behauptet wir haben das Gebiet besetzt, aber es ist unser Territorium, das Land unserer Vorfahren.” erklärt mir Bonifácio. “Wir leben hier unter ständiger Bedrohung, die Regierung hat unser Territorium bis heute nicht demarkiert und der Grossgrundbesitzer versucht uns ständig zu vertreiben.”
Permanent kommt es zu Gewalt. Ständig, wird mir erzählt, kommen sie mit ihren Pick-ups und bedrohen uns. Wenn wir nicht aufpassen dann versuchen sie uns zu überfahren. Auch während unseres Besuches bleibt der Großgrundbesitzer am Straßenrand stehen und beobachtet uns. Dazu kommt der ständige Pestizid-Einsatz auf den angrenzenden Sojafeldern. Die dabei entstehenden Giftwolken bedecken immer wieder ihr Zeltlager. Die Folgen: brennende Augen, Hautauschläge, vergiftete Wasserquellen...
Der Großgrundbesitzer ist übrigens derselbe wie eingangs erwähnt. Dieses Mal hat er, wie er es gegenüber dem Richter erwähnt allerdings “nur seine Sojafelder gedüngt und der Erde die notwendigen Hormone zugeführt”.