Seit Jahren nennen wir kaum hinterfragt alle Menschen, die Asyl beantragen pauschalisierend Flüchtlinge. Korrekter wäre aber der übergreifende Begriff Migranten, der alle Menschen bezeichnet, die ihre Heimat verlassen - unabhängig von ihren Beweggründen. Absurd, dass immer mal wieder der Begriff Migrant als zu wenig mitfühlend kritisiert wird. So wie im Deutschlandfunk vor ein paar Tagen. Ich hab deshalb mal die zuständige Kolumnistin angeschrieben:
Hallo Frau El Ouassil! Sie sprachen neulich im Deutschlandfunk davon, wie problematisch es sei, die Menschen auf Moria als Migranten zu bezeichnen. Besser wäre der Begriff Flüchtlinge. Und das, obwohl Sie danach sauber beschreiben, was diese beiden Begriffe eigentlich genau bedeuten.
Sie erklären zutreffend, dass alle Flüchtlinge Migranten seien, aber nicht alle Migranten Flüchtlinge. Flüchtlinge sind jene, die ihre Heimat verlassen müssen, weil sie z.B. vor Krieg fliehen, während Migranten sämtliche Menschen sind, die ihre Heimat verlassen – egal aus welchem Grund.
Der Begriff „Migrant“ sei negatives Framing
Es sei ein problematisches Framing, mit solchen Formulierungen die Menschen auf Moria in ein schlechteres Licht zu rücken. Denn der Begriff Migrant würde nahe legen, dass die Menschen freiwillig ausgewandert seien. Die Mehrheit sei aber geflohen und der Begriff daher gemein.
Tatsächlich ist dann jedoch Ihr Beleg dafür, dass die Menschen auf Moria mehrheitlich – geschweige denn allesamt – Flüchtlinge seien, ziemlich dünn. Sie sagen lediglich, dass nach Angaben des Roten Kreuzes mehr als die Hälfte Afghanen wären und außerdem noch Syrer unter den Menschen seien. Im Ernst? Damit belegen Sie allenfalls, dass man nicht sehr viel über die Menschen weiß. Selbstverständlich ist es dann korrekter, von Migranten zu sprechen.
Denn wenn Sie schon so genau auf die Wortwahl achten: Selbst wenn nur ein kleiner Anteil der Menschen keine Flüchtlinge wären, wäre die Bezeichnung Migranten für die gesamte Gruppe die richtige. Das haben Sie ja in Ihren Definitionen selbst beschrieben.
Tendenziös ist aber das Framing „Flüchtling“
Tatsächlich ist doch das Problem genau umgekehrt gelagert! Es ist völlig alltäglich und sehr deutlich tendenziös, die Menschen in der öffentlichen Debatte immer allesamt pauschal als Flüchtlinge zu bezeichnen. Ein Problem, das offensichtlich viel umfang- und wohl auch folgenreicher ist. Fast überall spricht man von Flüchtlingen und Flüchtlingskrisen (selbst in der politischen Rechten!), obwohl unsere Gerichte dann regelmäßig feststellen, dass ein großer Teil der Menschen nach unseren Kriterien gar keine Flüchtlinge sind.
Frau El Ouassil, ich fürchte, Sie müssen sich entscheiden. Entweder Sie setzen sich dafür ein, präzise Begriffe zu verwenden. Oder Sie möchten einfach, dass alle immer möglichst nett über die Menschen sprechen. Aber als Kommunikationswissenschaftlerin haben Sie sich da sicher schon Gedanken drüber gemacht.
(Der Text wurde auch veröffentlicht auf Querstrebe.com).