SHB http://www.suedtiroler-freiheitskampf.net/

In Bozen, Hauptstadt der Autonomen Provinz Südtirol, jenes südlichen Tiroler Landesteils, der 1918 von Italien annektiert und ihm im Vertrag von Saint Germain-en-laye 1919 übereignet wurde, spaltet eine unlängst eröffnete Ausstellung die Geister. Für politisch rechts stehende Italiener und linke Antifa-Mitläufer, die Lenin „nützliche Idioten“ genannt hätte, weil sie die die italienische Amts-„Wahrheit“ verinnerlicht haben, ist, was in „BAS – Opfer für die Freiheit“ gezeigt wird, eine „Verherrlichung des Terrorismus“. Diejenigen unter den Bewohnern deutscher und ladinischer Zunge, die sich mit ihrem Dasein in fremdnationaler italienischer Umgebung abgefunden haben, da es ihnen ökonomisch-sozial einigermaßen gut geht, mögen in der Ausstellung ein irritierendes Unterfangen sehen, das sie aus ihrer Wohligkeit aufschreckt. Wieder andere unken, die vom „Südtiroler Heimatbund“ (SHB) initiierte, vom „Andreas-Hofer-Bund Tyrol“ (AHB) getragene und von Privatspendern sowie der Liechtensteinischen „Laurin-Stiftung“ finanzierte Ausstellung, in der es um den Freiheitskampf der 1950er wie 1960er Jahre geht, könne „das Zusammenleben stören“. Doch das ist nach Auffassung von Initiatoren und Kuratoren ebenso abwegig wie der Vorwurf, die Ausstellung sei der Versuch, den Befreiungsausschuß Südtirol (BAS) „zu einer honorigen Widerstandsbewegung umzudeuten“.

Der Anlass

Alljährlich gedenkt man am 8. Dezember unweit Bozens, in St. Pauls (Gemeinde Eppan), der Südtiroler Freiheitskämpfer. Eigentlicher Anlass ist der Tod des an den Folgen von italienischer Folter und Haft am 7. Dezember 1964 verstorbenen BAS-Gründers Sepp Kerschbaumer. Gedacht wird zudem seiner Mitstreiter Kurt Welser, Jörg Klotz, Toni Gostner, Franz Höfler und Luis Amplatz, die wie er für die Freiheit ihrer Heimat ihr Leben ließen.

Die Genannten konnten sich seinerzeit guten Gewissens auf eine fundamentale päpstliche Sentenz berufen und davon leiten lassen, welche konditioniert die strikte Aufforderung zur Tat verlangt: „Wenn Unrecht Recht wird, wird Widerstand Pflicht!“ Dieser wuchtige Satz entstammt der Enzyklika „Sapientiae Christianae“ („Christliche Weisheiten“) von Leo XIII. und ist die Kurzform der darin enthaltenen längeren päpstlichen Aussage vom 10. Januar 1890 darüber, dass Gesetze eines Staates im Widerspruch zum (göttlichen und weltlichen) Recht stehen können.

Wer wollte bestreiten, dass Italien gegenüber Südtirol(ern) nicht nur während der Herrschaft von Mussolinis Schwarzhemden Unrecht für Recht setzte, sondern auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs faschistisches (Un-)Recht im „demokratischen Gewande“ des nunmehr republikanischen Staates beibehielt, nämlich den bis in unsere Tage partiell als Teil seines Strafrechts geltenden Codice Rocco.

Damals wurde die darin enthaltene Bestimmung „Verbrechen gegen die Einheit des Staates“ gegenüber den Südtiroler Freiheitskämpfern angewendet, heute bieten ihn italienische Staatsanwälte bisweilen auf, wenn Austro-Patrioten an Eisack und Etsch Plakate mit der Aufschrift „Südtirol ist nicht Italien“ mit sich führen oder Angehörige der Łiga Vèneta zwischen Gardasee und dem Golf von Venedig für die Eigenständigkeit Venetiens respektive dessen Loslösung von Italien demonstrieren. Allenfalls wenn die römische Staatsmacht eingreift sowie „Rädelsführer“ festsetzt und ihnen den Prozess macht, wird in den herkömmlichen Medien darüber berichtet und – wenn überhaupt dann politisch korrekt – wider „den Ungeist des Separatismus“ kommentiert. Ansonsten herrscht Schweigen.

Stereotypie und sakrosankte Zuschreibung

In Anbetracht der römischen Politik gegenüber den Tirolern zwischen Brenner und Salurner Klause sowohl in der Zwischenkriegszeit, als auch insbesondere zwischen 1945 und dem leidvoll erkämpften und verhandelten Autonomie(paket) 1969/1972 müssen die Aktionen Freiheitskämpfer als sittlich, moralisch und juristisch gerechtfertigte Widerstandshandlungen gewertet werden. Hierbei ist Wert zu legen auf die Feststellung „aller Freiheitskämpfer“. Politisch, publizistisch und historiographisch wurden und werden nämlich Anlage und Wirkung ihrer Handlungen und Taten in Zweifel gezogen. Bis heute gilt in Politik wie Publizistik und nicht zuletzt in den Wissenschaftsdisziplinen Zeitgeschichte und Politologie die/das von Italien propagandistisch wider die BAS-Kämpfer gerichtete und verbreitete Stigmatisierung/Urteil als „Attentäter“ und „Terroristen“, und nicht nur die österreichische, sondern weithin auch die deutsche und europäische veröffentlichte Meinung folgt(e), von Hauptstrom-Politik, Hauptstrom-Medien sowie Hauptstrom-Wissenschaft und Hauptstrom-Lehre politisch korrekt dieser stereotypischen, ja sakrosankten Zuschreibung.

Zudem haben Wissenschaft, Politik und Medien den Südtiroler Freiheitskampf einer nützlichen Segregation unterzogen, haben Akteure und Aktivitäten säuberlich nach Zweckdienlichkeit für die politische, wissenschaftliche und publizistische Betrachtung unterteilt:

– In eine erste Phase, die man zunächst aus der Sicht absoluter Gewaltlosigkeit zwar als moralisch verwerflich deklarierte, später aber nolens volens als politisch hilfreich anerkannte, da sie ja doch anerkanntermaßen den Weg zum Autonomiepaket mitbereitet habe. Dennoch erklärte einer der maßgeblichen mit der Südtirol-Frage befassten Zeithistoriker, der ob seiner Akten-Editionen und Monographien für ein großes Bozner Verlagshaus ebenso wie für die maßgeblich von der Südtiroler Volkspartei (SVP) seit 1948 gestellte Landesregierung quasi wie die alleinige Autorität der Geschichtsschreibung und -deutung gilt, auch diese Phase für kontraproduktiv.

– Und in eine zweite Phase, in der die Aktivisten angeblich ohne Rücksicht auf Verluste gehandelt und demzufolge nicht mehr wie in Phase eins Gewalt nur gegen Sachen, sondern auch gegen Menschen verübt hätten. Und dass dabei ideologisch bornierte Rechtsextremisten, ja Nazi-Adepten für die Gewalttaten Verantwortung trügen. Diese Phase wird – entgegen den Aussagen aus der Erlebnisgeneration und wider neuere

Erkenntnisse/Forschungsergebnisse in Wissenschaft, Publizistik und Politik für gänzlich verwerflich und unentschuldbar erklärt, und Beteiligte werden als niederträchtige Parias stigmatisiert.

Förmliche Rehabilitation – Österreichs Verpflichtung

Dem steht entgegen, was der (Militär-)Historiker Hubert Speckner – er ist einer der Ausstellungskuratoren - mittels Auswertung bisher von niemandem eingesehener Akten des Österreichischen Staatsarchivs in jahrelanger Forschung nachgewiesen hat, nämlich:

– Dass das angebliche Attentat auf der Porzescharte am 25. Juni 1967 nicht stattfand.

– Dass es zumindest nicht so stattfand, wie es italienischerseits dargestellt, von der österreichischen Politik leisetreterisch übernommen und bis zur Stunde von wissenschaftlicher und publizistischer Seite – nicht zuletzt auch in Südtirol – als Faktum angesehen wurde und nach wie vor, so als gäbe es Speckners Publikation „Zwischen Porze und Roßkarspitz…“, Wien (Verlag Gra&Wis) 2013, überhaupt nicht, in allen weiteren Verwendungszusammenhängen unhinterfragt prolongiert wird.

Niemand in Bozen, Innsbruck und Wien rührte bisher einen Finger zur Rehabilitierung der zu Unrecht der Tat bezichtigten und in Italien unter widrigsten, von deutschen und österreichischen Höchstgerichten für menschen- und verfahrensrechtswidrig erklärten Umständen zu hohen Haftstrafen verurteilten Freiheitskämpfer Univ.-Prof. Dr. med. Erhard Hartung und Egon Kufner (sowie den 2015 verstorbenen Peter Kienesberger). Diese Urteile, die man aufgrund der Erkenntnisse Speckners Schandurteile nennen muss, gehörten zwingend aufgehoben. Und es wäre Pflicht Österreichs, gegenüber Italien auf juristischem wie politisch-diplomatischem Wege just dafür zu sorgen. Die Republik Österreich und die Medien, zumindest die öffentlich-rechtlichen sowie alle gedruckten Organe, die für sich den Anspruch der Seriosität erheben, ihn diesbezüglich aber nicht einlösen, hätten zudem darauf hinzuwirken, dass die Genannten fortan nicht länger „Attentäter“, „Terroristen“ und „Mörder“ genannt werden dürften.

In einer weiteren umfänglichen Studie „Von der ,Feuernacht‘ zur ,Porzescharte‘. Das ,Südtirolproblem‘ der 1960er Jahre in den österreichischen sicherheitsdienstlichen Akten, Wien (Verlag Gra&Wis) 2016 hat Speckner anhand von aufbereiteten 48 „aktenkundig gewordenen Vorfällen“ aus der Zeit, in denen Südtiroler Freiheitskämpfer in Wort und Tat aktiv gewesen sind, akribisch nachgewiesen, dass seine aus den Inhalten der jeweiligen österreichischen Dokumente gewonnenen Erkenntnisse essentiell von den offiziellen italienischen Darstellungen abweichen. Auch hier gilt als Befund: Ignoranz und politische Korrektheit verhindern, dass der Wahrheit zum Licht der breiten Öffentlichkeit verholfen wird.

Geschichtsrevisionistische Schlüsse

Über die schieren Befunde und Erkenntnisse im Einzelnen hinaus lassen sich aus alldem einige geschichtsrevisionistische Schlüsse ziehen. So fanden BAS-Aktionen ungefähr zeitgleich eine gewisse Parallelität durch Anschläge italienische Neofaschisten. Umgehend instrumentalisierte Italien vor allem die von Speckner analysierten Vorfälle, insbesondere jene mit bis heute nicht einwandfrei geklärten Hintergründen, und nutzte sie politisch, medial und propagandistisch gegen Österreich.

Italien hatte nach dem Zweiten Weltkrieg alles versucht, um – wegen der zwischen Hitler und Mussolini 1939 vereinbarten „Option“, woraufhin bis 1941 ungefähr 90.000 Südtiroler „ins Reich“ umgesiedelt wurden, alle Südtiroler als Nazis abzustempeln. Und seit Ende der 1950er-Jahre stellte Italien alle BAS-Aktivisten in die rechte Ecke und politisch wie publizistisch unter Generalverdacht des Neonazismus. Was in politischen Milieus Österreichs und Deutschlands von ganz links bis zur Mitte verfing und bis heute anhält und womit den Aktivisten bis zur Stunde Unrecht geschieht.

Die Südtiroler Freiheitskämpfer hatten aus schierer Verzweiflung ob der kolonialistischen Unterwerfungsgeste des „demokratischen“ Nachkriegsitaliens gehandelt. Und, besonders wichtig, weil es den gewohnt politisch-zweckmäßigen wie publizistischen „Fakten“ entgegensteht: Der BAS-Grundsatz, wonach „bei Anschlägen keine Menschen zu Schaden kommen dürfen“, wurde trotz Eskalation der Gewalt zwischen 1961 („Feuernacht“) und 1969 (mehrheitliche Annahme des Südtirol-„Pakets“ durch die Südtiroler Volkspartei) respektive 1972 (Zweites Autonomie-Statut) weitestgehend eingehalten.

Der Tod nahezu aller während dieser Jahre gewaltsam ums Leben gekommenen Personen ist nicht dem BAS als solchem anzulasten, wie dies fälschlicherweise von der italienischen Justiz und den Mainstream-Medien Italiens, Österreichs und Deutschlands wahrheitswidrig festgestellt sowie verbreitet wurde und auch heute noch behauptet wird. Stattdessen handelt es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um Unfälle – so im Falle des Todes von Bruno Bolognesi in der Pfitscher-Joch-Hütte am 23. Juni 1966 sowie von Herbert Volgger, Martino Cossu und Franco Petrucci am 9. September 1966 auf der Steinalm-Hütte –, bzw. um eine fixe Geheimdienstaktion – so im Falle des Todes von Olivo Dordi, Francesco Gentile, Mario Di Lecce und Armando Piva auf der Porzescharte am 25./26. Juni 1967 sowie im Falle des Todes von Filippo Foti und Edoardo Martini im „Alpenexpress“ zu Trient am 30. September 1967. In den Todesfällen Vittorio Tiralongo (3. September 1964), Palmero Ariu und Luigi De Gennaro (26. August 1965) und schließlich auch des Salvatore Gabitta und des Guiseppe D’Ignoti (24. August 1966) waren die allfälligen Strafverfahren ohne Anklageerhebung seinerzeit zufolge nicht ausreichender Erkenntnisse ohnedies eingestellt worden.

Für einige im Zusammenhang mit der Südtirol-Frage zwischen 1961 und 1963 in Österreich geplante und/oder ausgeführte Anschläge ist dem BAS ursprünglich fälschlicherweise die Täterschaft zugeschrieben worden. Es waren dies die Detonation einer am Denkmal der Republik in Wien angebrachten Sprengladung (30. April 1961), die Sprengung des Andreas-Hofer-Denkmals in Innsbruck (1. Oktober 1961), Schüsse auf die italienische Botschaft in Wien (8. Oktober 1961), Anschlagsversuche am Wiener Heldenplatz (27. Dezember 1961) und auf das sowjetische Ehrenmal („Russendenkmal“; 18. August 1962) sowie der für den Gendarmen Kurt Gruber todbringende Sprengstoffanschlag in Ebensee (23. September 1963), bei dem es zudem zwei Schwer- und neun Leichtverletzte gab.

Die Taten waren von italienischen Neofaschisten bzw. von österreichischen Rechtsextremisten, die nicht dem BAS angehörten oder mit ihm in Verbindung standen, begangen worden. Ein Zusammenhang zwischen den Anschlägen und dem BAS wurde und wird bis zur Stunde wahrheitswidrig von ideologisierten Personen sowie von (nicht selten bewusst) falsch informierten/informierenden Medien in Österreich, Italien und Deutschland sowie nicht zuletzt von staatlichen italienischen Stellen zur Gänze behauptet, um den BAS zu diskreditieren.

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berridraun

berridraun bewertete diesen Eintrag 22.01.2019 18:24:56

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