vorbemerkung: dieser text ist teil eines wesentlich längeren und noch lange nicht abgeschlossenen, der sich u.a. auch mit der frage beschäftigt, wo und als welche die weiblichen göttlichen im monotheismus abgeblieben sind. der nachstehende textauszug beschäftigt sich mit der frage, was die differentia specifica von monotheismus sind; zumindest des monotheismus, wie er im raum des alten orients entstanden ist.

(…)  blieb nicht verborgen, dass auch männliche Göttliche die altorientalischen Panthea bevölkerten. Was mich nun explizit die Frage stellen lässt, ob diesem Miteinander, Nebeneinander, Durcheinander und Zusammenwirken von weiblichen und männlichen Göttlichen eine Ordnung zugrunde lag. Was nach unserem Verständnis wohl bedeutet, danach zu fragen, ob es in diesem göttlichen Tohuwabohu ein entlang von Geschlechtergrenzen verlaufendes Oben und Unten gab.

Die Frage stellen heißt, sie in Form einer Mutmaßung zu verneinen. Also: vermutlich nicht. Ich habe bei meiner ausgedehnten Lektüre keine Ordnung in dem Sinne finden können, dass die weiblichen Göttlichen ausschließlich und unverbrüchlich für dieses, und die männlichen ausschließlich und unverbrüchlich dagegen für jenes zuständig gewesen wären. Was nicht bedeutet, dass es keine Zuständigkeitsbereiche gegeben hätte. Die gab es wohl oder bildeten sich fallweise immer wieder heraus. Aber sie wurden nicht von einer irgendwie geschlechtlich benannten obersten göttlichen Instanz, die ganz am Anfang das Tohuwabohu ordnend in Bewegung gesetzt hatte, vergeben. Ganz naiv gesprochen, ging es in diesen altorientalischen Panthea ausgesprochen egalitär zu.

Hilfreich, dieses von mir egalitär genannte Treiben der Göttlichen zu verstehen, waren die Vorschläge, die der Ägyptologe Jan Assmann[1] zum Verständnis dessen gemacht hat, was gemeinhin Polytheismus genannt wird. Seine Beschreibung dessen, was er Kosmotheismus/Kosmogonie nennt, basiert auf den folgenden Annahmen:

Voraussetzung ist, sich die Welt als ein Geviert aus Gott, Kosmos, Mensch und Gesellschaft zu denken, das durch die Ersetzung Gottes durch eine Götterwelt in ein Dreieck (rück-?) verwandelt wird. In diesem Dreieck steht die Götterwelt der Welt aus Kosmos, Mensch und Gesellschaft nicht gegenüber oder obendrüber, sondern durchdringt sie als ein strukturierendes, ordnendes und sinngebendes Prinzip. Dieses Prinzip „konstituiert erstens den Kosmos, der als synergetischer Prozess zusammen- und gegeneinander-wirkender Kräfte gedacht wird“[2].  Als zweites konstituiert diese Götterwelt durch Ausübung einer irdischen Herrschaft Staat und Gesellschaft und bringt eine örtlich und zeitlich unterschiedliche politisch-kultische Gesellschaftsstruktur hervor, deren sozio-politische Identität auf dem Vielheitsprinzip basiert. Als drittes konstituiert diese Götterwelt die menschliche Schicksalswelt, die durch die Mythen als Erzählungen über die Göttlichen und deren Schicksale in Bezug aufeinander ordnend fundiert wird. Vielheit in diesem ‚System’ ist nicht als numerisches Prinzip zu verstehen, sondern als „die Nichtunterscheidung von Gott und Welt, aus der sich die Vielheit mit Notwendigkeit ergibt“[3].

Die Entwicklung von Monotheismus beschreibt Assmann als „Aufkündigung des symbiotischen Weltverhältnisses“, genauer als einen Prozess, in dem sich das Göttliche „aus seiner symbiotischen Eingebundenheit in Kosmos, Gesellschaft und Schicksal“ emanzipiert und der Welt als eigenständige Größe gegenübertritt. Diese Emanzipation des Göttlichen bewirkt die gleichzeitige Emanzipation des Menschen aus seinem symbiotischen Weltverhältnis; als Folge dieser seiner Emanzipation entwickelt sich der Mensch „in Partnerschaft mit dem außerweltlichen, aber weltzugewandten Einen Gott zum autonomen bzw. theonomen Individuum. Darin liegt die entscheidendste aller psychohistorischen Konsequenzen des Monotheismus“.[4] Woraus folgt, dass Monotheismus „nicht nur eine Frage des Gottes-, sondern auch des Menschenbildes“ ist.

Dieses Menschenbild ist dadurch gekennzeichnet, so meine Schlussfolgerung, dass die Unterscheidung zwischen Gott und Welt nicht nur die Unterscheidung zwischen Mensch und Welt nach sich zieht, sondern auch die Unterscheidung des Menschlichen innerhalb oder auch zwischen seiner selbst. Eines der Unterscheidungsmerkmale scheinen die äußerlich sichtbaren, und deshalb wohl primär genannten Geschlechtsmerkmale gewesen zu sein[5] oder auch die Fähigkeit zum Gebären.

Eine weitere Folge, welche sich auf die Unterscheidung des Menschlichen innerhalb seiner selbst auswirkt, liegt in der durch den Monotheismus hervorgerufenen Theologisierung der Gerechtigkeit[6]. Diese Theologisierung stellt zwei Fiktionen her: zum einen, dass es vor der (monotheistischen) Religion keine Gerechtigkeit gegeben habe und außerhalb oder eventuell gar danach keine geben könne, und zum anderen, dass es ohne diese Religion keine Ethik geben könne, auch dies mit dem Anspruch auf Gültigkeit für Vergangenheit, jeweilige Gegenwart und nähere wie weitere Zukunft. In diesen beiden Fiktionen liegt die Idee vom Gesetz als göttliches oder göttlich eingesetztes Ordnungsprinzip begründet, wobei dieses Ordnungsprinzip das für sich reklamiert, was der ins Göttliche verlagerten, ihm geradezu eingeschriebenen Gerechtigkeit zugeschrieben wird, nämlich: religiöse Wahrheit zu sein. Wodurch das in der altorientalischen Kosmogonie obwaltende Prinzip der Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt wird und das Göttliche Legislative und Judikative in sich vereinigt. Für menschliche Privatautonomie – sozusagen Ausfluss von Exekutive auf menschlich-sozialem Niveau – bleibt da kaum Raum.

Dieser Prozess verändert die Idee von Gerechtigkeit, „die Aspekte wie Frieden und Fülle sowie Begriffe wie Erbarmen, Gnade, Milde und Wohltätigkeit umfasst“, denn ihre (Wieder-) Herstellung dient dazu, „den Schwachen zu erretten aus der Hand des Starken. (...)Was hier im Blick steht, ist das Problem der gerechten Verteilung. Die Götter schaffen die Fülle, aber menschliche Bosheit und Habgier erzeugen Knappheit. (...)Die vornehmste Aufgabe des Königs  ist die Verwirklichung der Gerechtigkeit, und die typischste Form dieser Verwirklichung sind Edikte der Begnadigung, Freilassung, Amnestie....“. Oder anders gesagt: die (Wieder-)Herstellung der Gerechtigkeit richtet sich auf „die Fortsetzung der Schöpfung, d.h. die Inganghaltung der Welt und Vermehrung des Bestehenden“[7].  Gerechtigkeit in diesem Sinne ist eine von unten. Ihre Theologisierung beraubt sie dieses plebiszitären Elements und verändert sie dergestalt, dass sie als eine zu Gewährende beim Göttlichen monopolisiert wird. Gerechtigkeit wird zum Mangel, der noch eingeklagt, aber gleichzeitig schon zur Spende, die vorenthalten werden kann.

Damit verbunden ist das Entstehen von Vorstellungen darüber, wer Gerechtigkeit verlangen darf, denn Gerechtigkeit wird damit gleichzeitig auch zu einem Zustand, der besteht, an dem aber nicht jedermann oder auch jedefrau teilhaben kann, weil sie oder er über eine oder mehrere Fähigkeiten, welche zur Teilhabe berechtigen, nicht  verfügt – entweder vorübergehend oder auch dauerhaft nicht verfügt, verfügen kann[8]. Was, wie zu zeigen sein wird, auch den Charakter der Gesetze und damit den Begriff von Gesetz verändert.

Schließlich bringt diese im Grunde doppelte Zuschreibung, nämlich die von religiöser Wahrheit, die mit der göttlichen in Eins fällt, dem Einen Göttlichen einerseits und die von Teilhabeberechtigung im Verlangen nach Gerechtigkeit andererseits auf nur ‚eine Seite’ ganz offenkundig für die ‚andere Seite’ die Zuschreibung  von Rechtlosigkeit, Unmoral und Unzucht hervor. Diese drei, Rechtlosigkeit, Unmoral und Unzucht, werden zur Signatur des ‚Heidentums’  und vor allem als Unmoral und Unzucht zum dem ‚Götzendienst’ innewohnenden Prinzip[9].

Ins Unreine gedacht und geschrieben: psycho-logisch haben wir es hier mit einem riesigen ‚Verschiebebahnhof’ zu tun, denn letztlich lässt sich die symbiotische Eingebundenheit nicht auflösen. Sie bleibt bestehen, und sei es rudimentär in verklärenden Kindheitserinnerungen, paradiesischen Vorstellungen oder Heimatgefühlen. Oder, wie wir es spätestens im sich entwickelnden Christentum beobachten können, in der paulinischen Erhebung der Ehe zum Sakrament, in dem Frau und Mann als unzertrennlicher Leib figurieren[10]. Was, und dies ist für meine Untersuchung von Bedeutung, zur Folge hat, dass die Unzertrennlichkeit immer wieder hergestellt werden muss – und sei es auf gesetzlichem Wege. Womit Gesetze im allgemeinen und Ehe- und Familienrecht im besonderen Ausdruck der Auseinandersetzung um die Frage wären, welcher Wie-geartete der Beteiligten in dieser Symbiose welchen Part zu spielen hätte und wie die so gearteten Beteiligten zu geeigneten Beteiligten werden könnten.

Hier endet – vorläufig – mein text.

Nicht jedoch monotheismus; auch wenn er seit er in die welt kam einige veränderungen durchgemacht hat. So gibt es beispielsweise den tempel in Jerusalem nicht mehr – schon seit 70 nachdergeburtvonSiewissenschon nicht mehr. Wodurch lev 15 obsolet geworden ist, jedenfalls was das schicksal der turteltäubchen anbelangt. Die werden nunmehr ungeopfert verspeist. Oder als brieftauben auf die reise geschickt. Oder als friedensbotschafter dem diplomatischen dienst eingegliedert.

Ach ja, eines noch: die ersten am grab waren frauen!

[1] Zusammenfassend und konzentriert in Jan Assmann, Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München 2003

[2] Assmann, S. 61 (auch für das Folgende, im wesentlichen eine Zusammenfassung von S. 59ff)

[3] Assmann, S. 62

[4] Assmann, S. 62

[5] Womit aus meiner Sicht weder gesagt ist, dass dies das einzige Unterscheidungsmerkmal sei oder auch nur gewesen sein könnte, noch, dass die Bezeichnung als ‚primär’ eine Wertung impliziert.

[6] Assmann, S. 71ff

[7] Die Zitate entstammen Jan Assmann, Herrschaft und Heil, S.38ff

[8] Es dürfte nicht die Abschaffung der vielen Göttlichen, sondern eher die exklusive Monopolisierung der Gerechtigkeit bei Einem gewesen sein, welche Echnatons monotheistische Reform so unbeliebt machte. Im übrigen siehe hierzu Jan Assmann,  Ägypten. Eine Sinngeschichte, München/Wien 1996, und derselbe, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Ägypten, Israel und Europa, München/Wien 2000, zu Begriff und Wirkungsweise konnektiver Gerechtigkeit. Was die Rechtsphilosophie im engeren Sinne dazu zu sagen hat, bleibt noch herauszufinden.

[9] Jan Assmann, Die Mosaische Unterscheidung, S. 76. Zur Erinnerung: Götzendienst ist/wird übersetzt mit avoda sara=fremder Dienst. Und die fremde Frau ist dieser Praxis in höchstem Maße verdächtig.

[10] Beispielsweise Epheser 5, 28. Ich sage ‚spätestens’ im sich entwickelnden Christentum, weil die Betonung des ‚ein Fleisch’ aus Gen 2, 24 (bereits – vielleicht besser: in einer besonderen Zuspitzung) in den Schriften aus Qumran zu finden ist.

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Iris123

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