Zu meinem Eingangsthema „Impfung gegen Krebs?“ hier in der Rubrik Gesundheit möchte ich eine kleine Ergänzung anbringen, die für die Interessierten eventuell mehr Aufschluss über die schlimme und nicht selten tödliche Krankheit Krebs geben sollte. Es kam in den Kommentaren zu dem Punkt der Ursachenbekämpfung von Krebs.
Um den Begriff der Ursachenbekämpfung im Bezug auf das „Phänomen“ Krebs besser einordnen zu können, werde ich hier eine kurze Serie zu diesem Thema starten, damit der/die eine oder andere diesen Feind im eigenen Körper besser verstehen kann/wird.
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Jüngere statistische Auswertungen ergaben, dass Krebs für ein Viertel der Todesfälle in der Europäischen Union verantwortlich ist - (noch) knapp hinter den Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Viele Prognosen und statistische Modelle deuten aber darauf hin, dass in 10-20 Jahren Krebs auf dem ersten Rang sitzen könnte. Jeder Zweite erkrankt in seinem Leben an dieser Krankheit und somit hat nahezu jeder einen Bekannten oder Verwandten der von Krebs betroffen ist (trifft auch auf meinen engen Familienkreis zu). Krebs ist also ein gewaltiges medizinisches Problem, eine Bedrohung für die Gesellschaft und eine große Herausforderung für die Wissenschaft.
Doch was ist Krebs nun wirklich? Wie oben bereits erwähnt, Krebs ist der Feind im eigenen Körper, der aus einer irgendwann entarteten, also „bösartig“ gewordenen ganz normalen Zelle hervorgegangen ist, die sich Schritt für Schritt zu einem mit allen Wassern gewaschenen Terrorkommando, das gegen alle Abwehrmaßnahmen des Körpers gewappnet und dabei häufig tödlich ist, verwandelt hat.
Wenn man versteht, wie flexibel und scheinbar „genial” Tumoren, also Krebsgeschwulste, sich selbst und ihr unmittelbares zelluläres Umfeld organisieren und modifizieren, mit Nährstoffen und Ressourcen versorgen und, völlig abgekoppelt von den eigentlichen Aufgaben ihrer Ursprungszellen und der Notwendigkeit zur „Nützlichkeit” für den Organismus, ein Eigenleben und zugleich evolutives Wettrüsten mit dem restlichen Körper führen, sodass man sich immer wieder klar machen muss, dass kein böser, planender Geist dahinter steckt, der sie sich ausdenkt, dann kann mancher nicht umhin, zu empfinden, dass Krebs ziemlich unheimlich ist. Aber genau das macht Krebs auch irgendwie geheimnisvoll (und so merkwürdig das klingen mag) in einer Weise unheimlich faszinierend.
Ein Beispiel: eine besonders gefürchtete Eigenschaft fortgeschrittener Tumoren ist die Metastasenbildung. Die Tumoren, die in Kontakt mit größeren Blut- oder Lymphgefäßen gekommen sind, scheiden einzelne Tumorzellen ab, die im Strom von Blut oder Lymphe mitfließen und dann irgendwo anders im Körper „an Land gehen”, sich dort ansiedeln und eine Tochtergeschwulst, eine Metastase bilden. Es gibt aber inzwischen Erkenntnisse, denen zufolge Tumorzellen in diesen „Außenstellen” auch nur als Gäste verweilen können, um sich dort, fast wie in einem Trainingscamp, neue Fähigkeiten, die sie in ihrem Ursprungstumor nicht hatten erwerben können, anzueignen, um dann genau dorthin zurückzukehren und das neu „Erlernte” in dessen Dienst zu stellen. Ist das nicht zu gleichen Teilen großartig und gruselig?
Die Krebsforschung ist dabei ein klein wenig paradox: es wird ungeheurer Aufwand betrieben, um zu verstehen, wie die Tumorzellen „ticken”, und man entwickelt eine brennende Neugier darauf, zu verstehen was sie können und wo ihre Schwachstellen liegen, welchen „Charakter” ein Tumor hat, wo er herkommt und wo er „hin will”. Man grübelt ständig darüber, wie er bestimmte Dinge macht, wie er dieser oder jener Abwehrmaßnahme des Körpers entgeht und man versucht, sich Experimente auszudenken, mit denen man seine eigenen Hypothesen überprüfen und dem Tumor „in die Karten schauen” kann.
Kurz: man möchte ihn so gut und noch besser kennenlernen, als einen engen, lieben Freund, über den man fast alles weiß, dessen Geheimnisse, Eigenschaften, Fimmel und kleine Tricks man kennt und für den man schon nicht selten einen begonnenen Satz zu Ende sprechen konnte. Es gibt einige Krebsforscher, die über „ihren Tumor” tatsächlich wie über eine gut bekannte Person sprechen können und die im Gespräch mit anderen Forschern deren spezifische Eigenschaften fast wie beim Autoquartett vergleichen.
Und jetzt die Paradoxie: all dieses in Jahren angehäufte Wissen dient nicht der Pflege und Aufrechterhaltung einer langen Freundschaft, sondern der erbitterten Bekämpfung und letztlich Vernichtung dessen, was man so gut und innig kennt, getrieben vom Wunsch, ihm eines Tages nie wieder begegnen zu müssen. Irgendwie schon ein bisschen verrückt, oder?
Die Ursachen für Krebsentstehung sind zum großen Teil gut verstanden, obwohl noch Vieles im Dunkeln liegt. Krebs ist sowas wie ein böser, fieser und unsichtbarer Begleiter in unserem Leben, weil die Lebenserwartung der Menschen in Industrieländern permanent zunimmt und demnach das Risiko an Krebs zu erkranken von Jahr zu Jahr exponentiell ansteigt. Dagegen kann man (noch) nichts unternehmen, weil die Zelle während ihres natürlichen Lebenszyklus an Fitness verliert und das empfindliche Getriebe der Reparaturwerkzeuge einfach anfängt fehlerhaft zu arbeiten. In jeder Sekunde entsteht in unserem Körper eine Vorstufe zu Krebs, und in jeder Sekunde behebt unser Körper dieses Risiko, damit wir uns wohl fühlen können (je jünger die Zelle, desto effizienter die Reparatur und Wartung). Das ist einfach die Biologie und die Evolution, wie sie funktioniert und die ist auf Dauer nicht perfekt. Ursachenbekämpfung wäre schlicht und ergreifend ein gesunder Lebensstil, welcher die Entstehung von Krebs aber nicht kategorisch ausschließen kann (z.B. Prankreaskrebs, Gehirntumore oder Krebs bei Kindern). Und über gesunden Lebensstil gibt es hier und überall mehr als genügend Informationen. Es gibt noch viel zu lernen und viel zu verstehen und die Forschung ist auf dem richtigen Weg. =)
PS: möchte hiermit auch Cornelius Courts meinen Dank aussprechen, der mit der gleichen ansteckenden Faszination an dieses Thema herangeht. Einige Passagen aus diesem Text stammen von ihm.