POMMES LEIBOWITZ | Im Schatten des allgemeinen Fokus auf (angebliche) Hasskommentare und Verstöße gegen Community-Richtlinien gelingt es tatsächlichen Rechtsverstößen zunehmend, durchzuschlüpfen, sich gar mit dem Heiligenschein des wackeren Kämpfers für Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit zu schmücken. Hauptsache man sagt nichts gegen Flüchtlinge, Schwule oder Andersfarbige.
Nachgestellte Gerichtsszene - Pommes Leibowitz
Da Unwissenheit nicht vor Strafe schützt, und auch, um den Blick des einen oder anderen Moderatoren für tatsächlich problematische Sachverhalte zu schärfen, korrigiere ich im Nachfolgenden eine Reihe von Irrtümern und Fehleinschätzungen bezüglich Recht und Rechtsprechung.
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1. Pseudonyme sind nicht anonym - Gesetze gelten auch zwischen Pseudonymen.
2. Auch geäußerte Vermutungen können üble Nachrede sein.
3. Auch private Plattformen müssen Meinungsfreiheit gewähren.
1. Anonym - Pseudonym
Dass man im Netz nicht wirklich anonym ist, weiß jeder. Mindestens anhand der IP lässt sich jede Person ausfindig machen.
Das gilt aber nicht nur für potentielle Täter, sondern auch für potentielle Opfer.
Hinter jedem Nick verbirgt sich eine reale Peson, die ausfindig gemacht werden kann und die über Rechte verfügt. Es handelt sich dann um Pseudonyme, für die sowohl Datenschutzrechte gelten, als auch alle Rechte, die die Menschwürde betreffen. Bei regelmäßig genutzten Nicks ist eindeutig, dass sich eine reale, gleichbleibende Person dahinter verbirgt. Geschäftlich genutzte Nicks können sogar juristische Personen sein.
Fazit: Niemand kann argumentieren "Du bist ja nicht real, also darf ich Dich beleidigen, verleumden, ohne Beweise für irgendwas verdächtigen oder intime Details über Dich veröffentlichen."
2. Es war doch nur eine Vermutung
Ehrverletzungen sind auch als Vermutungen oder geäußerte Gefühle strafbar, selbst das Weitererzählen von Gehörtem kann strafbar sein.
Fachmännisch erläutert wird das z. B. bei Anwalt.de - Aber schauen wir uns kurz den § 186 StGB an:
Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, wird, wenn nicht diese Tatsache erweislich wahr ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Tat öffentlich oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3) begangen ist, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Es ist also völlig irrelevant, ob es sich um "Vermutungen" (scheinbar, möglicherweise, eventuell), persönliche Meinungen, Hörensagen (alle sagen das) handelt, entscheidend ist, ob es GEEIGNET ist, eine Person herabzuwürdigen. Die Beweislast, dass der herabwürdigende Tatbestand tatsächlich wahr ist, liegt dabei bei dem, der den Sachverhalt verbreitet, für den Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.
Praktische Beispiele aus dem Forumsalltag:
- Wer Informationen über oder von anderen veröffentlicht, die nicht für die Öffentlichkeit gedacht waren, begeht eine Straftat (Datenschutz, Briefgeheimnis).
- Wer behauptet, jemand verwende als Avatar ein geklautes Bild oder gebe generell vor, jemand anders zu sein, der muss das auch beweisen, andernfalls begeht er eine Straftat (Verleumdung oder üble Nachrede).
- Wer abschätzige Vermutungen über andere veröffentlicht, ohne diese belegen zu können, begeht eine Straftat (Üble Nachrede).
- Beleidigungen, die deutlich über den generell herrschenden Umgangston hinausgehen (diskussions- und plattform-abhängig), sind ohnehin strafbar, das weiß vermutlich jeder. Was nicht jeder weiß, ist, dass es immer vom Gesamtzusammenhang abhängig ist, ob und welche Äußerungen als Beleidigung angesehen werden. Dies zeigt das inzwischen teilweise revidierte Urteil bezüglich eines Shitstorms gegen Renate Künast.
3. Hausrecht der Plattformen
Immer wieder hört man, dass Plattformen wie Facebook und Twitter das Hausrecht hätten und deshalb nach eigenem Gutdünken Beiträge löschen und Nutzer sperren könnten. Das ist falsch. Jede Plattform ist
1. an die eigene AGB (Nutzungsbedingungen) gebunden und
2. strahlen die Grundrechte (u. a. Meinungsfreiheit) in andere Rechtsgebiete (Vertragsrecht) aus, man spricht da auch von mittelbarer Drittwirkung. Konkret bedeutet das: Schwammige Formulierungen in den AGBs werden in Bezug auf die Grundrechte ausgelegt, und eindeutige Verstöße der ABG gegen die Grundrechte sind nichtig.
Und das bedeutet halt, dass Facebook, Youtube, Twitter und Co die Meinungsfreiheit zu gewähren haben, nicht zuletzt, weil sie diese in den eigenen AGBs einräumen.
Tatsache ist, dass Facebook wegen dieser Rechtspraxis ständig Prozesse verliert, wo zu Unrecht gelöscht wurde, womit auch die Wahrscheinlichkeit für den Einzelnen, so einen Prozess zu gewinnen, immer größer wird.
Netzdurchsetzungsgesetz - Ende der Meinungsfreiheit?
Aufgrund des völlig absurden Netzwerkdurchsetzungsgesetzes befinden sich Facebook und Co in einer unauflösbaren Zwickmühle zwischen hohen Geldstrafen, wenn einzelne volksverhetzende oder diskriminierende Beiträge übersehen wurden, und einer Prozesslawine, wenn dann beim allzu großzügigen Löschen gegen Gesetze und die eigene AGB verstoßen wurde.
Der Politik kann es egal sein, für sie überwiegen die positiven Effekte, dass nämlich Kritik an den politischen Grundrichtungen massiv dezimiert und in der Reichweite beschränkt wird. Ein weiterer Schritt in Richtung totaler Gleichschaltung.
Eines sollte klar sein, weder Menschen noch Meinungen können illegal sein. Illegal können immer nur Handlungen sein und manchmal auch die Gesetzgebung.
(c) Pommes Leibowitz
Hier noch mal alle Links zusammengefasst:
http://www.internet4jurists.at/news/aktuell6a.htm (Beleidigung in Foren)
https://www.trialta.de/blog/dsgvo-personenbezogene-daten (Datenschutz auch bei Nicks)
https://www.anwalt.de/rechtstipps/4-irrtuemer-ueber-die-strafbare-beleidigung_128862.html
https://netzpolitik.org/2020/dieses-urteil-ist-ein-gutes-zeichen/ (Shitstorm gegen Renate Künast)
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2018/bvg18-029.html (die mittelbare Drittwirkung am Beispiel)