Das Muster von Anschlägen ist mittlerweile leider hinlänglich bekannt. Ziel ist die kollektive Psyche westlicher Bevölkerungen. Den Medien und dem Web 2.0 (und sei es durch einen simplen Blogbeitrag als Verarbeitungsstrategie) kommt dabei eine gewichtige Rolle zu. Vielleicht sollte man gerade jetzt Handy und PC abdrehen.
Brüssel ist im Moment überall. Auf Twitter wird man sekündlich auf dem Laufenden gehalten. Sondersendungen (jedenfalls auf Puls4; der ORF tut weiter so, als wäre nichts passiert), Augenzeugenberichte, erste Fakten und Analysen, Livestreams und Liveticker, Videos von davonlaufenden Menschen und Bilder von blutübertrströmten Opfern oder den Zerstörungen am Flughafen oder der U-Bahnstation. Facebook informiert einen, dass in Brüssel befindliche Freunde (von denen man manchmal jahrelang nichts gehört hat und folglich gar nicht wusste, dass sie in Brüssel leben oder sich dort befinden) in Sicherheit sind. Erste Diskussionen entbrennen, man weiß welche und kennt die Argumente bereits.
Brüssel scheint mit einem Male sehr nah (die Anteilnahme nimmt mit gefühlter geographischer, kultureller und emotionaler Entfernung entsprechend ab). Im Wohnzimmer, im Café oder am Arbeitsplatz wird man per Smartphone oder PC ans Geschehen gebracht und mit Informationen geflutet. Irgendwie ist man selbst vor Ort und irgendwie auch wieder nicht.
Medien als Werkzeug des Terrors
Dieses Medienspektakel ist ein essentieller Bestandteil des Terrorismus. Er zielt auf das sensible Nervenkostüm westlicher Gesellschaften ab. Auf die liebgewonnene Sicherheit. Im Gegensatz zum "älteren" Terrorismus richtet er sich nicht mehr gegen bestimmte Feinde – von großen Medienhäusern über staatliche Einrichtungen bis hin zu Spitzenpolitikern –, sondern gegen alle. Jeder soll das Gefühl haben, dass es ihn erwischen könnte. So manch einer erinnert sich, selbst in Brüssel am Flughafen angekommen zu sein oder die U-Bahn genommen zu haben. Die statistische Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Anschlags zu werden, wird dabei vom plastischen Gefühl seiner unausweichlichen grundsätzlichen Möglichkeit zurück. Sicherheit ist letzten Endes auch eine subjektive Einschätzung, Zahlen sind kälter als Bilder. Hieraus entspringt die Verletzlichkeit digitalisierter Gesellschaften. Wo früher noch entsetzte Eltern und Freunde angerufen haben – mitunter am Festnetz –, um einen zu informieren ("hast du schon gehört, was in New York passiert ist?") und auf TV-Sondersendungen zu verweisen, kommt heute oft ein "ja, ich weiß, schon gehört, schrecklich." Ein unbewusstes Wettrennen darum, wer als erster und am Besten informiert ist. Was grundsätzlich jeden mit Smartphone und Internetanschluss – ob als Konsumenten oder Produzenten – zu strategischen Komponenten macht. Vielleicht sollte man gerade in Momenten wie diesen die Geräte eine Zeit lang abschalten.