Andreas Rinofner
Die Wärme des Nordens tut gut. Nachdem wir in Paihia angekommen sind, bewegen wir uns nicht mehr. Nur den kurzen Spaziergang zu den Treaty Grounds unternehmen wir. Dort haben Briten und Maori 1840 den Vertrag von Waitangi unterzeichnet - die erste Verfassung Neuseelands. Ob Übersetzungsfehler bewusst eingesetzt wurden oder unbewusst entstanden sind, läßt sich heute kaum mehr klären. Jedenfalls hatten sie zahlreiche Mißverständnisse, Spannungen und Auseinandersetzungen zur Folge. Dennoch ist dieser Vertrag bis heute Grundlage für ein mittlerweile wertschätzendes Zusammenleben in einem neuen, gemeinsamen Staat.
Andreas Rinofner
Uns gibt Waitangi ein paar Tage Ruhe nach einer langen Reise. Und ein breites Bett - eine Wohltat nach einem Monat im Campervan! Knapp 9.000 Kilometer im Auto liegen hinter uns. Mehr als 1.000 legten wir auf dem Wasser zurück, 32.000 waren wir in der Luft. Gut 20.000 Flugkilometer Heimweg haben wir noch vor uns. Oft geht uns dieser Tage der Gedanke an ein Resümee durch den Kopf. Aber wir sehen immer wieder die Gefahr einer bloßen Aufzählung, die so belanglos ist wie das Inhaltsverzeichnis eines Reiseführers. Was bleibt von einer Reise? Erlebnisse? Bilder? Gerüche? Ablenkung? Nachdenklichkeit?
Andreas Rinofner
Das Reisen führt in ein bemerkenswertes Gefühl von Zeitlosigkeit. Wann sind wir zu Hause aufgebrochen? Ist das schon lange her? Oder erst zwei Wochen? Wann waren wir auf Fiji, wann in Sydney und Melbourne? Haben wir die Yasawas vergangenes Jahr besucht - auf einer ganz anderen Reise? Dabei kennen wir die Zeitabstände genau. Wir sind 79 Tage unterwegs, einen Tag weniger als Jule Vernes Mr. Fogg. Doch die Zeit hat kein fühlbares Maß. Sie ist erinnerbar in Erlebnissen, in Farben und Gerüchen, in den kühlen Winden am Meer und in den ersten Sonnenstrahlen an einem frühen Morgen in den Bergen - nicht aber in Abständen. Zeitabstände tragen keine Erinnerung.
Andreas Rinofner
Vertrautes und Fremdes verschwimmen ebenso wie die Zeit. Jeder Ort kann Heimat sein. Aber jeder Ort bleibt auch fremd und rätselhaft - auch die Stadt, in der wir leben. Auf Reisen spürt man das stärker als sonst, und es verändert die eigene Haltung - zum Fremden, zur Heimat, zum Leben. Auch wenn zu Hause jeder Stein auf dem anderen geblieben ist (trotz der Wahl nach unserer Abreise), wird Wien für uns anders sein. Wien ist Heimat, aber auch fremd. Und wenn das Unterwegssein eine Lebenshaltung ist, dann reist man nicht nur nach Hause, dann reist man auch zu Hause - durch bekannte und rätselhafte Gassen. - Morgen geht unser Flug - zurück nach Europa, zurück nach Wien. Eine Reise endet. Die Heimreise beginnt. Das Reisen geht weiter.
Andreas Rinofner
Andreas Rinofner
Andreas Rinofner
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