Andreas Rinofner
Am Morgen lässt der Wind nach, und er lässt bleigraue Wolken über Wellington liegen. Wir brechen auf. Der Tag lichtet sich langsam, während wir den Hafen entlangfahren. Regen, Sonne und Wein begleiten uns Richtung Norden. Genau genommen: Riesling, Merlot und Chardonnay. Manchmal wärmt die Sonne. Immer kühlt der Wind. An einem Morgen in Napier treffe ich unseren Nachbarn aus dem Wohnwagen beim Zähneputzen. Von der regnerischen Westküste sei er, erzählt er. Aber seine Urlaube verbringe er immer hier im Osten, weil es da eben viel wärmer und sonniger sei. Wir schauen beide durch die Oberlichte in den Nieselregen hinaus. Es hat 12 Grad. Und ich kann keine Ironie in seinem Tonfall erkennen.
Andreas Rinofner
Weiter Richtung Norden. In Gisborne entscheiden wir uns für den Pacific Coast Highway, rund um das ganze East Cape. Der "Lonely Planet" verspricht eine einsame Gegend. Der Highway hält Wort. Kaum ein Haus. Geschäfte sind verwaist, Cafes geschlossen. Nur Wald und tiefe Buchten. In Tolaga Bay stoßen wir plötzlich auf ein offenes Cafe - und eine Bäckerei. 700 Menschen leben hier. Und sie betreiben einen eigenen Radiosender. Wir stellen uns mit dem Wohnmobil vor das Sendegebäude, betrachten die alten Radios in der Auslage und empfangen tatsächlich UAWA FM - dank einer kleinen Antenne gleich gegenüber. Das Programm kann in einem Radius von gut 100 Metern empfangen werden. Das genügt, um alle Bewohner mit Country Music, Dorfnachrichten und den neuesten Angeboten der Bäckerei zu versorgen. Wir fahren weiter. Nach dem Ortsschild reißt der Empfang ab. Das Sendermotto "Keeping it Coastie, Keeping it Real!" bleibt rätselhaft.
Andreas Rinofner
Die Kirche 100 Kilometer weiter in Tikitiki sei einzigartig, heißt es. Tatsächlich, es handelt sich um eine christliche Maori-Kirche mit wundervollen Schnitzereien. Mag sein, dass das einzigartig ist. Wir finden die Kirche einfach freundlich. Nicht nur weil schmutzige Schuhe draußen bleiben müssen - für ramponierte Seelen gibt es keine entsprechende Anweisung -, sondern weil es für jeden Besucher einen bunten Sitzpolster gibt. Und das ist eine wahrhaft menschenfreundliche Geste - weitaus freundlicher als jene kalten und harten Pritschen, auf denen wir bei Mitternachtsmetten unsere Kinderärsche abgefroren haben. - Es war ein langer Tag. Wir erreichen Opotiki. Die Managerin des Campingplatzes erwartet uns an der Einfahrt. Der Wind ist kühl. Es fröstelt uns. Dann der gewohnte Gesprächsbeginn: "How are you?" "I'm good and you?" "Oh my god, it's a hot day, but I'm good." Wieder entdecken wir keine Ironie im Tonfall. Aber langsam lernen wir, wie kühl in Neuseeland ein heißer Tag sein darf.
Andreas Rinofner
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