5. März 1922.
Eine persönliche Hommage an ein Idol.
Würde, wäre..... Nein, am 2. November 1975 wurde er gewaltsam zu Tode gebracht.
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Am Anfang solle ein Zitat stehen, welches er in der Illustrierten TEMPO, in der er eine wöchentliche Seite "Das Chaos" zum Schreiben zur Verfügung hatte, zu der er eigentlich den idealen Untertitel wusste, nämlich "Gegen den Terror":
*** Autorität ist in der Tat immer Terror, auch wenn sie noch so eine süße Sprache spricht....***
Bereits in meinen frühen Jugendjahren war PASOLINI eines meiner grössten Idole, ich befand mich zu jener Zeit sehr oft und sehr viel in Italien, hatte dort sehr viele Verbindungen zu Freunden, Bergsteigern und natürlich zahlreichen Anarchisten und Künstlern und übte mich selbst im Schreiben von Gedichten in österreichischer Mundart.
PASOLINI war bekannt dafür, dass er in sehr jungen Jahren bevorzugt Gedichte im friulanischen Dialekt geschrieben hat, ein anderes italienisches Idol von mir, der Literaturnobelpreisträger LUIGI PIRANDELLO schrieb seine Doktorarbeit in Bonn über die Bedeutung der Dialekte in der Sprache.
Ich weiß, dass dieser Beitrag hier auf dieser Plattform ein absolutes Minderheitsprogramm ist, ich schreibe und veröffentliche ihn hier trotzdem, einerseits, um einem gewissen Hype über das gerade vorherrschende Empörungsthema zu entgehen, andrerseits, um zumindest ein paar Lesern anlässlich des 100. Geburtstages meines Idols vielleicht zum ersten Mal in deren Leserleben den Namen und die Person Pier Paolo Pasolinis bekannt zu machen, der hier vermutlich so gut wie unbekannt sein dürfte.
Es ist auch so, dass ich in den letzten zehn Jahren ein für mich und meine Lebensaufgabe als Schreibender völlig eigenständiges konzeptuelles Verständnis für Sprache und Kommunikation entwickelt habe, welches zum Inhalt hat, die Domestizierung der Sprache und der Kommunikation im öffentlichen Bereich zu unterlaufen, und mit den Mitteln der Direktheit und Derbheit und einer ganz bewusst gesetzten proletarischen Rauheit eine Ganzheit wiederherzustellen, die durch die Prozesse der angewandten Political Correctness in den letzten Jahrzehnten, auch schon des zwanzigsten Jahrhunderts, zunehmend im Verschwinden begriffen ist.
Diese verlorene Ganzheit der Sprache repräsentiert natürlich die Folge eines absichtsvollen Vorgehens der Mächtigen und Herrschenden, den Menschen die Sprache so weit zu verdünnen, dass sie durch sie quasi nichts mehr wirklich Kraftvolles zum Ausdruck bringen können sollten. Die Sprache wurde zum reinen Herrschaftsinstrument gemacht und vergewaltigt, viele, die da bei der Ausbildung einer anscheinlich "höherwertigen Sprache" nicht mehr mitreden können, wollen oder sich gar ihrer Einfachheit schämen und letztendlich verstummen, haben diese Umwandlung sehr deutlich verspürt und entlang dieses Spürens sind Spaltungen und Bruchlinien entstanden, innerhalb der Bevölkerungen, die nicht mehr zu kitten waren.
Ein Ausfluß dieser brachialen Machtausübung durch politisch korrekte Sprachnutzung war die Bildung und Gründung sogenannter "populistischer Strömungen und politischer Parteien", in denen die Parias der Gesellschaft dann auch wieder zu Wort zu kommen wagten, nachdem sie von arroganten Eliten verächtlich zur Seite geschoben wurden.
PIER PAOLO PASOLINI, in Folge kurz PPP genannt, war sich dieses Themas und dieses Problems sehr sehr bewusst, er war ein eminent politischer Mensch, ein zartfühlender Mensch mit einem ungeheuer sensiblen Sensorium für die Möglichkeiten der Ausübung von Unterdrückung und Deklassierung der armen Menschen Italiens mittels einer hocharroganten Umgangssprache seitens des politischen Establishments.
Deshalb seine Versuche im friulanischen Dialekt, er lebte lange und sehr gerne und bevorzugt in den friulanischen Dörfern Norditaliens, bevor ihn dann sein Lebensweg, verbunden mit seinen großen Erfolgen als ungeheuer erfolgreicher Filmregisseur nach Rom führte.
Doch auch in Rom zog es ihn sehr in die Borgate, in die armen Vorstädte der Römer, auch dort versuchte er, den einfachen Menschen, auch sprachlich, sehr nahe zu bleiben.
Ich möchte diese Hommage nicht allzusehr ausufern lassen, es ist schwer PPP's Werk in seiner gesamten Bedeutung wirklich rundum zu würdigen, es ist so umfassend wie vielschichtig.
Ich selbst habe von ihm sehr viel gelesen, viele Gedichte, von denen ich danach noch eines hier als Beispiel herein nehmen will, ich habe die FREIBEUTERSCHRIFTEN gelesen, die mich sehr beeindruckt und beeinflusst haben, auch in meiner politischen Zeit mit den INDIANI METROPOLITANI und der AUTONOMIA OPERAIA, ich habe auch die Beiträge von ihm aus der Illustrierten TEMPO auf seiner wöchentlichen Seite gelesen, prägend wiederum war aber sehr wesentlich für mich sein Debütroman RAGAZZI DI VITA, den er 1955 veröffentlicht hat und in dem die Sprache der Jugend aus den römischen Vorstädten in den 50er Jahren wieder die dominante Rolle spielte, die letztendes auch für mein Sprachverständnis, mein Sprachgefühl und mein Bewusstsein über Kommunikation ein mitentscheidendes Element waren.
1959 erschien dann sein Folgeroman UNA VITA VIOLENTA, auch dieser hatte die Sprache im Mittelpunkt seines Geschehens und auch dieses Werk ist in meinen Augen zeitlos richtungsweisend für eine Ganzheit der Sprache.
Worauf ich aber in dieser Würdigung von PPP gar nicht vergessen will, sind seine Filme, die ich beinahe alle gesehen, geliebt und genossen habe.
Das fing an mit
"Das erste Evangelium - Matthäus" 1964, ich sah diesen Film, als ich noch Leiter einer katholischen Landjugendgruppe in der Steiermark war und er beeinflusste mich sehr in meinen radikalen christlichen Überzeugungen, die dann in weiterer Folge zu den lateinamerikanischen Befreiungstheologen und Bischöfen wie DOM HELDER CAMARA führten.
1968 entstand sein Film TEOREMA - GEOMETRIE DER LIEBE, ein sehr präziser Film über die Verklemmungen des Bürgertums.
PPP hatte aus seiner abgrundtiefen Abneigung gegen das Bürgertum nie ein Hehl gemacht, ganz im Gegenteil, er hat sogar des öfteren seinen Hass auf diese heuchlerische Gesellschaftsschicht öffentlich zum Ausdruck gebracht, was seinem Ruhm und seiner Bedeutung jedoch keinen Abbruch tat.
Unvergessen, und heute noch so nah wie lebendig, waren und sind für mich jedoch seine Filme, die sich auf Bocaccio bezogen und die ich in der Zeit von 17 bis zu meinem 21. Lebensjahr gesehen hatte wie DECAMERONE, PASOLINIS TOLLDREISTE GESCHICHTEN, EROTISCHE GESCHICHTEN AUS 1001 NACHT von 1970 bis 1974.
Diese Filme führten mich in weiterer Folge zu GIOVANNI BOCACCIO und vielen weiteren Schriftstellern des prallen italienischen Narrentums und waren ein großer Quell an Freude und heiterer Vitalität.
In späteren Jahren entdeckte ich dann auf Umwegen auch die COMMEDIA DELL'ARTE und dann auch DARIO FO.
PPP machte in seinem letzten Lebensjahr noch den Film "Die 120 Tage von Sodom", der vielfach unverstanden blieb, denn der Gegenstand dieses Films war die faschistische Republik von Saló und der exzessive Sadismus der faschistischen Protagonisten.
PPP anlysierte sehr treffend den modernen Faschismus, der sich in den ganzen kleinbürgerlichen Erscheinungsformen weithin und massenhaft im Volk manifestierte, wir kennen und spüren das heute mehr denn je, auch als User und Userinnen auf einer Plattform für Meinungsfreiheit, wo es laufend zu kleinbürgerlichen Exzessen und Übergriffen gegen eben genau jene Meinungsfreiheit kommt, die vermeintlich alle wollen, die aber die kleinbürgerlichen verängstigten Seelen nicht ertragen können. Ihre Mittel sind da dann eben Löschung, Melden, Blockwart spielen und taktische Sperren auslösen, konventionelles Verhalten einfordern und diktieren und wenn die Zeit reif sein wird, werden sie dann zum offenen Denunziantentum greifen. Das alles ist bereits Tatsache oder liegt zum Greifen nahe in der Luft.
PPP war ein bekennender Homosexueller und das machte es für ihn fürwahr nicht leicht, im katholischen Italien überall gemäß seiner Geisteskraft anerkannt zu werden, geschweige denn an allen politischen Bewegungen teilnehmen zu können, die ihn bewegten, er wurde sogar deshalb aus der KPI ausgeschlossen.
Schließlich und endlich führte eine ziemlich mutige Recherche über kriminelle und mafiose Machenschaften, die er für seinen geplanten Roman PETROLIO durchführte, mit großer Wahrscheinlichkeit zu seiner Ermordung, die zuerst und sehr hartnäckig lange immer als ein Mord im Strichermilieu dargestellt wurde, was aber nach jahrelangen Recherchen, auch vieler prominenter italienischer Zeitgenossen von PPP, für immer unwahrscheinlicher gehalten wurde. Vermutlich wurde er von bezahlten rechsradikalen Schlägern ermordet und an den Strand von OSTIA geworfen.
Ich hätte noch sehr viel zu PPP zu sagen, ich werde ihn heute mit einem wunderbaren Glas friulanischen Weins hochleben lassen und seiner großartigen Seele gedenken.
Zum Abschluß möchte ich euch Lesern hier das Gedicht nicht vorenthalten, welches ich von seinen vielen Gedichten stellvertretend ausgesucht habe:
AN DEN FÜRSTEN
Wenn die Sonne steigt, wenn der Abend sinkt,
wenn die Nacht schmeckt nach künftigen Nächten,
wenn ein Regennachmittag wiederzukehren scheint
aus Zeiten, die man zu sehr geliebt und nie ganz besessen,
so bin ich nicht mehr froh, sie zu genießen, noch zu erleiden:
ich spüre nicht mehr vor mir liegen das ganze Leben...
Um Dichter zu sein, braucht man viel Zeit:
Einsamkeit, Stunden um Stunden, ist der einzige Weg,
damit etwas sich formt, das Kraft ist, Lässigkeit,
Laster, Freiheit, Stil zu geben dem Chaos.
Zeit habe ich nur noch wenig: schuld ist der Tod,
der näherrückt, beim Versinken der Jugend.
Aber schuld ist auch unsere Menschenwelt,
die dem Armen das Brot stiehlt, dem Dichter den Frieden.
In italiano:
AL PRINCIPE
Se torna il sole, se discende la sera,
se la notte ha un sapore di notti future,
se un pomeriggio di pioggia sembra tornare
da tempi troppo amati e mai avuti del tutto,
io non sono più felice, nè di goderne nè di soffrirne:
non sento più, davanti a me, tutta la vita...
Per essere poeti, bisogna avere molto tempo:
ore e ore di solitudine sono il solo modo
perchè si formi qualcosa, che è forza, abbandono,
vizio,libertà, per dare stile al caos.
Io tempo ormai ne ho poco: per colpa della morte
che viene avanti, al tramonto della gioventù.
Ma per colpa anche di questo nostro mondo umano,
che ai poveri toglie il pane, ai poeti la pace.
Pier Paolo Pasolini, nato al marzo quinto 1922 in Bologna, assasinato al novembre secondo 1975 a Ostia.
Vielen herzlichen Dank für Deine Inspiration!