(Instagram-)Kunst: Ist Masse Klasse?

Es ist eine Frage, die so alt ist wie die Kunst selbst: Was macht gute Kunst aus? Anhand welcher Kriterien stellt man das fest? Wer entscheidet darüber? Heutzutage überlässt man das Urteil über weite Strecken den Massen.

In Wien und anderen Städten laufen etwa „Instagram-Ausstellungen“, mit denen auch jungen beziehungsweise nicht-etablierte Fotografen ein Forum geboten wird. Interessant dabei: Unter den Bildern steht auch, wie oft beziehungsweise wie viele Menschen das Bild „geliket“ haben.

Selbiges Phänomen lässt sich auch auf Facebook beobachten; dort gibt es die Möglichkeit, seine „besten Bilder“ herausfiltern zu lassen; wenig sophisticated sind das schlichtweg jene, für die es die meisten „likes“ gab.

Spätestens seit der aus unsäglichen Zeiten stammenden Einstufung als „entartet“ ist der Kunstdiskurs mehr oder weniger kaputt. Jede Diskussion krankt daran. Eine Störung des ästhetischen Empfindens gilt als unzureichende Verlängerung des bloßen subjektiven Empfindens. Objektiv gute Kunst kann es mitunter gar nicht geben. Geschmäcker sind eben verschieden und theoretisch hat so ziemlich alles einen grundsätzlichen Anspruch auf das Gütesiegel „Kunst.“ Es darf zumindest dann verliehen werden, wenn Experten oder eine genügend hohe Anzahl an Menschen gibt, die etwas für gut befinden – unabhängig dessen, wieso, und sei es bloße Massendynamik, etwa, weil eine bedeutsame Person gesagt hat, dass etwas künstlerisch wertvoll ist.

Expertenmeinungen und das Urteil der Masse sind somit die zwei großen Säulen wenn es darum geht, eine qualitative Bewertung vorzunehmen. Gerne auch in Symbiose. Wenn ein Banksy behauptet, dass die Kunst von einer beliebigen Person grenzgenial ist, kann diese mit schlagartigem Ruhm rechnen. Banksy selbst hat mit den Dynamiken des künstlerischen Felds in seinem Film „Exit through the giftshop“ auf wunderbar-eindrückliche Art und Weise gespielt.

Die Masse lässt sich aber auch von Experten entkoppeln. Wird ein gewisser Beliebtheitsgrad überschritten, gilt die Devise „so viele Menschen können nicht irren.“ Dann tritt das persönliche Urteil gerne und oft genug zurück.

So sind Verkaufszahlen oder lapidare „likes“ gewissermaßen der letzte wenigstens zum Schein objektive Gradmesser für die Qualität von Kunst. Was auch dem formell-demokratischen Zeitgeist, dem Konsumgedanken und letztlich auch der Gier nach harten Zahlen geschuldet ist. Masse kann, muss aber nicht zwangsweise Klasse bedeuten. Oft genug schließen die beiden einander sogar aus – man denke an so manchen Chartbreaker. Wie heißt es in Schillers Demetrius? "Die Mehrheit? Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen'gen nur gewesen..."

Vielleicht sind Kunstdiskussionen gerade deswegen so schwierig und teilweise mühsam. Die Frage des Verhältnisses zwischen Masse und Experten muss ja zwangsläufig unbeantwortet bleiben. Gleichzeitig tun wir uns damit schwer, die Qualität von Kunst objektiv festzustellen beziehungsweise Kunst als "schlecht" zurückzuweisen. Gehört das finale Urteil – in Abwesenheit anderer Instanzen – letzten Endes dem Markt?

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 07.04.2016 22:47:58

bianka.thon

bianka.thon bewertete diesen Eintrag 07.04.2016 18:08:45

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