Nach der österreichischen Bundespräsidentschaftswahl wurde viel über die „kleinen Leute“ gesprochen. Manchmal sollte man aber auch mit ihnen sprechen. Ein kurzer – und leider viel zu später – Bericht aus einem Beisl irgendwo in Wien.
Die Wahl hat das Land ziemlich aufgewühlt. Gefühlt überall und jederzeit wurde quer durch die Bank analysiert, diskutiert und oft auch gestritten. Fürwahr, Österreich war und ist gespalten.
Vor dem zweiten Wahldurchgang die große Ungewissheit. Prognosen gab es kaum bis keine und selbst wenn, glaubt ihnen ja kaum noch jemand. Dieser für ein zoon politikon äußerst unbefriedende Zustand hat mich zu einer spontanen Umfrage bewogen. Warum nicht einfach x-beliebige Menschen auf der Straße fragen, ob sie mir verraten, wen sie wählen (glauben Sie mir, es war interessanter und aufschlussreicher als so manche TV-Diskussion).
Irgendwann bin ich dann Weg von der alten Donau in einem Wiener Beisl gelandet. Von Beisln und den dazugehörigen Gästen war im Vorfeld der Wahlen ja verstärkt die Rede. Neben dem platten „die dummen und rassistischen FPÖ-Wähler“-Bashing sprechen ja doch einige davon, die Leute ernst zu nehmen und mit ihnen überhaupt zu reden. Wo, wenn nicht hier?
Nun, viel Wärme ist mir trotz der hohen Temperaturen anfangs nicht entgegen gestrahlt. Irgendwo verständlich, der Kontrast zwischen den Stammgästen und meiner Flip-Flops und Badehose tragenden Wenigkeit war dann wohl doch zu hoch. Aber irgendwann hat man wohl akzeptiert, dass ich vielleicht eigen-, aber doch nicht böswillig bin und frei von der Leber weg gesprochen. Unisono eingeräumt, Hofer zu wählen („Siehst du da herin an Auslända? — „ja, er hat doch grad gemeint, er könne nicht wählen“ — „jo, eh. Aber das is unsa Auslända“) und überhaupt so manches Klischee erfüllt.
Und, vor allem: Erzählt. Von 4-5jährigen Mädchen mit Kopftuch und dem Unverständnis, wieso sie schon so früh eins tragen müssen; einer befreundeten Volksschullehrerin, in deren Klasse die Hälfte kein Deutsch spricht. Davon, dass man das eigene Kind nicht in den Park lassen will, weil dort andere das Sagen haben und es gefährlich ist. Von den Drogendealern entlang der U6. Den „Sittenwächtern“ vulgo der „Scharia-Polizei“ in der Millenium-City, die sich eingebrannt hat (während sowas bei Twitter-Dauerkonsumenten schnell mal in Vergessenheit gerät). Der Salafistenmoschee ums Eck, die auch unter Beobachtung stehen soll: „Wenn wir im Sommer im Schanigarten sitzen und was trinken, töten die dich mit ihren Blicken.“ Davon, dass ab und an Frauen kurz hineinkommen (hinter der Theke stand übrigens eine Frau), weil ihnen draußen wer nachgeht oder unschöne Worte nachruft. Der Sorge um die eigene Tochter, die man woanders in die Schule schickt. Um nur den Bruchteil zu nennen, der sich beim hektischen Bekritzeln meines Notizblocks ausgegangen ist.
Und über alledem thront obendrein der Schatten der besseren Vergangenheit. In Wien beziehungsweise im Bezirk sei früher vieles ganz anders gewesen. Sicher, es habe Ausländer gegeben, aber nicht so viele. Man sei außerdem mit welchen befreundet, die würden sich über all das genauso aufregen, hätten genauso Sorgen. Das Problem wären überhaupt weniger „die Ausländer“ als solche, sondern die Türken und in den letzten Jahren die Tschetschenen.
Ein winziger Ausschnitt, aber Realität. Ernüchternde Realität, die das Gerede von wegen „auf die Leute zugehen“ oder „man muss die Leute ernst nehmen“ als naiv erscheinen lassen. Dieses Terrain ist verloren, hier gibt es für Politiker von rot und schwarz über grün bis hin zu pink nichts zu holen, den Menschen hier haben sie wenig bis gar nichts zu bieten. Ob die FPÖ selbst etwas zu bieten hat, ist im Übrigen Nebensache. Politik ist über weite Strecken eine Sache der Gefühle und die werden von ihr – und bei den oben genannten Themen eben nur von ihr – nun einmal bedient.
Am Ende noch die Einladung, doch auf 1, 2 Bier wieder zu kommen. Ich solle auch meine Freunde von der Uni mitnehmen, damit die sehen, was sich hier in der Gegend abspielt. Ja, vielleicht mache ich das. Oder suche mal mit ein weiteres Beisl auf. Gibt ja (noch) so einige davon in der Stadt. Lehrreich ist so ein Besuch in jedem Fall.