Der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen wird direkte Auswirkungen auf Europa nach sich ziehen. Obwohl zahlreiche Europäer über Donald Trump nur den Kopf schütteln können, wäre auch ein Sieg von Hillary Clinton äußerst folgenreich.

Außenpolitik genießt in den USA eine ungleich größere Bedeutung als in den meisten europäischen Ländern. Wenig verwunderlich, das Land gilt schließlich als globaler Hegemon oder jedenfalls als die dominante militärische und wirtschaftliche (Ordnungs-)Kraft. Dementsprechend haben Themen wie der Umgang mit dem Nahen und Mittleren Osten, Terrorismus, Fundamentalismus, die Beziehungen zu China oder Kuba eine herausragende Rolle gespielt.

Eigentlich sollte Hillary Clinton aufgrund ihrer früheren Tätigkeit als US-Außenministerin hier klar die Nase vorne haben. Andererseits haben ihre Positionen und Entscheidungen viel Kritik hervorgerufen, gilt sie doch als "(liberal) Hawk", also als Vertreterin einer interventionistischen Außenpolitik. Unter ihre Amtszeit fällt insbesondere die aus heutiger Sicht als gescheitert zu betrachtende Intervention in Libyen 2011, im Zuge derer auch ein äußerst problematisches Memo von ihrem engen Vertrauten und Berater Sidney Blumenthal an die Öffentlichkeit geriet. Diesem zufolge wollte Frankreichs damaliger Präsident Nicolas Sarkozy, der am entschiedensten für Luftangriffe gegen Gaddafi eintrat, nur bedingt Menschenleben schützen: Vielmehr ging es um den Zugang zu libyschem Öl und die Sorge vor Gaddafis Plan, eine panafrikanische Währung einzuführen (eine schon lange in Verschwörungskreisen zirkulierende Theorie), die die monetäre Stellung Frankreichs in der Region bedroht hätte. Außerdem wollte Sarkozy so seine innenpolitische Position stärken, den französischen Einfluss erweitern und dem Militär eine Gelegenheit zur Machtdemonstration geben. Diese Vorwürfe, in Kombination mit der immer noch äußerst desolaten Situation in Libyen, könnten in den nächsten Monaten verstärkt thematisiert werden und Clintons Reputation als Expertin in Sachen Außenpolitik erheblichen Schaden zufügen.

Auch ganz allgemein stößt der von Clinton verfochtene US-Interventionismus mittlerweile selbst innerhalb der USA auf immer weniger Gegenliebe. Abgesehen von Libyen hat sich für Europa insbesondere das Vorgehen in Syrien (wo Hillary Clinton anno 2013 Militärschläge gegen Assad forderte, die Obama in letzter Sekunde abgesagt hatte), aber auch im Irak (sie hat 2003 für den US-Angriff gestimmt) und in Afghanistan (wo es den USA nicht einmal ansatzweise gelungen ist, einen einigermaßen funktionierenden Staat aufzubauen) – drei der Haupt-Herkunftsländer von Flüchtlingen – als fatal erwiesen. Aus heutiger Sicht muss man sich die Frage stellen, ob weniger nicht mehr gewesen wäre. Somit kann man Hillary Clintons Vorteil in Sachen Außenpolitik anzweifeln: Erfahrung ist nicht gleichbedeutend mit Erfolg.

Dennoch würden USA unter ihrer Führung wieder militärisch aktiver werden als unter Obama (der für US-Verhältnisse relativ zurückhaltend war, Stichwort Obama-Doktrin). Wenn sie dabei scheitern, was angesichts der jüngeren Vergangenheit leider sehr wahrscheinlich scheint, wird Europa als Hauptziel der Flüchtlingsströme die Folgen direkt zu spüren bekommen. Muss man als Europäer am Ende des Tages gar auf einen Wahlsieg von Donald Trump hoffen?

shutterstock/JStone

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