Wie kann man es erklären? Wie kann man das Segeln erklären, das enge Leben an Bord? Wie kann man erzählen, dass nichts schöner ist? Mag sein, dass jedes x-beliebige Hotelzimmer geräumiger und komfortabler ist als ein Boot, in dem man sich dauernd den Kopf anschlägt - an der Kabinendecke, am Türrahmen, an der Sprayhood. Und doch ist nichts schöner. Es ist, als wäre man nicht auf der Welt. Ohne einen Fuß an Land, verliert man die Welt hinter dem Heck - leise und langsam im Dunst verschwimmender Bedeutsamkeiten. Wenn man morgens aufwacht und Sorgen hat, dann sind es eigene, nicht die Sorgen der Welt.
Der Tag beginnt meist früher als man möchte. Es ist noch lange nicht hell und die Ankerkette schnarrt laut. Das Boot dreht im Nachtwind. Ich schrecke kurz auf, strecke mich zur kleinen Kabinenluke: frische Nachtluft, Sterne hinter Wolkenschleiern. Das Boot ist noch an derselben Position. Petra schläft vertrauensvoll. Ich sinke zurück in den schmalen Polster und schlafe auch wieder ein - jedenfalls halb. Erstes Licht, sanfte Sonnenstrahlen. Der Morgen beginnt mit einem kurzen, aber herzlichen Dank dafür, dass der Anker die ganze Nacht gehalten hat. Das Boot liegt ruhig. Ein erster Sprung ins morgenfrische Wasser. Während ich um den Bug schwimme, sehe ich Petra an Deck kommen. Sie springt auch. Mag sein, dass ein Frühstück im Hotel oder Zuhause vielfältiger ist als an Bord. Aber nichts ist so wundervoll wie das Brot, der Tee und die Früchte, die wir an Deck tragen, oder die Spiegeleier, die wir nahe am Wasser braten, während die kleinen Wellen mit dem ersten Tageslicht spielen.
Wir heben den Anker und verlassen die Abdeckung der Bucht. Wind. Wir spüren die Kraft im Segel, den Zug und die Lage des Bootes. Manchmal ist das Meer bleiern, grau und beängstigend. Gischt weht über den Bug. Feiner Regen sticht ins Gesicht - kälter als erwartet. Mag sein, dass man sich jetzt einen Kaffee auf einer ruhigen Hotelterrasse wünscht. Aber doch ist nichts schöner. Denn man weiß, wie glanzvoll das Wasser sein kann, wie vertraut, sanft und liebevoll. Wir spüren die harten Schläge des Bootes in den Knien, gewöhnen uns an sie und bewegen uns mit den Wellen. Wir vertrauen dem Wasser und dem Boot. Wir vertrauen darauf, dass die Wolkendecke aufbricht, die Sonne durchscheint und das Wasser ruhiger wird.
Es dämmert. Die Nacht kommt früh. Mag sein, dass ein Menü im Restaurant raffinierter und umfangreicher ist als an Bord. Aber nichts schmeckt besser als eine Schüssel Pasta, die wir nach dem Ankern unter Deck kochen. Das Boot schaukelt in den langen Wellen der weit geöffneten Bucht. Wir halten die Weingläser fest und stoßen an: auf den Tag, auf die Nacht, auf den Anker, der uns bis zum Morgen halten wird. Wie kann man das alles erklären - das Segeln, das wohlige Versinken der Welt? Mir fällt ein Gedicht von Ingeborg Bachmann ein. Erklärungen werden da gesucht - für Unerklärbares. Dann heißt es aber: "... Erklär mir nichts. Ich seh den Salamander/durch jedes Feuer gehen/Kein Schauer jagd ihn, und es schmerzt ihn nichts." - Der Anker hält.