Wer schon langsam genug von Flüchtlings- und Integrationsdebatten, Terror und Islam hat, dem biete ich hier einen kleinen astronomischen Exkurs.

Hollywood hat eine sehr lange Filmgeschichte über das mögliche Leben jenseits unserer Erde und unserer Vorstellungskraft geschrieben, und lässt uns oft über die Existenz komplexen Lebens irgendwo anders im Kosmos grübeln. Bis heute haben wir keine Daten, die darauf hindeuten könnten, dass „dort draußen“ komplexes Leben (wie wir es definieren) existiert. Es gibt unzählige Astronomen, Astrophysiker und Astrobiologen, die ebenso viele Theorien über die Prävalenz von extraterrestrischem, intelligentem Leben im Universum aufgestellt haben und sich pausenlos darüber den grübelnden Kopf zerbrechen. Jene Theorien unterscheiden sich natürlich sehr stark und haben viele grundverschiedene Ansätze. Wissenschaftler am SETI suchen z.B. schon seit mehr als 60 Jahren nach Spuren oder Beweisen von außerirdischem Leben. Sie fragen nicht, ob wir interstellare Nachbaren haben, sondern wann wir endlich von ihnen hören oder wir mit ihnen endlich Kontakt herstellen werden. Im krassen Gegensatz dazu gibt es einige Wissenschaftler, die ein Vorkommen von weit verbreiteten, einfachen Lebensformen im Universum nicht anzweifeln, aber eine Existenz von höherem, intelligentem Leben in Frage stellen oder die Wahrscheinlichkeit dafür als sehr gering einstufen. Im Jahr 2000 brachten zwei Astronomen mit einem Buch einen Stein ins Rollen: The Rare Earth Hypothesis – Warum komplexes Leben im Universum eher unwahrscheinlich ist. Sie analysierten alle bekannten Faktoren aus Biologie, Chemie, Physik, Geologie und Kosmologie bezogen auf die Entstehung von Leben wie wir es auf der Erde kennen, und kamen zu dem Schluss, dass die Erde eher die Ausnahme, als die Regel bildet. Klarerweise wird diese Theorie bis heute von Wissenschaftlern und Laien-Wissenschaftlern heftigst diskutiert, und sie zeigt uns dennoch einige Beispiele von Umständen, die es braucht/gebraucht hat, dass wir die einzige komplexe Lebensform sind/sein könnten.

Die Rare-Earth-Hypothese (REH) ist die Summe aus zwei Hypothesen: a.) die Hypothese, dass einfaches Leben im All weit verbreitet sein könnte (z.B. Bakterien). Dies wird auch durch die Tatsache unterstützt, dass auch auf der Erde extremophile Mikroorganismen existieren.

b.) die Hypothese, dass komplexes und somit intelligentes Leben äußerst selten vorkommt. Untermauert wird die REH von einigen Variablen, die für das Entstehen von komplexem Leben im Universum sprechen. Ihre Logik resultiert aus der Drake-Gleichung. Bei dem Versuch realistische Werte für die Variablen einzusetzen, muss man eine Vielfalt von Situationen und Zusammenhängen berücksichtigen. Das ist aber nur ein Teilgebiet davon, auf das sich die REH u.a. konzentriert, und würde einen eigenen Blog erfordern.

Wenn wir nach Leben suchen, das nach ähnlichen Regeln und Naturkonstanten wie hier auf der Erde entstanden ist, dann können wir davon ausgehen, dass sich komplexes Leben auch auf anderen Planeten genauso entwickelt hat. In der REH gibt es die Diskussion über die sog. Galaktische habitable Zone. Dies ist der Bereich innerhalb einer Spiralgalaxie (wie unsere Milchstraße), wo vermutet wird, dass die kosmischen Bedingungen für das Entstehen von Leben auf einem Planeten vorteilhaft sind. Nach der REH ist dieser Bereich recht klein. Innerhalb unserer Milchstraße steigt die Dichte der Sterne in Richtung Mitte stark an, sodass die Menge der dort emittierten Strahlung das Entstehen von Leben verhindern würde (wir kennen alle die Gefahr der Gamma-Strahlung bei Atomunfällen). Auf der anderen Seite, also weg vom Zentrum unsere Milchstraße, ist die Menge an Staub und Gas sehr gering und weit verteilt, sodass z.B. nicht genug „Metalle“ und andere schwere Schlüsselelemente anwesend sein könnten um einen Stern zu bilden, der auch einen erdähnlichen Begleiter haben könnte. Es gibt also einen sehr begrenzten Raum, wo sich Leben bilden könnte. Wie groß dieser Bereich ist, wird natürlich heiß diskutiert und weitere Ergebnisse werden diese Annahmen präzisieren.

Nasa.gov

Zusammen mit der galaktischen habitablen Zone fragt die REH nach einer geeigneten bewohnbaren Zone um einzelne Sterne. Habitable Zonen werden als Region um einen Stern definiert, wo Wasser auf der Oberfläche eines Planeten flüssig bleiben kann. Da flüssiges Wasser eine Notwendigkeit für alles Leben wie wir es kennen ist, erscheint es logisch anzunehmen, dass die habitable Zone durch die Existenz von u.a. flüssigem Wasser definiert ist. Wenn Sterne aus der Hauptreihe älter werden, werden sie auch größer und heller und emittieren mehr Strahlung, demzufolge ändert sich die Größe der habitablen Zone um einen Stern im Laufe der Zeit. Die REH besagt, dass eine vorübergehende habitable Zone für die Bildung und das Bestehen von komplexem Leben nachteilig bzw. schädlich wäre. Jedoch werden hier andere Faktoren wie Masse und Atmosphäre, die die Möglichkeit für flüssiges Wasser erhöhen, vernachlässigt.

Ein Stern muss auch noch einige andere Charakteristika aufweisen, dass überhaupt komplexes Leben auf einem herumkreisenden Planeten entstehen kann. Zum Beispiel ist es wichtig, dass der Stern die „passende“ Masse hat um eine ausreichend lange Lebensdauer zu gewährleisten, damit sich komplexes Leben entwickeln kann. Ein zu großer, massiver Stern würde eine zu hohe und damit schädliche Strahlung abgeben und sehr schnell ausbrennen, lange bevor überhaupt Leben eine Chance bekommen könnte. Darüber hinaus sollte seine Energieleistung konstant bleiben; würden große Energieschwankungen passieren, wäre es für entstehendes Leben auf einem nahen, jungen Planeten eine zusätzliche Hürde. Diese und viele andere Bedingungen schränken damit das Feld der in Frage kommenden Sterne signifikant ein.

Zusätzlich sind natürlich die Merkmale des Planeten selbst sehr wichtig um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass sich komplexes Leben entwickeln kann. Der Planet sollte groß genug sein, um eine gesunde Atmosphäre zu halten, um ein Klima zu regulieren, in dem das Leben vor schädlicher Strahlung geschützt werden kann. (z.B.: Ozon-Schicht der Erde). Planeten, die viel größer sind als die Erde, sind eher Gasplaneten, wie Jupiter oder Saturn in unserem Sonnensystem. Auf diesen Planeten ist die Wahrscheinlichkeit für Leben eher gering, weil es dort keine stabile Oberfläche gibt und der Atmosphärendruck bzw. die Temperaturen viel zu hoch sind. Diese Annahmen basieren auf der Menge der bis jetzt entdeckten erdähnlichen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems. In diesem Fall wird die REH dadurch etwas geschwächt, weil Kepler in den letzten Jahren schon Tausende dieser Exoplaneten entdeckt hat. Viele dieser Kandidaten mögen Leben entwickeln oder jedenfalls Grundvoraussetzungen bieten um dessen Entstehen zu fördern.

sciencenews.org

Ist gibt noch viele andere Faktoren die für die REH sprechen. Zum Beispiel spielt unser Mond eine entscheidende Rolle dabei, dass das Leben auf der Erde überhaupt entstehen konnte und bestehen bleibt. Er „bremst“ die Erdrotation, was eine ausreichende Photosynthese-Aktivität der Pflanzen bewirkt, stabilisiert die Erdachse, sodass sie nur etwa um 1-2% über einen langen Zeitraum schwankt und garantiert auch relativ geringe Temperaturschwankungen und mäßige Windgeschwindigkeiten auf der Oberfläche. Ca. 75% der Erde sind von Ozeanen bedeckt, die das Klima regulieren. Oder das Magnetfeld der Erde, bedingt durch ihren Eisenkern (so wird vermutet), das uns vor tödlichen Strahlen und Sonnenwinden schützt und noch dazu die Atmosphäre hält. Der große Bruder Jupiter schützt zusätzlich die Erde vor Kometen- bzw. Asteroideneinschlägen , indem er durch sein gewaltiges Gravitationsfeld die meisten Himmelskörper ablenkt bzw. abfängt. Ohne Jupiter wäre die Erde einer immensen Gefahr von häufigen Asteroideneinschlägen ausgesetzt.

All diese Faktoren legen die Vermutung nahe, dass die Erde und das auf ihr entstandene komplexe Leben einzigartig sein könnten und es wird argumentiert, dass diese Faktoren eher unwahrscheinlich nacheinander oder simultan im Universum noch einmal auftreten können. Aber natürlich ist das alles post hoc Argumentation, und bis heute ist nicht klar wie genau das komplexe Leben auf unserer Erde entstanden ist. Demnach birgt die REH einige Schwachstellen, sodass man sie mit Vorsicht genießen sollte.

Dennoch ist es ein sehr interessanter Gedanke: Ist die Erde einzigartig? Sind wir wirklich allein im Universum? Die Antworten darauf werden vermutlich noch sehr lange ungeklärt bleiben. Jedenfalls werden die Auswirkungen, sollte es jemals eine Antwort auf diese Fragen geben, immens sein.

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dohle

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Margaretha G

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Silvia Jelincic

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Spinnchen

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