Präludium:
Ein alternativer Titel hätte auch lauten können: "Alle Weißen sind rassistisch, ob sie es akzeptieren wollen oder nicht." Damit keiner sich in die Hose macht: Nicht weil alle Weißen böse Menschen sind, sondern weil Rassismus ein Spektrum ist indem sich alle und ich betone noch mal ALLE Menschen bewegen. In diesem Spektrum gibt es Menschen, die damit mehr Erfahrung haben und andere weniger. Weiße scheinen zu denen zu gehören, die wenig bis gar keine Erfahrung damit haben, was es überhaupt bedeutet in einer rassistischen Gesellschaft aufzuwachsen, weil sie in der privilegierten Gruppe aufwachsen konnten. Aber ich höre ja schon auf, das Wort Rassismus löst bei zu vielen Menschen Betroffenheit, Panik und Wut aus, die zwangsweise zu Trotz führen.
Wenn ich einer Frau mitteile, dass es meines Erachtens es weder lustig noch humorvoll ist, sich als Schwarzer anzumalen und zum Karneval zu gehen, wird nicht debattiert. Dann sagt man mir mit sardonischem Lächeln "Nur für dich gehe ich als N-Wort zum Karneval." - Da kann ich auch nicht mehr diskutieren und nur zum Abschied sagen: "Viel Vergnügen.". Den geistigen Offenbarungseid leistet diejenige mit ihrer perfomativen Kraft auf der Straße. Bitte sehr. Mir soll es Recht sein, wenn jemand nicht mehr zuhören will, nur weil er glaubt, dass ich ihm das Kostüm verbieten will.
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Danke!
Eigentlich wollte ich eine Replik auf zitronenfalter11s "Karneval, Ade" und unbesorgts "Karneval in der Besserungsanstalt für korrektes Verkleiden" schreiben, aber dafür ist der Karneval keine gute Zeit, denn wenn es um Karneval geht, versteht niemand mehr Spaß. Das Talent von Deutschen Dinge zu organisieren ist unglaublich. Das ist auch eins der Klischees über uns in der Welt: Humorlose Organisationstalente. Und wenn wir den Humor pünktlich ausrufen am 11.11. so machen wir das auch in geordneten Bahnen mit Termin- Ort- und Zeitangabe, wo man dann jeck sein darf. Mit dem Organisationstalent für Dinge von öffentlichem Belang haben wir es über Jahrhunderte gelernt, den Wahnsinn in unseren Köpfen zu verdecken. Auch eine Leistung, die man anerkennen sollte. Die vorhin genannten Beiträge monieren den Untergang des Karnevals unter dem Deckmantel der sogenannten political correctness.
Vielleicht sollten wir diese Haltung kurz in Frage stellen.
Das Forum gegen Rassismus und Diskriminierung hat eine Plakatkampagne gegen „Rassismus, Diskriminierung und Stereotype“ bei Faschingskostümen initiiert (unterstützt von der Amadeu Antonio Stiftung und der Verein der Bundestagsfraktion DIE LINKE e.V.). Es sei jetzt, so die beiden Bloggerkollegen, Schluss mit der närrischen Zeit, weil die Linke(n) und die Amadeu Antonio Stiftung, welche die Aktion unterstützen, dazu aufrufen die Kostüme nicht zu tragen, die nicht politisch korrekt sind. Auf der Seite des Forums gegen Rassimus und Diskriminierung lese ich folgende Begründung für die Plakataktion:
"Denn einige Kostüme stärken rassistische und stereotype Bilder. Europäer_innen benutz(t)en diese Bilder, um Ausbeutung und Unterdrückung von bestimmten Menschengruppen zu rechtfertigen. Dies ist den wenigsten Träger_innen der Kostüme bewusst. Die Zeit des Kolonialismus und der sogenannten „Entdeckungen“, die mit Massenmorden und anderen Gräueltaten einhergingen, wird bislang nicht ausreichend aufgearbeitet. Das sog. „Indianderkostüm“ und andere diskriminierende und teils romantisierende Bilder bestimmter Gruppen geben die Älteren so immer wieder an die nächste Generation weiter. [weiter unten:] Die Kampagne soll Menschen dafür sensibilisieren, dass die Bilder, die die Kostüme wiederaufgreifen und sie zu „den Anderen“ machen, ihr Leben nachhaltig negativ beeinflussen und nicht „okay“ sind."
Diese, zugegeben etwas längere Begründung, argumentiert nicht mit der political correctness, sondern die Nichtaufarbeitung des Kolonialismus und die daraus hervorgegangenen Stereotype und Rassismen gegenüber einiger Minderheiten, die sich in den Kostümen wiederfinden, werden kritisiert. Und das sind Punkte, über die man diskutieren könnte, wenn man es wollen würde. Von dem Willen kann ich aber schon lange nichts mehr erkennen. Die Ignoranz der Weißen kennt keine Grenzen. Wird ein Verhalten kritisiert und zur Sensibilisierung aufgerufen, versteht der Weiße es als Verbot von liebgewonnenen Kostümen und als Angriff auf die eigene Identität. Puh, na gut. Durchatmen. Es ist nur Karneval, da sollte es nicht so schwer sein einen Punkt klar zu machen. Vielleicht eine Hilfestellung, als Anregung oder Anstiftung zum Nachdenken: Weder Ich noch irgendjemand den ich kenne, will den Jecken Kostüme verbieten, aber vielleicht besinnen wir uns und fragen uns, ob wir eigentlich das Leben derer kennen, für die wir uns da einige Tage ausgeben und zum Gespött machen.
Ich möchte jeden Leser hiermit dazu aufrufen, unten im Kommentarbereich der Öffentlichkeit mitzuteilen, ob sie glücklich darüber wären, so behandelt zu werden, wie die Mehrheitsgesellschaft Schwarze, Muslime und die anderen in der Plakataktion thematisierten Minderheiten behandelt.
Aber teilen Sie uns allen das nur mit, wenn sie das wirklich möchten (und nachdem sie das Video unten gesehen haben. Es sollte Ihnen dabei helfen). Denken Sie in Zukunft über ihre Kostümwahl einfach besser nach und gewinnen Sie einen Einblick in das Leben derer, deren Äußeres sie beim Karneval verarschen möchten. Sie können die Rolle und die damit verbundenen Vorurteile und Stereotype nach dem Karneval, wenn sie ausgekatert sind, wieder ablegen, die Betroffenen nicht.
Trotz der nachdenklichen Töne: Genießen Sie den Karneval! Alles Gute!