Die Syrien-Großkonferenz ging in Österreich medial ziemlich unter. Das Land war und ist mit dem neuen Bundeskanzler und der Präsidentschaftswahl beschäftigt. Man hat aber nicht viel verpasst.
Enttäuschung
Die große Enttäuschung: Die teilnehmenden Außenminister haben keinen Termin für ein Folgetreffen gefunden und die eingeladenen OppositionelleSyrienn schlossen eine Rückkehr auf den Verhandlungstisch aus, solange die Situation vor Ort sich nicht bessert. Die Gegner Assads hatten sich bereits letzten Monat zurückgezogen, weil dieser den vereinbarten Waffenstillstand gebrochen hatte. Insbesondere Aleppo war heftig umkämpft worden, trauriger Tiefpunkt war ein Angriff auf ein Krankenhaus.
Der UN-Gesandte für Syrien Staffan de Mistura übte sich zwar in Zweckoptimismus: "We want to keep the momentum. The exact date, I am not at the moment revealing it because it will depend also on other facts" (etwa der Begin von Ramadan Anfang Juni), was aber nichts an der vorherrschenden Frustration ändert.
Denn eine Beilegung des Konflikts scheint so fern wie eh und je. Die unterschiedlichen Interessen bleib ja ebenso weiter bestehen wie die geopolitischen Verwerfungen: Der größere regionale Konflikt zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, das russische Festhalten am letzten verbleibenden Einfluss in der Region und das Schicksal von Assad.
Ende Februar 2011 begannen die Proteste; seitdem ist die ganze Sache stetig weiter ausgeartet, keiner gibt nach, keiner schafft es jedoch, eine militärische Entscheidung herbeizuführen. Manchen zufolge braucht es eine solche jedoch – Friedensgespräche haben nur begrenzten bis keinen Nutzen, die Sache muss auf dem Schlachtfeld entscheiden werden: „Give War a Chance“, schrieb Edward Luttwak in einem Foreign Affairs-Artikel von 1999 zynisch.
Die Zukunft Syriens
Dazu tritt die nach wie vor offene Zukunft Syriens, selbst nach einem Ende des Krieges. Wer würde das durch einen Abgang al-Assads verbleibende Machtvakuum füllen? Wie würde al-Assad, wenn er an der Macht verbliebe, mit seinen ehemaligen Kontrahenten verfahren? Wie will man langfristige Stabilität garantieren? Das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Volksgruppen, zumal der Krieg tiefe Wunden gerissen hat? Wie soll eine Regierung aussehen? Wie soll Syrien verfasst sein, welche Rolle für Religionen, welche Form von Demokratie? Wie weit will man es föderalisieren, wird es gar zerfallen?
Ein Haufen Fragen und nur wenige bis keine Antworten. Viele Negativbeispiele, allen voran Libyen und der Irak. In beiden Fällen hat der Sturz von „starken Männern“, die das Land mit dem Knüppel zusammengehalten haben, wie erwartet zu Instabilität geführt. Nach 34 (Irak unter Hussein) beziehungsweise 42 (Libyen unter Gaddafi) Amtszeit von ein- und demselben Herrscher kann schließlich nicht erwartet werden, dass unter einer neuen Regierung in kürzester Zeit Frieden einkehrt. Grundsätzlich würde es hier langfristiges Engagement brauchen, aber das ist teuer und wenig beliebt beim Wahlvolk daheim. Davon abgesehen stößt der Gedanke des Staatsaufbaus in der Praxis oft an seine Grenzen. Für das Versagen der USA in Afghanistan sei die VICE-Doku „This Is What Winning Looks Like“ empfohlen. Auch der Irak ist nach jahrelanger US-Besetzung zwecks Wiederaufbaus nach wie vor eines der instabilsten Länder der Welt.
In Libyen hat der Sicherheitsrat eine Besetzung in Sicherheitsratsresolution 1973 explizit ausgeschlossen, man hat das Land nach dem Sturz von Gaddafi mehr weniger sich selbst überlassen. Barack Obama hatte eine solche unter Verweis auf den Irak damals ja explizit ausgeschlossen.
Erst unlängst bezeichnete er die fehlende langfristige Planung als den größten Fehler seiner Präsidentschaft. Wie es in Libyen heute aussehen würde, wenn es eine solche gegeben hätte beziehungsweise sie umgesetzt worden wäre, bleibt dennoch mehr als fraglich.
In Syrien ist man noch nicht einmal so weit, für „the day after“ zu planen, ja überhaupt von einem solchen zu sprechen. Die Friedensgespräche waren ein Versuch, den so mancher Strafrechtler im Nachhinein als von Anfang an untauglich bezeichnen würde. Probieren kann, muss man es. Aber Anlass zur Hoffnung haben sie keinen gegeben.