Österreichs neuer Kanzler will einen rascheren Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge. Eine schon lange bestehende Forderung, für die es viele gute Gründe gibt und die dennoch nicht ganz unproblematisch ist.

Die Gefahren, die von jungen Männern mit zu viel Zeit und ohne Perspektiven ausgehen, sind hinlänglich bekannt (siehe dazu etwa hier oder auch hier): Integration geschieht weniger durch „Wertekurse“ als durch die alltägliche Begegnung, die in unserer Gesellschaft erst in der Schule und später am Arbeitsplatz stattfindet. Davon abgesehen werden so die Aussichten auf dem Beziehungsmarkt verbessert und eine Partnerschaft, eventuell gefolgt von einer Familiengründung, senkt die Gewaltbereitschaft.

Allesamt gewichtige Argumente, den Arbeitsmarkt so schnell und so früh wie möglich zu öffnen. Was spricht da noch dagegen?

Nun, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Abgesehen davon, dass die Sache in der Theorie oft besser klingt als sie in der Praxis dann funktioniert (in Bayern etwa brechen 70% der Flüchtlinge ihre Ausbildung aufgrund von Sprachschwierigkeiten und den geringen Löhnen wieder ab), birgt sie gewisse Risiken. Damit man unbeabsichtigte (negative) Folgen vermeidet, gilt es diese zu identifizieren und zu benennen.

Zum einen: Je früher ein Land seinen Arbeitsmarkt öffnet, desto attraktiver wird es für den Zuzug. Sowohl für Flüchtlinge im juristischen Sinne als auch für sonstige Migranten, die einen Asylantrag stellen, um wenigstens ein paar Monate legal arbeiten zu können; davon abgesehen bleiben viele in den meisten Fällen auch nach ablehnendem Asylbescheid im Land. Vor allem junge Männer werden oft nach Europa geschickt, um Geld für ihre Familie in der Heimat zu verdienen.

Davon abgesehen führt der Eintritt schlecht bis gar nicht ausgebildeter Arbeitskräfte zu einem Verdrängungskampf, der die Situation am ohnehin ungemütlichen unteren Ende der Gesellschaft weiter verschärft. Die Arbeitsmarktsituation in diesem Bereich ist bereits jetzt von Tristesse geprägt (wie auch Kanzler Kern einräumt). Ein Überangebot an Arbeitskräften, die sich um die wenigen freien Stellen duellieren, schwächt die Verhandlungsposition. Wenn nun noch mehr Arbeitskräfte hinzukommen, kann es zu einem weiteren Absinken des Lohnniveaus kommen (Paul Collier hat sich in seinem Buch „Exodus“ damit auseinandergesetzt) – bereits jetzt wird gefordert, Asylwerber vom Mindestlohne auszunehmen, was die Lohnuntergrenze faktisch ausgehöhlt. Das könnte wiederum dazu führen, dass eine derartige Andersbehandlung von Flüchtlingen und das damit einhergehende Lohndumping die Stimmung in der Bevölkerung weiter verschlechtert. Eine andere Möglichkeit besteht darin, den Staat bei Flüchtlingen einen Teil des Gehalts übernehmen zu lassen. Was auch nicht auf viel Gegenliebe stößt, in den Kommentarspalten unter derartigen Artikeln liest man den öfters Vorwurf, dass die Industrie sich so ihre Lohnkosten querfinanzieren lassen möchte.

Oft wird entgegnet, dass „die Österreicher“ sich ohnehin zu schade für die Drecksarbeit wären; auch wenn sich das nur schwer verifizieren lässt, führt das geradewegs in die zuletzt von Sepp Schellhorn angestoßene Debatte, ob und inwiefern die Mindestsicherung das Nichtstun fördert. Ein strittiges Thema, das nun also auch bei der Frage rund um die Öffnung des Arbeitsmarkts neu aufgewärmt wird.

Jede staatliche Maßnahme zieht Folgen nach sich, die positiv und negativ sein können. Auch wenn ein möglichst früher Zugang zum Arbeitsmarktzugang derzeit en vogue ist, muss man sich der damit einhergehenden möglichen Risiken und Nebenwirkungen bewusst sein. Soll niemand im Nachhinein behaupten, dass damit nicht zu rechnen war.

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pirandello

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dohle

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