In den letzten Wochen erreicht die Schlacht um die grundsätzliche Wählbarkeit der FPÖ ein neues Level. Dabei lässt sich ein Grundproblem erkennen: Obwohl viel gegen sie spricht, spricht umgekehrt nicht viel für die anderen Parteien.
Hier liegt der entscheidende Knackpunkt. Natürlich gibt es äußerst triftige Gründe, die FPÖ beziehungsweise Norbert Hofer unter keinen Umständen zu wählen. Aber, und das lässt sich derzeit gut beobachten, sehen viele Wähler nur wenige bis keine Anreize, stattdessen einer anderen Partei beziehungsweise Alexander Van der Bellen ihre Stimme zu geben. Die Stärke der FPÖ ist eine Reaktion auf die Schwäche vom Rest.
Egal ob grün, schwarz, rot oder pink – vielen Menschen, vor allem jenen mit den größten Schwierigkeiten im Alltag – haben diese Parteien nur wenig bis gar nichts zu bieten. Das Dunkel der Tagespolitik verheddert sich in Querelen über Details oder personenbezogene Kritik. Die großen Themen unserer Zeit, von der Flüchtlingskrise über Integration/Immigration bis hin zur Rolle der EU oder auch dem Wirtschaftssystem – Stichwort „Bankenrettung“ – bleiben dabei auf der Strecke. Der Vorwurf der Abgehobenheit vom Volk, jedenfalls signifikanten Teilen davon, steht im Raum.
Zuerst ließ sich dieser Trend bei den klassischen „Arbeitern“ beobachten, die der SPÖ bekanntlich abhandengekommen und zur FPÖ übergelaufen sind. Jetzt versucht die FPÖ im nächsten Schritt, weiter in die Mitte der Gesellschaft zu rücken und auch für die breitere Bevölkerung attraktiv zu werden. Gut möglich, dass sie, selbst wenn viele sie noch so kritisch sehen, dabei Erfolg haben wird. Wenn schon nicht aus Überzeugung, mitunter gar aller Ablehnung zum Trotz gibt es ja immer noch die klassischen Proteststimmen, um das „Establishment“ aufzuwecken – was sich ja bereits bei den Nationalratswahlen anno 1999 beobachten ließ. Schon Jörg Haider verstand es ja geschickt, auf der verkrusteten Sprossenwand der zwei reformresistenten Großparteien emporzuklettern. Dass auch H.C. Strache dabei Erfolg hat, liegt weniger an dessen politischem Genius als daran, dass es ihm noch leichter gemacht wird als Jörg Haider in den guten alten 90ern.
Jetzt könnte man immer noch einwenden, dass die FPÖ ja nicht die einzige Oppositionspartei ist. Doch gerade beim seit bald einem Jahr dominantesten Thema unserer Zeit, der Flüchtlingskrise, weisen die Grünen und die NEOS (das Team Stronach sei jetzt mal außen vor gelassen) nur mäßige Attraktivitätswerte auf. Die Position der Grünen zu dieser Sache befriedigt zwar ihr Kernklientel, setzt aber zugleich eine äußerst niedrige gläserne Decke fest. Sie sind in dieser Sache nun einmal ein Nischenprodukt. Noch interessanter sind die NEOS, die sich hier so richtig schwer tun. Entweder werden sie und ihre Vorschläge in dieser Sache kaum wahrgenommen oder der durchschnittlich politisch-interessierte Bürger erkennt kaum Unterschiede zu den Grünen. Eine medienstrategische Herausforderung, sich hier auf dem Meinungsmarkt zu profilieren.
Daraus erklärt sich auch die jüngste Asylnovelle. Die Regierung reagiert, spät aber doch und möchte der FPÖ das Wasser abgraben. Klarmachen, dass sie die Botschaft empfangen haben und man eine restriktivere Asylpolitik auch ohne ihr haben kann. Das dahinterstehende Kalkül: Man verliert gewiss einige Wähler, aber unterm Strich bleibt mehr, als wenn man den bisherigen Kurs fortsetzt oder gar in die Gegenrichtung marschiert. In der Politik geht man eben nicht immer zum Schmied; jedenfalls dann nicht, wenn er einen notorisch schlechten Ruf hat und man den Schmiedl besser kennt. Mal sehen, ob das aufgeht.