An manchen Tagen geschieht nichts. Ruhige Tage auf einem Schiff, das langsam durch die Mamanucas fährt. Inseln tauchen aus dem Nebel auf, ziehen vorbei und verschwinden in der untergehenden Sonne. Das Boot schwankt mit uns in der Dünung der See. Sonst passiert nichts. Nichts, was uns ablenken würde. Wovon eigentlich? Vom Reisen? Von uns selbst? Für einige Augenblicke bleibt die Frage: Was tut man eigentlich, wenn man reist? Lenken wir uns ab? Suchen wir etwas? Entdecken wir es? Oder etwas anderes? Was tun wir hier? Noch bemerkenswerter ist aber die Frage: Was tun man, wenn man von zu Hause aufbricht? Was geschieht im Augenblick des Entschlusses? Was, wenn man die Tür hinter sich schließt
Bekommt man durch Reisen ein neues Bild von einer Welt, in der nichts unentdeckt geblieben ist, in der bereits alles gepostet, geteilt und auf YouTube hochgeladen wurde? Kommt man mit Google nicht schneller voran als mit einem Flugzeug, einem Schiff oder einem Zug? Ja, das tut man. Und wenn man unter Reisen, den Besuch von Sehenswürdigkeiten, das Abhaken gelisteter Highlights und empfohlener Folklore versteht, dann ist Google vermutlich die beppssere Wahl: schneller, billiger, informativer. Aber das hat man nicht im Sinn, wenn man zu Hause die Tür schließt. Und wenn man wieder heimkommt, dann sind es nicht die wenigen Muscheln, das Häufchen Sand oder die paar Speicherkarten mit Fotos im Gepäck, die die Reise ausmachen. Es sind nicht einmal die Erlebnisse. Es ist der Umstand, dass man - ein klein wenig zumindest - durch die Reise ein anderer Mensch geworden ist.
Gut möglich, dass man auf Reisen weniger über die Welt lernt als über sich selbst. Der Reisende ist dünnhäutiger, verletzlicher und offener. Er ist mehr als andere auf das Fremde angewiesen und nicht nur an ihm interessiert. Das Fremde ist für ihn keine Folklore, kein Panoptikum. Es ist ein Lebensraum, in dem er sich bewegen will. Und es braucht nur einen Wimpernschlag, um zu begreifen, dass in der Fremde nicht das Fremde fremd ist, sondern er selbst. Die Heimat ist in diesem Augenblick am anderen Ende der Welt. Und die Erinnerung daran bleibt, auch wenn er wieder zu Hause ist. Vertrautes und Fremdes verschwimmen. Das ist es, was eine Reise ausmacht. Der Reisende verliert ein Stück Heimat und gewinnt ein Stück Welt.
Weit muss eine Reise nicht sein. Ein Gespräch mit der einheimischen Nachbarin im Stiegenhaus kann ebenso fremd und befremdlich sein wie ein Spaziergang durch Floridsdorf oder ein Abendessen in Hernals oder Grinzing. Die Entfernung macht eine Reise ebenso wenig aus wie eine Handvoll Sand vom anderen Ende der Welt. Eine halbe Stunde im D-Wagen durch Wien kann mich weiter forttragen als ein 20-stündiger Flug. Ich denke einmal mehr an James Cook. Als Sohn eines Tagelöhners in der britischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts waren für ihn praktisch alle Türen verschlossen. Er wurde Kaufmannslehrling, Matrose und widmete sich autodidaktisch der Navigation. Er steuerte Kohleschiffe und wurde letztendlich Commander der wichtigsten Entdeckungsfahrten der Royal Society. Gut möglich, dass seine Reise durch die Katarakte der britischen Gesellschaft weiter war als alle drei Südseefahrten zusammen.