Am Vorabend mit Cook

Bald ist es so weit. Morgen brechen wir auf, meine Frau Petra und ich. Wir werden drei Monate auf Reisen sein: im Südpazifik, in Australien, in Neuseeland.

Heute nehme ich noch einmal die Logbücher von James Cook zu Hand, lese darin und darf annehmen, dass die Reise für uns weitaus angenehmer sein wird. Die Erinnerung an Captain Cook ist naheliegend, hat er doch große Teile des Südpazifik entdeckt, Neuseeland sowie Australien betreten und verlässlich kartografiert. Er brach 1768 mit der Endeavour - einem flach gebauten ehemaligen Kohlenschiff - auf, hatte mehr als 90 Mann Besatzung an Bord und kehrte erst 1771 nach London zurück. Unsere Reise wird nahezu in keiner Hinsicht mit seiner zu vergleichen sind. Aber die Erinnerung an ihn lohnt sich.

James Cook war für seine Zeit ein außergewöhnlicher Mann. Geboren als Sohn eines Taglöhners, machte er eine nicht zu erwartende Karriere. Sein Führungsstil wird als eher ruhig und besonnen beschrieben. Seine intensive Beschäftigung mit Ernährung und dem gefürchteten Skorbut rettete vielen das Leben. Und er fühlte sich der Geisteshaltung der Aufklärung mehr verpflichtet als den religiösen Gewohnheiten seiner Zeit. Freilich warf seine Persönlichkeit auch Schatten, lange Schatten. So hisste er an allen entdeckten Küsten den Union Jack und nahm damit diese Länder für das British Empire in Besitz, obwohl er nicht einmal einen Auftrag dafür hatte. Dass er von der Bevölkerung Hawaiis zuerst für einen Gott gehalten, dann aber von ihnen erschlagen wurde, zeigt Licht und Schatten deutlich.

Aber seine Vorurteilsfreiheit machte ihn zu einem herausragenden Entdecker. Wie fremd und abartig Sitten und Gebräuche auch immer waren, Cook beschrieb sie mit großer Sorgfalt, vermied Wertungen und bemühte sich um Verständnis und Wertschätzung. Das sind keine selbstverständlichen Tugenden, auch zweieinhalb Jahrhunderte später nicht. Und ebenso wenig selbstverständlich ist die Haltung der Selbstkritik und des Zweifels an der eigenen Zivilisation, die - wie er an vielen Stellen seiner Logbüchern befürchtet - für die entdeckten Länder mehr Leid als Nutzen bringen wird.

Cook war Entdecker. Wir sind bloß Reisende. Aber sein offener Blick und sein Respekt sind gute Begleiter, gerade für Reisende. Tony Horwitz, einer seiner Biografen, schreibt resümierend über Cooks Logbücher: »Wenn es in seinen Logbüchern eine über allem liegende Botschaft gibt, so ist es die, dass sich alle Menschen auf der ganzen Welt im innersten Kern gleich sind - selbst wenn sie ihre Feinde verspeisen, sich in der Öffentlichkeit lieben, Götzenbilder anbeten oder, wie die Aborigines, nicht das geringste Interesse an materiellen Gütern haben. Ganz gleich, wie fremdartig eine andere Gesellschaft auf den ersten Blick erschienen sein mag, es gab praktisch immer eine Basis für gegenseitiges Verständnis und Respekt.«

3
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:14

irmi

irmi bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:14

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:14

3 Kommentare

Mehr von Andreas Rinofner