Alles ist relativ, sagt Einstein. Gilt das auch für Gott? Ein kleines Gedankenexperiment zu Religion und Glaubensfragen.
Egal, ob wir gläubig sind oder nicht: Religion, bzw. eigentlich Mehrzahl – Religionen – bestimmen diesen Planeten. Im Guten wie im Schlechten und weit mehr, als dem gemeinen „ein bisschen glaube ich ja schon“-Abendländer bewusst ist.
Davon abgesehen, dass Religion vermutlich die früheste Form von Politik war, nimmt sie auch heute noch massiven Einfluss auf die internationale Politik. Durchaus nicht nur im Islam, auch wenn dieser natürlich momentan besonders „verhaltensauffällig“ ist. Auch in Amerika und Israel haben religiöse Fundamentalisten mächtige Lobbys und enormen, teilweise bedenklichen Einfluss auf die aktuelle Politik. Und selbst im scheinbar säkularen und eher nüchternen Europa nehmen Kirchen und christliche Organisationen immer wieder Einfluss auf politische Entscheidungen, und seien es auch nur Themen wie Ladenöffnungszeiten.
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Religionen nehmen dabei immer für sich in Anspruch, eine Art übergeordnete moralische Instanz zu sein, die alleine deshalb schon Gehör finden, womöglich sogar Macht besitzen sollte. Dies wird, je nach Religion, mehr oder weniger deutlich gefordert und umgesetzt.
Diesen hohen Anspruch - gepaart mit nach wie vor großem Einfluss - nehme ich deshalb mal zum Anlass für ein kleines Gedankenexperiment zum Thema Gott und Religion, dem Gläubige wie Ungläubige einfach mal folgen mögen, um dann ihre persönlichen Schlüsse zu ziehen:
Welche Religion ist die richtige und wahre?
Es gibt auf diesem Planeten ca. 10.000 verschiedene Religionen (laut Religionsforscher David Barret), mit zum Teil einander völlig widersprechenden Vorstellungen und Forderungen. Die Behauptung, dass es eine gemeinsame Ethik aller Religionen gäbe, ist schon für die großen monotheistischen Religionen sehr fraglich. Für die Gesamtheit der Religionen aber ist sie völliger Unfug. Die verbreitetsten unter diesen 10.000 Religionen sind zudem ausgerechnet jene, die mit Flamme und Schwert ausgebreitet wurden, zB. Islam und Christentum, während friedliche und tolerante Religionen vielfach untergingen.
Religiöse Geisterfahrer?
Wer immer jetzt für sich in Anspruch nimmt, im Besitz der Wahrheit zu sein, oder zumindest Gottes "Wort" am nächsten zu kommen, ist doch - realistisch betrachtet - nichts weiter als ein Geisterfahrer. Ein Geisterfahrer, der gegen den Strom der 10.000 anderen Religionen, Geistesrichtungen und Philosophien anschwimmt und sich dennoch im Recht glaubt, und sich womöglich noch beklagt, dass ihm so viele andere "Wirrköpfe" entgegen kommen. Eine Mehrheit von Leuten, die alle in die falsche Richtung fahren und die Wahrheit nicht erkennen können. Oder?
Man kann diesen Gedanken aber noch weiter spinnen. Nach Ansicht vieler Wissenschaftler gibt es alleine in unserer Galaxie (Milchstraße) vermutlich Millionen bewohnbarer Planeten (verteilt auf 100 Milliarden (!) Sternensysteme). Man stelle sich vor, dass ca. 10.000 von diesen Planeten intelligente Zivilisationen hervorgebracht haben (wissenschaftliche Schätzungen schwanken zwischen 14.000 und mehreren Millionen). Und jede dieser 10.000 Zivilisationen ihrerseits hat dann vermutlich ca. 10.000 verschiedene Religionen hervorgebracht. Macht alleine in unserer Galaxie 10.000 x 10.000 => 100 Millionen verschiedener, zum Teil einander vollständig widersprechender Religionen. Es gibt jetzt aber noch ca. 500 Milliarden andere Galaxien im Universum. Und nach neueren Theorien gibt es vermutlich sogar mehrere, womöglich Millionen von Universen, die jeweils ihr eigenes Raum-Zeit-Kontinuum aufspannen, also parallel existieren. Die Anzahl der religiösen Widersprüche und abweichenden Vorstellungen lässt sich mit irdischen Maßen nicht definieren.
Wer, wie oder was ist Gott?
Natürlich kann man seine Existenz weder beweisen noch widerlegen. Aber man kann darüber nachdenken, was er denn ungefähr sein könnte. Das komplette Universum? Wir als kleine Bausteine, als Sternenstaub eines riesigen Ganzen? Oder ist er außerhalb, im (nach wissenschaftlichen Berechnungen) vermutlich 11-dimensionalen Raum und betrachtet wohlgefällig seine kleine, von ihm geschaffene "Welt am Draht".
Für welchen Gedanken auch immer man sich entscheidet: Gott ist nicht „groß“, wie die Moslems gerne verkünden, er ist riesig. Weit jenseits unseres Vorstellungsvermögens.
Und jetzt stellt Euch vor, ihr wärt Bienenzüchter oder Forscher. Ihr liebt Eure kleinen Bienen. Ihr verfolgt deren Tun mit Wohlgefallen und greift immer wieder ein, um ihre Existenz und Entwicklung zu fördern. Aber interessiert es Euch, was eine einzelne Biene treibt? Seid ihr voller Trauer, wenn eine einzelne Biene von einem Kundschaftsflug nicht mehr zurück kommt? Merkt ihr es überhaupt?
Man möge jetzt noch bedenken, dass das Verhältnis Mensch zu Biene mit einem Billiardenfaktor (mindestens) multipliziert werden müsste, um das Verhältnis Gott zu Mensch auch nur annähernd auszudrücken.
Gut, jetzt könnte man natürlich sagen, Gott ist nicht einfach nur "riesig", er hat auch ein multidimensionales Bewusstsein. Er kennt und liebt jeden Einzelnen von uns. Damit kommen wir zum nächsten Punkt meines Gedankenexperiments:
Was ist Bewusstsein? Gibt es ein übergeordnetes, höherdimensionales Bewusstsein?
Da haben wir offenkundig ein Problem. Die moderne Hirn- und Bewusstseinsforschung weiß noch nicht viel, aber soviel ist klar: Das "Bewusstsein" (im Gegensatz zum automatisch ablaufenden Unbewussten) ist eine extreme Verengung und Reduktion des Unbewussten. Es verarbeitet Informationen seriell (also eins nach dem anderen) statt - wie unser Unbewusstes - parallel. Das Unbewusste steuert nämlich unzählige Dinge gleichzeitig, unseren Herzschlag, die Verdauung, die Biochemie, es verarbeitet Sinneseindrücke, erkennt Gesichter (ein ungeheuer aufwändiger Rechenprozess), und wirft beiläufig nebenher auch noch dem Bewusstsein bereits vorgefilterte, einzelne Informationsbröckchen zu.
Dieses eins nach dem anderen, diese Reduktion auf einzelne Gedanken und Empfindungen, ist die absolute Grundvoraussetzung für Bewusstsein und Ich-Gefühl. Bereits geringfügige Störungen beim Filtern und Reduzieren der im Unbewussten verarbeiteten Informationen führen zu Geisteskrankheiten und Wahnsinn.
Es geht hier aber nicht darum, dass Gott natürlich nicht so schnell den Vestand verliert (wollen wir mal hoffen). Es geht einfach um die rein logische Tatsache, dass Bewusstsein und Ich-Gefühl die Begrenzung auf Raum und Zeit, Serialität und auch die Reduktion des Informationsflusses erfordert. Das Bewusstsein muss einzelne Dinge fühlen können, einzelne Gedanken in den Focus setzen können. Sonst eben wäre es ein intelligentes Unbewusstes ohne Wissen um die eigene Existenz.
Das Bewusstsein arbeitet also seriell und mit extrem begrenztem Gedächtnisspeicher. Von 7 Informationseinheiten ist die Rede. Jeder Satz, der mehr als sieben Worte enthält, erfordert Konzentration und reibungslose Zusammenarbeit mit dem Unbewussten. Eine Erfahrung, die wir alle schon gemacht haben, zB. beim Lesen von Behörden- und Gesetzestexten.
Lange Rede, kurzer Sinn: Bewusstsein entsteht überhaupt erst durch Serialität, Reduktion, Verengung. Es gibt kein Multidimensionales Bewusstsein! Ein Bewusstsein ohne Raum und Zeit, ohne massive Reduktion der Eindrücke, ist kein Bewusstsein. Es wäre einfach nur ein automatisch funktionierender Komplex, ohne Willen, ohne Erkenntnis seiner selbst.
Hat Gott, hat die Schöpfung, hat was auch immer, sich womöglich nur erschaffen, um über das Hervorbringen einzelner, extrem begrenzter, aber immerhin halbwegs intelligenter Kreaturen (manche sprechen auch von "Menschen" ), überhaupt erst sowas wie Bewusstsein und Erkenntnis seiner selbst hervorzubringen? Sind wir ALLE Gott? Ein Teil von ihm? Und ist das dann eine tröstliche oder eher erschreckende Vorstellung?
Wie sagte der evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer: "Einen Gott den es gibt, gibt es nicht."
Ein kleiner Neben- bzw. auch Schlussgedanke:
Stellt Euch vor, ihr wärt Gott. Würdet ihr wollen, dass man euch anbetet? Also mich fragt ja keiner, aber ich würde jeden Fuzzi, der mich übertrieben lobt, anbetet, oder Verständnis für meine (undurchschaubaren) Entscheidungen heuchelt, als widerlichen Schleimer empfinden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein doch (hoffentlich) moralisch über mir stehender Gott das wesentlich anders empfindet. Und mal ehrlich, wer soll denn einen Gott für voll nehmen, der mit dem Gestus auftritt: "Ha, ich bin cool, ich bin toll, lobpreist mich, feiert mich, werft Euch auf die Knie ihr wertloses Pack!"
Nicht, dass ich hier missverstanden werde, ich sage ja gerade, dass Gott nicht so ist, nicht so sein kann.
Und, um diesen Gedanken fortzuspinnen: Glaubt denn jemand ernsthaft, dass ein Gott sich um unsere Kleidung schert? Oder unser Sexualverhalten. Auf solche Ideen können überhaupt nur Menschen und vor allem Prediger kommen. Ein Gott würde uns doch an unseren Taten messen, und nicht an dem, was wir vorgeben, durch Kleidung und Gebete.
Das Ganze zeigt aber, wie stark unser Gottesbild auch von unserem kulturellen und sozialen Umfeld abhängt. Die großen Religionen transportieren immer noch ein Welt- und Menschenbild, das Jahrtausende alt ist. Ein ziemlich archaisches und patriarchalisches Weltbild.
Der Nächste, der jetzt also ankommt, und mir weismachen möchte, dass Gott Wert darauf legt, dass wir Kopftücher tragen, oder jungfräulich in die Ehe gehen, oder mehrmals am Tag beten, der möge einfach mal kurz in sich gehen und überlegen, ob ein Gott, der solche sinnlosen Forderungen stellt, überhaupt vorstellbar geschweige denn akzeptabel ist.
Mein Wunsch an all diese allzu Frommen, allzu zweifelsfreien Glaubensverkünder: Einfach mal obige Gedanken unvoreingenommen durchspielen und zumindest in Erwägung ziehen. Wer sagt denn, dass Gott nicht auch durch Ungläubige zu Euch sprechen kann? Zumindest aber sollte man auch Andersdenkenden, Ungläubigen zubilligen,
dass sie Geschöpfe Gottes sind und so, wie sie sind, gewollt und geplant waren,
dass sie sich ihre Gedanken gemacht haben,
dass sie ebenfalls überwiegend Gutes im Sinne haben,
und dass ihre Kritik, oder schlicht ihre Glaubensverweigerung nicht destruktiv sondern konstruktiv ist, und der gegenseitigen Weiterentwicklung dienen kann, wenn man nur offen ist.
Und in diesem Moment kommen wir dann alle, egal ob gläubig oder nicht, auch wieder viel besser miteinander aus!
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