Ein Stück Geschichtsschreibung hat begonnen: Hinter den der Süddeutschen Zeitung zugespielten Daten – den „Panama Leaks“ beziehungsweise „Panama Papers“ – soll sich der größte Finanzskandal aller Zeiten verbergen. Kaum ein Medium, das nicht berichtet. Die Sache wird uns eine Zeit lang beschäftigen.

Sturm im Wasserglas?

Doch genau hier kann der Zyniker fast nicht anders, als in Skepsis zu verfallen. Wie lange wird das Thema die Welt beschäftigen? Wie viele interessieren sich wirklich dafür, vor allem außerhalb der zahlreichen Bubbles? Wie groß ist die Aufregung tatsächlich?

Es ist ja nicht so, als hätte man die zahlreichen inkriminierten Personen und Institutionen bislang für Saubermänner gehalten. Poroschenko, Assad, Putin, Jacob Zuma, Xi Jinping oder die FIFA, um nur einige zu nennen. Selbst Lionel Messi steckt ja schon seit geraumer Zeit in einer Steueraffäre.

Die Überraschung ist somit weniger groß, als es die ersten Reaktionen vermuten lassen. Der Skandal entpuppt sich bei näherer Betrachtung schließlich nur als Bestätigung. Man hat es eh immer schon gewusst, jetzt gibt es eben etwas Handfestes. Saftiges Fleisch auf die trockenen Knochen diffuser Ressentiments gegen „die Reichen und Mächtigen“, denen „die Welt gehört“ und „die sich alles erlauben können.“

Revolution 2.0?

Bei so manchen nähren die derzeitigen und noch zu erwartenden Enthüllungen Hoffnung und Tatendrang. Auf eine Art finale Wende, die schon so lange auf sich warten lässt. Darauf, dass „die Eliten“ endlich mit einem nassen Fetzen davongejagt werden. Oder zumindest ernsthafte Konsequenzen folgen. Mitunter gar eine Art französische Revolution 2.0, nur diesmal global. So ertönt der Aufruf, endlich etwas zu tun. Aufzuwachen. Nicht nur Blogs, Tweets oder Statusupdates zu schreiben, zu „liken“ und zu „sharen.“ The revolution will not be televised hieß es schon vor Jahrzehnten.

Allen, es fehlt der Glaube. Man denke nur an die Enthüllungen von Edward Snowden oder Wikileaks. Ja, Aufregung war und ist da. Aber maßgebliche und langfristige Veränderungen sind ausgeblieben – mehr noch, viele wissen gar nicht, wer Edward Snowden überhaupt ist beziehungsweise getan hat.

Der Zyniker wartet ab. Beobachtet das gegenwärtige Spektakel und erinnert sich an die jüngere Vergangenheit. Trennt zwischen Momentaufnahme und langfristigen Entwicklungen. Sieht die toxische Wirkung aufkeimender Hoffnung, die mit der Enttäuschung freigesetzt wird.

Jetzt kann man ihn verdammen und als Teil des Problems ansehen. Ist er wohl auch, aber das ist der Optimist, der sich zum wiederholten Male diversen Revolutionsfantasien hingibt, ebenso.

Zynismus dient letztlich dem Selbstschutz. Er rührt ja nicht von ungefähr. Je älter man wird, desto öfter hat man erlebt, wie ein Sturm eigentlich nur im Wasserglas stattgefunden hat.

Der Optimist kann jetzt schimpfen und jegliches Scheitern und allfällige Enttäuschungen auf die Zyniker und die Passiven bis Ignoranten dieser Welt schieben. Oder seine eigenen Erwartungen dämpfen und nachjustieren. Nach den Sternen greifen und sich zumindest fürs erste mit den Wolken zufrieden geben.

Revolution – und dann?

Insbesondere sollte er aber auch bedenken, dass Revolutionen nicht notwendigerweise eine Besserung herbeiführen. Viele Gefahren in sich bergen und ungeahnte destruktive Kräfte auf den Plan rufen können. Natürlich muss die Welt sich ändern, es gibt kaum Gründe für ein unbedingtes Festhalten am status quo (umso mehr, als unser Gehirn dem Denkfehler unterliegt, alles Gegebene grundsätzlich zu bevorzugen, den status quo-bias). Doch Veränderung ist kein Selbstzweck. Und darüber, wie eine ideale Welt aussehen sollte und was konkret passieren muss, gibt es unzählige Ansichten – die Saat für zukünftige Konflikte.

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