Wie viele hier vielleicht bereits bemerkt haben, liegt mir dieses Thema sehr am Herzen. Nicht nur, weil ich täglich damit beruflich zu tun habe, sondern auch (wie fast jeder von uns), weil ich im nahen Verwandtenkreis mit Krebs konfrontiert bin. Ich will hier einige der bekanntesten Krebsmythen entzaubern. Dies ist der 1. Teil, sonst wird dieser Blog zu lang:

Sucht man in Google nach „Krebs“ wird man mit Millionen von Webseiten konfrontiert werden; und die Anzahl der YouTube-Videos, die man findet, wenn man nach "Krebsheilung" sucht, ist ähnlich groß.

Das Problem ist, dass ein Großteil der Informationen da draußen am besten ungenau, oder im schlimmsten Fall gefährlich irreführend sind. Es gibt viele evidenzbasierte, leicht verständliche Seiten über Krebs, aber es gibt genauso viele, wenn nicht mehr Seiten, die Mythen und völligen Unsinn über die Krankheit verbreiten.

Und es kann schwer sein, die Tatsachen von der Fiktion zu unterscheiden, weil es so viel von den ungenauen Informationen gibt und noch dazu klingen diese vollkommen plausibel. Aber wenn man an der Oberfläche kratzt und auf die Beweise schaut, werden die vielen ständig fortbestehenden "Wahrheiten" brüchig.

In diesem Beitrag will ich mit einigen Krebsmythen aufräumen, denen wir regelmäßig begegnen. Angetrieben von wissenschaftlichen Beweisen, nicht durch Hören-Sagen oder Anekdoten, beschreibe ich, was die Wirklichkeit der Forschung heute für belegt und wahr erachtet.

1. Krebs ist eine von Menschen verursachte/gemachte Krankheit der westlichen Gesellschaft

Vielleicht ist es heute im öffentlichen Bewusstsein stärker verankert als in vergangenen Zeiten, aber Krebs ist nicht nur eine "moderne", vom Menschen verursachte Krankheit der westlichen entwickelten Welt. Krebs existiert schon solange es die Menschheit gibt. Krebs wurde vor Tausenden von Jahren von ägyptischen und griechischen Ärzten beschrieben, und Forscher haben in einem 3000 Jahre alten Skelett verräterische Anzeichen von Krebs entdeckt. Krebs ist sogar in Dinosaurierknochen entdeckt worden.

Während es sicherlich wahr ist, dass durch den globalen Lebensstil bedingte Krankheiten wie Krebs auf dem Vormarsch sind, ist der größte Risikofaktor für Krebs das Alter.

Ein wenig Statistik dazu:

Aktuelle Erhebungen des SEER Institutes zeigen, dass der Altersmedian bei neuen Krebsfällen bei 66 Jahren liegt. D.h. dass 50% der Krebsfälle unter 66 Jahren auftreten und 50% über 66 Jahren. Ein Viertel der neu diagnostizierten Krebsfälle liegt zwischen 65 bis 74 Jahren. Ein ähnliches Muster zeigt sich bei den häufigsten Krebstypen: der Altersmedian bei der Erstdiagnose bei Brustkrebs liegt bei 61y, bei Darmkrebs bei 68y, Lungenkrebs bei 70y und Prostatakrebs bei 66 Jahren.

Eine einfache Tatsache ist so offensichtlich wie logisch, dass mehr Menschen lange genug leben kann, um Krebs zu entwickeln, weil unser Erfolg bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten und anderen historischen Todesursachen wie Mangelernährung daran „schuld“ sind. Es ist völlig normal, dass DNA-Schäden in unseren Zellen mit dem Alter zunehmen, und solche Schäden können dazu führen, dass sich Krebs entwickelt.

Wir sind ebenfalls heute in der Lage, Krebserkrankungen genauer zu diagnostizieren, dank den Fortschritten in der Pathologie, bei den Screening- und Imaging-Methoden.

Ja, der Lebensstil, Diäten/Ernährung allgemein und andere Dinge wie z.B. Luftverschmutzung bergen Risiken an Krebs zu erkranken - Rauchen ist zum Beispiel die Ursache von fast einem Viertel aller Krebs-Todesfälle in Europa - aber das ist nicht das gleiche wie zu sagen, es ist eine von Menschen gemachte Krankheit. Es gibt viele natürliche Krebsursachen - zum Beispiel wird eine von sechs weltweiten Krebsarten durch Viren und Bakterien verursacht (HPV, Epstein-Barr-Virus, HBV, HCV, HIV, HTLV-1, KSHV, MCPyV, H.pylori uvm). Weitere natürliche Vertreter sind die Sonne (UV-Strahlung ist Hauptursache für Hautkrebs weltweit), Radon (ursächlich für 7-14% von Lungenkrebs), Aflatoxine usw.

2. Superfood gegen Krebs

Heidelbeeren, Himbeeren, Goji-Beeren, Rote Beete, Brokkoli, Knoblauch, grüner Tee ... die Liste geht fast endlos weiter. Trotz Tausender von Webseiten, die anderes behaupten, gibt es keine solche Sache wie ein "Superfood". Es wird als Marketing-Begriff verwendet, um Produkte zu verkaufen und hat keine wissenschaftliche Grundlage.

Das soll nicht heißen, dass man sich keine Gedanken über seine Ernährung machen sollte. Einige Lebensmittel sind deutlich gesünder als andere. Die Heidelbeere oder eine Tasse Grünen Tees ist sicher ein Teil einer gesunden, ausgeglichenen Ernährung. Bevorzugt Obst und Gemüse zu essen ist eine gute Idee, und eine bestimmte Reihe von verschiedenen Gemüsen ist bestimmt auch hilfreich, dennoch gibt es kein spezifisches Gemüse, das man wählen kann, das vor Krebs schützt. Das spielt keine Rolle.

Unsere Körper sind sehr komplex und Krebs ist es auch, demzufolge ist es eine große und teilweise gefährliche Vereinfachung zu sagen, dass jedes Essen, im Speziellen, einen großen Einfluss auf die Chancen Krebs zu entwickeln haben könnte oder nicht. Die Geschichte der "Helden" namens Anitoxidantien gegen die bösen freien Radikale kennen wir alle.

Die stetige Anhäufung von Beweisen über mehrere Jahrzehnte weist auf eine einfache, aber nicht sehr bemerkenswerte Tatsache hin, dass der beste Weg, um das Risiko von Krebs zu reduzieren eine Reihe von langfristigen, gesunden Verhaltensweisen wie nicht rauchen, aktiv bleiben, ein gesundes Körpergewicht und minimaler Konsum von Alkohol, ist. Wen es interessiert: Ab heute länger leben!

3. Entsäuern und Entschlacken

Einige Mythen über Krebs halten sich überraschend hartnäckig, trotz der Tatsache, dass sie jeglichem Gesetz der Biologie und Chemie widersprechen.

Eine solche Idee ist, dass übermäßig "saure" Diäten/Nährstoffzufuhr das Blut zu "sauer" machen, was das Krebsrisiko erhöhen kann. Die vorgeschlagene Antwort: Erhöhen Sie Ihre Aufnahme von gesünderen "alkalischen" Lebensmitteln wie grünes Gemüse und Obst (einschließlich, paradoxerweise Zitronen).

Das ist biologischer Unsinn. Korrekt, Krebszellen können nicht in einer übermäßig alkalischen Umgebung leben, aber auch keine der anderen Zellen im Körper.

Blut ist meist leicht alkalisch. Dies wird durch die Nieren in einem sehr engen und perfekt abgestimmten Bereich geregelt. Das kann nicht geändert werden, egal, wieviel Zeit und Essen man dafür aufwendet, jede zusätzliche Säure oder Base wird einfach im Urin ausgespült.

Um die richtige Balance innerhalb des Körpers zu erhalten, ändert sich der pH-Wert des Urins, je nachdem, was man gegessen hat. Dies kann durch die Prüfung des Urin pH-Wertes (Säure) nach dem Verzehr von verschiedenen Lebensmitteln gemessen werden und ist die Grundlage des Fehlschlusses, dass die Ernährung „den Körper alkalisch" machen kann. Aber das ist alles, was man ändert, und wer etwas anderes behauptet, versteht einfach nicht, wie der Körper funktioniert.

Konsumieren von viel grünem Gemüse ist sicherlich gesund, aber nicht wegen irgendeiner Wirkung auf Säuren oder wie alkalisch der Körper ist.

Es gibt so etwas wie Azidosen. Dies ist ein physiologisches Problem, das auftritt, wenn die Nieren und die Lungen nicht mehr gesund arbeiten um den Körper pH-Wert (ein Maß an Säure) im Gleichgewicht zu halten. Sie ist oft das Ergebnis einer schweren Krankheit oder Vergiftung und kann lebensbedrohlich sein und braucht dringende ärztliche Behandlung, aber dafür sind definitiv nicht übermäßig saure Diäten verantwortlich.

Man weiß, dass die unmittelbare Umgebung um Krebszellen (die Mikroumgebung) sauer werden kann. Dies ist auf Unterschiede in der Art und Weise, wie Tumoren Energie erzeugen und Sauerstoff im Vergleich zu gesundem Gewebe verwenden, zurückzuführen. Forscher arbeiten hart daran zu verstehen, wie dies genau geschieht, um effektivere Krebsbehandlungen zu entwickeln.

Es gibt keine guten Beweise, dass eine Diät den pH des ganzen Körpers manipulieren kann, oder dass es einen Einfluss auf Krebs hat.

4. Zucker füttert Krebszellen

Eine andere häufig aufkommende Idee ist, dass der Zucker anscheinend "Krebszellen" füttert, was zu dem Fehlschluss führt, dass er vollständig aus der Ernährung eines Patienten verbannt werden sollte.

Dies ist eine nicht hilfreiche Vereinfachung eines hochkomplexen Bereichs, den wir erst zu begreifen anfangen.

"Zucker" ist ein grober Überbegriff, der sich auf eine Reihe von Molekülen, einschließlich einfacher Zucker in Pflanzen, Glukose und Fructose, bezieht. Das weiße Zeug in der Schüssel auf dem Esstisch oder im Kaffee heißt Saccharose und wird aus Glukose und Fructose zusammengesetzt (ein zweifacher Zucker oder Disaccharid). Alle Zucker sind Kohlenhydrate - Moleküle aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff.

Kohlenhydrate - ob aus Kuchen oder Karotten - werden in unserem Verdauungssystem abgebaut, und am Ende als Glukose und Fructose freigesetzt. Diese werden in den Blutkreislauf aufgenommen, um Energie für uns zu schaffen, um zu leben.

Alle unsere Zellen, Krebs oder nicht, verwenden Glukose für Energie. Da Krebszellen in der Regel sehr schnell im Vergleich zu gesunden Zellen wachsen, haben sie eine besonders hohe Nachfrage nach diesem Treibstoff. Es gibt auch Hinweise darauf, dass sie Glukose verwenden und zusätzlich Energie auf andere Weise von gesunden Zellen produzieren.

Forscher arbeiten daran, die Unterschiede im Energieverbrauch bei Krebs im Vergleich zu gesunden Zellen zu verstehen und versuchen sie zu nutzen, um bessere Behandlungen zu entwickeln.

Aber all dies bedeutet nicht, dass Zucker aus Kuchen, Süßigkeiten und anderen zuckerhaltigen Speisen speziell Krebszellen füttert, im Gegensatz zu jeder anderen Art von Kohlehydrat. Unser Körper wählt nicht, welche Zellen welchen Kraftstoff erhalten. Er verarbeitet so ziemlich alle Kohlenhydrate, die wir essen, ob Glukose, Fructose oder andere einfache Zucker, und diese werden von Geweben aufgenommen, wenn sie Energie brauchen.

Obwohl es sehr vernünftig ist, zuckerhaltige Lebensmittel als Teil einer gesunden Ernährung zu begrenzen bzw. zu vermeiden, und so auf sein Gewicht zu achten, ist das weit davon entfernt, zu sagen, dass zuckerhaltige Nahrungsmittel spezifisch Krebszellen füttern.

Sowohl die "saure Diät" und "Zucker füttert Krebs" Mythen verzerren vernünftige Ernährungsberatung - natürlich sagt niemand, dass gesunde Ernährung keine Rolle spielt, wenn es um Krebs geht. Dafür gibt es mehr als genügend Studien.

Aber Ernährungsberatung muss auf ernährungsphysiologischer und wissenschaftlicher Basis beruhen. Wenn es darum geht, Diät-Tipps zur Verringerung des Krebs-Risikos zu erfinden, dann zeigt uns die Forschung, dass die gleiche langweilig gesunde Ernährung immer noch die beste ist. Obst, Gemüse, Nüsse, Ballaststoffe, weißes Fleisch und Fisch sind gut. Zu viel Fett, Salz, Zucker, rotes oder verarbeitetes Fleisch und Alkohol sind es weniger.

5. Krebs ist ein Pilz – und Natriumbicarbonat ist die Heilung

Diese "Theorie" stammt aus der nicht-aufmerksamen Beobachtung, dass "Krebs immer weiß" ist.

Ein offensichtliches Problem mit dieser Idee - abgesehen von der Tatsache, dass Krebszellen eindeutig nicht fungalen Ursprungs sind - ist, dass Krebs nicht immer weiß ist. Einige Tumoren sind es, aber viele auch nicht.

Sie können jeden Pathologen, Onkologen oder Chirurgen dazu fragen oder werfen Sie einen Blick auf die Google Bild-Suche (vielleicht nicht nach dem Mittagessen ...).

Die Befürworter dieser Theorie sagen, dass Krebs durch die Infektion durch den Pilz Candida verursacht wird, und dass der Körper durch Bildung von Tumoren versucht, sich vor dieser Infektion zu schützen.

Aber es gibt keinen Beweis dafür, dass dies wahr ist (und viele Beweise - zumindest bis 1902 zurückgehend - zeigen, dass Krebs von Fehlern in unsere eigenen Zellen ausgeht).

Darüber hinaus können viele fitte, gesunde Menschen mit Candida infiziert werden - er ist Teil der ganz normalen mikrobiologischen Vielfalt an Mikroben, die in, auf und von uns allen leben.

In der Regel hält unser Immunsystem Candida in Schach, aber Infektionen können sich in Menschen mit geschwächtem Immunsystem, wie HIV-positiven Patienten, ernster ausbreiten.

Die "einfache Lösung" scheint anscheinend Tumoren Backpulver (Natriumbicarbonat) zu injizieren. Diese Behandlung kommt nicht einmal zum Zug um bewährte Pilzinfektionen, geschweige denn Krebs, zu behandeln. Im Gegenteil, es gibt gute Hinweise darauf, dass hohe Dosen von Natriumbicarbonat zu ernsthaften - sogar tödlichen - Konsequenzen führen können.

Einige Studien deuten darauf hin, dass Natriumbicarbonat Krebs in Mäusen oder Zellen, die im Labor gezüchtet werden, durch Neutralisierung der Säure in der Mikroumgebung unterdrücken kann. Forscher in den USA starteten eine kleine klinische Studie, die untersucht, ob Natriumbicarbonat-Kapseln helfen können, Krebsschmerzen zu reduzieren und die maximale Dosis zu finden, die toleriert werden kann, anstatt zu testen, ob es irgendwelche Auswirkungen auf Tumoren hat.

Soweit bekannt, gab es keine veröffentlichten klinischen Studien über Natriumbicarbonat als Behandlung für Krebs. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass es nicht klar ist, ob es möglich ist, Dosen von Natriumbicarbonat zu geben, die eine Art von signifikanter Wirkung auf Krebs beim Menschen erreichen können, obwohl es etwas ist, was Forscher untersuchen.

Obwohl der Körper den Versuchen seinen pH-Wert zu ändern vehement widersteht, in der Regel durch die Beseitigung von Bicarbonat durch die Nieren, gibt es ein ernstes Risiko, wenn Dosen groß genug sind, eine lebensbedrohliche Alkalose auszulösen, wenn versucht wird den pH-Wert um einen Tumor dementsprechend zu beeinflussen. Eine Schätzung deutet darauf hin, dass eine Dosis von etwa 12 Gramm Backpulver pro Tag (bei einem 65 kg Erwachsenen) in der Lage wäre, dem sauren Milieu entgegenzuwirken, das von einem Tumor erzeugt wird, der etwa ein Kubikmillimeter groß ist. Dosen von mehr als 30 Gramm pro Tag würden höchstwahrscheinlich schwere gesundheitliche Probleme verursachen – das kann sich jeder selbst ausrechnen.

Das war der erste Teil...

Im zweiten Teil entzaubere ich weitere Mythen und die Verschwörungstheorie über die bösen Pharmakonzerne. Sind WLAN, Stromleitung und Handies Krebserregend? Hilft die Chemotherapie überhaupt? Gibt es das ultimative Heilmittel?

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