an+zu Zeev Sternhell?
"Das europäische Projekt ist von dem Geist der Aufklärung inspiriert: Der europäische Bürger sollte nicht länger durch Kultur und Tradition Gefangener eines durch Kriege geprägten historischen Determinismus bleiben. Diese Befreiung als Prozess, durch den das rationale Individuum zur mündigen Reife kommt, ist ein Erbe der Französischen Revolution. Für die Gegenaufklärung und die Gegenrevolution hat die Gemeinschaft Vorrang vor dem Individuum. Sie betrachtet die Nation als lebenden Organismus mit eigener Seele und eigenem Geist. Der Einzelne existiert nur durch die Zugehörigkeit zur Nation, so wie der Baumstamm Äste, Zweige und Blätter hervorbringt. Johann Gottfried Herder, ein Gegner Rousseaus und Kritiker Kants, ist der wohl wichtigste und einflussreichste Vordenker dieses organischen Nationalismus. Für ihn drückte die Sprache die Seele der Nation aus. Dass Friedrich der Große lieber Französisch sprach und schrieb, empfand er als Verrat.
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Der Front national, die extreme faschistische Rechte und die militanten Muslime der französischen Vorstädte haben eines gemeinsam: Sie verteidigen ihr geschichtliches Ich, gründen ihre Identität auf Mythen der Vergangenheit, begreifen ihre kulturelle Gemeinschaft als etwas Einzigartiges, dem sie für alle Zeiten treu bleiben müssen. In der Gegenaufklärung, in der Feindschaft zu einer Weltkultur finden sich europäische Nationalkonservative, amerikanische Neokonservative, religiöse Rechte, nationalistische und religiöse Juden in Israel und Islamisten gleichermaßen wieder. Der moderne Staat im Zeitalter der Globalisierung braucht jedoch Bürger, keine Fundamentalisten.
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Die Juden müssten wissen, dass der Antisemitismus nicht weit ist, wenn die Menschenrechte infrage gestellt werden.
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Meine Generation glaubte daran, dass der Zionismus auch ein Sozialismus sei. Es war der Traum von einer gerechteren, egalitäreren Gesellschaft als der europäischen, aus der wir kamen. In Wirklichkeit hat der nationale Aufbau über den Sozialismus obsiegt, von Anfang an. Israel ist heute eine extrem ungleiche Gesellschaft. Das größte Versagen meiner Generation war die Unfähigkeit, die Katastrophe, die wir kommen sahen, zu verhindern. Die Kolonisierung des Westjordanlands ist nicht mehr rückgängig zu machen. Die Siedler sind so zahlreich und so mächtig, dass der Versuch, gegen sie vorzugehen, in einen Bürgerkrieg führen würde. Es ist einfacher, Krieg gegen die Araber als gegen die Siedler zu führen. Das ist die Logik des jüdischen und israelischen Nationalismus."
https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-127985806.html
"Zu unserer tiefen Besorgnis sehen wir diese Vermischung auch in der offiziellen Ankündigung der Konferenz durch die österreichische Regierung. Dort heißt es: „Antisemitismus findet seinen Ausdruck sehr oft in übertriebener und unverhältnismäßiger Kritik am Staat Israel.“
Diese Worte geben die Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken (IHRA) wieder. Mehrere Beispiele für zeitgenössischen Antisemitismus, die sich der Definition anschließen, beziehen sich auf harsche Kritik an Israel. Im Ergebnis kann die Definition gefährlich instrumentalisiert werden, um Israel Immunität gegen Kritik an schwerwiegenden und verbreiteten Menschen- und Völkerrechtsverletzungen zu verschaffen – Kritik, die für legitim erachtet wird, wenn sie sich gegen andere Länder richtet. Das schreckt jedwede Kritik an Israel ab.
Die Ankündigung setzt außerdem Antizionismus mit Antisemitismus gleich. Wie allen modernen jüdischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts widersetzten sich jedoch auch dem Zionismus viele Jüdinnen und Juden heftig, ebenso wie nicht-Juden, die nicht antisemitisch waren. Zahlreiche Opfer des Holocaust waren gegen den Zionismus. Demgegenüber unterstützten viele Antisemiten den Zionismus. Es ist unsinnig und unangemessen, Antizionismus automatisch mit Antisemitismus gleichzusetzen.
Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der Staat Israel seit über 50 Jahren eine Besatzungsmacht ist. Millionen von Palästinenserinnen und Palästinensern unter Besatzung entbehren ihrer Grundrechte, Freiheit und Würde. Gerade in Zeiten, in denen die israelische Besatzung sich in Annexion verwandelt, ist es notwendiger denn je, dass Europa alle Versuche entschieden ablehnt, die freie Meinungsäußerung anzugreifen oder Kritik an Israel durch die falsche Gleichsetzung mit Antisemitismus zum Schweigen zu bringen."
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