Nazi, Rassist, Menschenfeind! Wer je auch nur zaghaft Einwände gegenüber dem Islam geäußert hat, kennt das: Man argumentiert haarklein mit Spannungsverhältnissen zum Grundgesetz und Widersprüchen zu den Allgemeinen Menschenrechten – aber es reicht eine einzige holprige Formulierung und irgendein linker Tugendwächter sieht sein Ressentiment bestätigt, dass all die Kritik nur Maskerade sei und dahinter der blanke Rassenhass stehe. Sehr zuverlässig wird man seit mittlerweile Jahrzehnten aus der (bis tief in die bürgerliche Mitte reichenden) politischen Linken für kritische Äußerungen lautstark mit Rassismusvorwürfen attackiert. Da bietet selbst ein eigener Migrationshintergrund in einem islamischen Land kaum Schutz.

Denn Islam ist Frieden

Der Islam gehöre zu Deutschland und sei eine grundgute Sache, die nur von einer Handvoll Verrückten missbraucht werde. Das geschehe allen Religionen und man solle nicht an dem vielleicht etwas zurückgebliebenen Glauben der armen ausgegrenzten Migranten herummäkeln. Das Christentum wäre schließlich noch in den 50ern genauso konservativ gewesen, sowas wachse sich aus. Deshalb sei auch schon der Begriff Islamismus eine Frechheit. Denn da stecke ja immer noch das Wort Islam drin, und der habe bekanntlich mit all den Bösartigkeiten in seinem Namen überhaupt nichts zu tun. Kritik an Islam und Islamismus sei fremdenfeindlich motiviert, also rechts. So haben wir es gelernt. Wer links ist, lässt Migranten in Ruhe.

Der Wind dreht sich

Umso erstaunlicher, dass sich mittlerweile die Zeichen dafür mehren, dass der Wind sich tatsächlich langsam drehen könnte. Der pöbelnde Mob anonymer Mitläufer im Internet johlt zwar ähnlich laut wie immer, auch wird weiterhin Islamkritik regelmäßig mit antimuslimischem Rassismus verwechselt und auch die staatliche Unterstützung problematischer Islam-Vereine geht weiter. Aber die öffentliche Verteidigung und Freisprechung des Islam von jeglichem Verdacht scheint seit einigen Jahren doch zunehmend defensiv zu werden.

Mit dem Aufstieg des Islamischen Staates wurde offenbar vielen die undifferenzierte paternalistische Fürsprache langsam unangenehm. Auffällig schon, dass sich die Bezeichnung „Islamisch“ für den IS durchsetzen konnte, hatte man doch jahrelang insistiert, man dürfe Terrorgruppen nicht islamisch nennen. Deutlich auch, dass ein Erdogan von der medialen Öffentlichkeit fallen gelassen wurde. Er hatte bereits in den Neunzigern deutlich gemacht, dass „die Demokratie nur der Zug ist, auf den wir aufspringen, bis wir am Ziel sind“. Trotzdem wurde er lange Zeit als Partner betrachtet und die von ihm regierte Türkei galt als Beleg für die Kompatibilität von Islam und Demokratie. Mittlerweile wird selbst seine stets als gemäßigt gehandelte und hofierte Ditib immer häufiger kritisch beäugt.

Die Linke entdeckt die Islamkritik

Offensichtlich rücken Teile der linken Öffentlichkeit vom bisherigen Umgang mit dem Islam ab. Nach der Ermordung des französischen Lehrers Samuel Paty im Oktober 2020 äußerten sich kurz hintereinander der JUSO-Vorsitzende Kevin Kühnert und der linke Publizist Sascha Lobo selbstkritisch über den Umgang der Linken mit dem radikalen Islam: Man habe den Islamismus lange zu reflexhaft vor Kritik in Schutz genommen. Linke schwiegen zu islamistischer Gewalt, verharmlosten die mörderische Menschenfeindlichkeit des Islamismus, verklärten sie als verständliche Reaktion auf den Kapitalismus und verkennten, dass die mörderische Brutalität sich unmittelbar gegen demokratische Werte richte. Die taz hatte zuvor ebenfalls schon von „Schweige- und Verharmlosungsreflexen der Linken“ gesprochen.

Selbst Anetta Kahane, Vorsitzende der linken Amadeu-Antonio-Stiftung und eine Reihe weiterer Unterzeichner sprechen sich in einem Offenen Brief aus dem vergangenem November erfreulich reflektiert „gegen jeden Islamismus“ aus. Allerdings halten sie sich nicht lange mit Selbstkritik auf, sondern sprechen ganz selbstverständlich von linken Kritikern des Islamismus. Tatsächlich erlauben sie sich sogar die Pointe, zu behaupten, es sei eigentlich schon immer die politische Linke gewesen, die sich kritisch mit dem Islamismus befasst habe: Vor allem „migrantische Linke und ihre Sympathisanten“ hätten seit Jahrzehnten auf die Gefahren des Islamismus hingewiesen. Ein erstaunlicher Hakenschlag!

Linke Islamkritik…!?

Tatsächlich werden Islamkritiker im Allgemeinen als Linke betrachtet – aber nur in islamischen Ländern! In der öffentlichen Debatte in Deutschland und im Westen hat sie das all die Jahre nicht davor geschützt ungeachtet eines eigenen Migrationshintergrunds als Rechte oder zumindest als deren Steigbügelhalter diffamiert zu werden. Zwar gibt es seit Langem auch in der deutschen Linken Fraktionen, die sich kritisch mit Islamismus auseinandersetzen. Aber den vergleichsweise wenigen Akteuren, meist aus dem antideutschen Spektrum, beschert ihre Kritik ebenfalls schon lange den Vorwurf, eigentlich verkappte „Rechte“ zu sein. So, wie es jedem bürgerlichen Kritiker geht. Es irritiert doch etwas, jahrelang für islamkritische Äußerungen als Rassist beschimpft zu werden und nun zu lesen, dass diejenigen, die einen immer beschimpft haben, die Linken, die Islamkritik eigentlich erfunden hätten.

Man kann natürlich einwenden, dass es ohnehin nur wenig Sinn macht, Debatten über die Frage zu führen, welche Position nun genau links und welche rechts ist. Zu fließend sind die Übergänge, zu groß die Überschneidungen, zu widersprüchlich die Positionen auf beiden Seiten des Spektrums. Aber solange in der Öffentlichkeit „Rechts“ praktisch synonym mit „Nazi“ verwendet wird, bleibt die Zuordnung in der Praxis relevant. Sie entscheidet über die öffentliche Legitimität. Wer als rechts gilt, steht im Abseits – egal wie moderat und bürgerlich die Position eigentlich ist.

Gut für Demokratie und Menschenrechte

Insgesamt wäre es aus menschenrechtlicher Perspektive natürlich äußerst erfreulich, wenn der Groschen tatsächlich langsam fällt und sich die politische Linke hier nun einer Kritik öffnen sollte. Vielleicht ist die Wahrnehmung häufigerer kritischer Bezüge, nachdenklicher Artikel, positiver Bezugnahmen auf Begriffe wie Islamkritik auch noch etwas optimistisch und es muss auch eingeschränkt werden, dass bislang überwiegend von „Islamismus“ gesprochen und dessen Einbettung in Religion und Kultur des „Islam“ wohl lieber erst mal ausgeklammert bleibt. Aber es ist ein erster Schritt!

Spannend wird nun, wie sich die Debatte weiterentwickelt. Wird die Linke ernsthaft versuchen, die Kritik als linkes Thema zu besetzen? Wird sie irgendwann dahin finden, ganz selbstverständlich Homophobie, Frauenfeindlichkeit und dergleichen rigoros zu bekämpfen, egal aus welcher Weltanschauung und kulturellen Herkunft heraus sie formuliert werden? Das wäre ja einer pluralen Gesellschaft, die nicht mehr ethnodeutsch verstanden werden soll, angemessen. Und werden dann demnächst alle menschenrechtlich argumentierenden Islamkritiker rehabilitiert?

Natürlich nicht. Wenngleich die einen sich offenbar vorsichtig einer Kritik an Islam und Islamismus zu öffnen beginnen, schränken die anderen ja gleich ein und sprechen von „migrantischen“ Linken. Dem linksidentitären Trend gemäß wird also wohl erstmal ein Migrationshintergrund zur Bedingung gemacht. Dann wird man vielleicht befreit den Islam kritisieren und sich trotzdem gleichzeitig links nennen dürfen – aber nur, wenn man eine hinreichende Menge Farbtupfer auf seiner Ahnentafel hat, also quasi einen negativen Ariernachweis vorlegen kann. Hellhäuter dagegen sollen ja nun wegen ihrer Privilegien und der Erbschuld sowieso besser das Haupt immer etwas gesenkt halten und Kritik nur gegen sich selbst und ihresgleichen richten. Das Thema Islamkritik gewinnt also vielleicht ein kleines bisschen Luft. Aber dafür wird sie insgesamt immer dünner. Man wird also als Weißer den Wattebausch besser erst mal im Mund behalten. Spätestens bei holprigen Formulierungen heißt es wohl weiterhin: Nazi, Rassist, Menschenfeind!

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