Es ist dieser Tage nicht sonderlich angenehm, eine Tageszeitung aufzuschlagen oder die Nachrichten anzusehen. Selbiges gilt freilich auch für Facebook, Twitter und Co. Wohin man auch hinblickt, man wird mit dem Schlechten dieser Welt konfrontiert. Kriege, fern und etwas weniger fern, Vergewaltigungen, gewaltsame Ausschreitungen – es ist schwer, da noch guter Dinge zu bleiben. Oft empfiehlt sich eine Mediendiät, also der bewusste Verzicht auf den täglichen Konsum von Nachrichten (Ich habe es selbst probiert – zwar nicht lange durchgehalten, aber doch – und in der Tat, die Befindlichkeit bessert sich. Nur bei den verschiedenen Belanglosigkeiten aus der Welt des Small Talks mitreden wird noch schwieriger).
Unser Hirn ist empfänglich für bad news
Der Grund für den medialen Überhang schlechter Nachrichten ist allseits bekannt: Schlechte Nachrichten verkaufen sich besser. Was zwei Ursachen haben dürfte.
Erstens ist unser Gehirn evolutionär darauf konditioniert, auf Schlechtes – Gefährliches – stärker zu reagieren als auf Gutes. Man spricht von „negativity bias“, also der Wahrnehmungsverzerrung zugunsten des Negativen. Plakativ gesagt: Um zu überleben, ist es wichtiger einen Säbelzahntiger frühzeitig zu bemerken als sich an einem besonders schönen Abendhimmel zu erfreuen.
Zweitens haben wir im Allgemeinen ein übermäßig positives Bild von der Welt und uns selbst. Die meisten Menschen in unseren Breiten sind der Ansicht, ein besseres Leben zu führen als der Durchschnitt und dass am Ende alles gut wird. Diese Grundstimmung wird durch schlechte Nachrichten erheblich gestört, sie passen nicht ins Konzept und erregen daher umso mehr unsere Aufmerksamkeit.
Das subjektive Sicherheitsempfinden am Tiefstand
Im Moment, so jedenfalls mein persönlicher Eindruck, bekommt der durchschnittliche Medienkonsument besonders viele schlechte Nachrichten serviert. Wenn ich an einem x-beliebigen Tag auf meiner Facebook-Timeline scrolle, derstandard.at, diepresse.com oder sonstige Medien anklicke, lese ich von Schlägereien in Asylwerberheimen, einer erstochenen Flüchtlingshelferin, Vergewaltigungen und unterhalb dieser Schwelle liegenden sexuellen Belästigungen, Raubüberfällen, kriminellen Araberclans, einer überforderten bis kollabierenden Staatsmacht, no go-Areas, Anschlägen auf Asylheime, zügellosen „Rockerbanden“, Gewalt bis hin zum Schusswaffeneinsatz gegen AfD-Politiker, Ausschreitungen bei Demonstrationen oder dem Anstieg rechtsextremer Gewalt. Kurzum: Alles, was der Fundus an unangenehmen Neuigkeiten so zu bieten hat. Hinzu kommt, dass man über Facebook davon erfährt, wenn jemand im unmittelbaren oder dem erweiterten Bekanntenkreis Opfer einer Straftat wie etwa eines Einbruchs wurde. Damit rückt die Kriminalität erschreckend nahe, sie wird greifbar; an die Stelle anonymer Opfer tritt jemand, den man kennt oder den zumindest jemand kennt den man kennt. Es hätte einen somit auch selbst erwischen können!
Wenig verwunderlich erreicht das momentane allgemeine Unbehagen neue Höhen. Um das subjektive Sicherheitsempfinden – also die persönliche Einschätzung der eigenen Sicherheit beziehungsweise im Umkehrschluss der Gefahr, Opfer einer Straftat zu werden – war es noch vor ein paar Jahren wohl wesentlich besser bestellt. Heute formieren sich Bürgerwehren, die privaten Waffenverkäufe steigen, Pfefferspray ist der neueste Verkaufshit auf Amazon und so manche versuchen mit „Survival Guides“ und dazugehörigen angsteinflößenden Werbebildern Geld zu verdienen.
Sinkendes Vertrauen in den Staat
Dem subjektiven Sicherheitsempfinden wird das objektive Sicherheitsempfinden gegenübergestellt – also die tatsächliche, faktisch-mathematische Gefahr, dass einem etwas zustoßen könnte. Das bekannteste Beispiel für diesen Gegensatz betrifft die Angst vor Terroranschlägen im Vergleich zu Autounfällen. Obwohl die reale Gefahr vor ersteren statistisch ungleich niedriger ist, ist die subjektive Angst wesentlich höher (zumal die meisten Menschen sich in Übereinstimmung mit den obigen Ausführungen für überdurchschnittlich gute Autofahrer halten).
Demgemäß betonen führende Vertreter aus den Reihen der Ministerien, der Polizei oder auch Kriminologen immer wieder, dass die Sicherheit äußerst hoch ist oder es zu keinem Anstieg, ja vielleicht sogar zu sinkenden Zahlen in Sachen Kriminalität gekommen ist: So verlautbarte Christian Pfeiffer, der ehemalige Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen, dass Deutschland so sicher wie nicht mehr seit dem Jahr 2000 sei. Auch Österreich verbucht laut Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium insgesamt eine sinkende Kriminalitätsrate, wobei der Anteil von Asylwerbern 2% der Gesamtkriminalität ausmachen soll.
Allein, vielen fehlt mittlerweile der Glaube. Seit den Ereignissen von Köln und dem damit zusammenhängenden medialen Versagen liest man jedoch immer öfter davon liest, dass die Polizei etwa dazu angehalten wird, über Vergehen von Flüchtlingen nicht zu berichten. Von einem „Schweigekartell“ ist die Rede. Auch in Schweden soll es ähnliche Anweisungen geben. Viele fragen sich, ob derartiges auch auf Österreich zutrifft.
Das schafft Skepsis: Werden ganz allgemein, also nicht nur in Bezug auf Flüchtlinge, essentielle und unangenehme Informationen bewusst unterschlagen? Man denke nur an die berühmt-berüchtigte Antwort des deutschen Innenministers Thomas des deutschen Bundesinnenministers Thomas de Maizière auf die Frage, wieso ein Fußball-Länderspiel in Hannover abgesagt wurde – „ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern.“
Hinzu kommt die schon seit Langem weitverbreitete allgemeine Skepsis gegenüber Zahlen: „Trau keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hat“ lautet das uralte Mantra, von dem man immer dann liest, wenn Zahlen im Spiel sind.
Hier liegt die Crux der momentanen Situation und dem sorgsamen Umgang mit damit zusammenhängenden Informationen. Das subjektive Sicherheitsgefühl ist niedrig wie schon lange nicht während selbst den offiziellen Angaben immer weniger Vertrauen entgegengebracht wird. Mehr noch, viele fühlen sich durch Beschwichtigungen von offizieller Seite zusätzlich bestätigt – vielleicht sind diese ja umso notwendiger, wenn die Sache wirklich im Argen liegt? Die Politik und ganz allgemein der Staatsapparat haben heute mit einem massiven und in der Form vielleicht noch nie dagewesenen Imageproblem zu kämpfen. Die Glaubwürdigkeit scheint einen Tiefstand erreicht zu haben. Schwer zu sagen, man da gerade in Zeiten von Web 2.0 wieder herauszukommen gedenkt.