»Wählt blau, Genossen, und rettet das Land!« Zugegeben, das sind Nachtgedanken - düstere, bittere. Vielleicht ist es auch ein Albtraum, denn bekanntlich gebiert der Schlaf der Vernunft Ungeheuer. Aber bemühen wir dennoch unsere Vorstellungskraft.
Stellen wir uns also vor, die Wiener SPÖ verliert die kommende Wahl. Stellen wir uns außerdem vor, Herr Strache wird mit sattem Vorsprung Wiener Bürgermeister und die FPÖ regiert Wien. Sie dominiert den Gemeinderat, bildet den Stadtsenat uns sitzt an allen Schaltstellen der Macht. Stellen wir uns das alles einmal vor. Und stellen wir uns weiter vor, all das geschieht mit Absicht. Nicht so sehr von Seiten der FPÖ, sondern von Seiten ihrer Gegner, allen voran von Seiten der SPÖ.
Was wird geschehen? Die Jahre ziehen ins Land: 2016, 2017 ... Die Routineabläufe der Stadt werden weiterhin funktionieren, jedenfalls dort, wo es der rote Verwaltungsapparat zulässt. Da und dort wird es vielleicht Pannen geben, die für die Menschen ärgerlich sind und obendrein die Zweifel nähren, ob die Stadt nun tatsächlich gut verwaltet ist.
Das internationale Ansehen der Stadt geht zurück. Künstler und Kulturschaffende beginnen, einen Bogen um die Stadt zu machen. Internationale Wissenschaftler bleiben aus, und es wird schwieriger, sich an renommierten Projekten zu beteiligen. Die Wirtschaftsdaten zeigen nach unten. Große Unternehmenszentralen überlegen, Wien zu verlassen, da es zunehmend mühsamer wird, ausländische Arbeitskräfte in die Stadt zu holen. Es gibt bessere Plätze in Europa, um Karriere zu machen, Kontakte zu knüpfen und ein vielfältiges Leben zu führen.
Die Arbeitsmarktsituation wird immer angespannter. Ob die Kriminalitätsrate in Wien gleich geblieben oder gestiegen ist, darüber gibt es Streit mit dem Innenministerium. Die Flüchtlingsfrage ist nach wie vor ungelöst und durch die restriktive Haltung Wiens in den restlichen Bundesländern eskaliert. Der zunehmenden Obdachlosigkeit begegnet man mit systematischen Polizeieinsätzen und aufgrund der reduzierten Betreuungseinrichtungen steigt die Drogenkriminalität. Die U-Bahn fährt aber wie gewohnt. Die Müllabfuhr auch.
Wien ist zu einer großen Bühne geworden. Die ganze Stadt sieht den neuen Rathaus-Herren zu. Alle anderen Bundesländer auch, jedenfalls von Zeit zu Zeit. Ein bekanntes, aber neu bearbeitetes Stück wird aufgeführt: Das FPÖ-Personal verschafft sich gegenseitig Ämter, hievt sich in Machtpositionen und verteilt großzügig lukrative Positionen an die eigenen Leut´. Da sie ihr kultiviertes Facebook-Verhalten in den Politik-Alltag mitgenommen haben, wird der Umgang untereinander immer rauer und aggressiver, je näher sie den großen, aber eben doch beschränkten Futtertrögen der Stadtverwaltung kommen. Immer öfter geschieht es, dass ein Blauer mit blauen Augen den blauen Ring im Rathaus verlassen muss. Stadträte werden über Nacht hinausgeworfen, andere ernannt und dann bald wieder abgesetzt. In den Unternehmen der Stadt zeigt sich eine ähnliche Dynamik.
Es wird Sommer. Wir schreiben das Jahr 2018. Die Lügen der FPÖ sind als solche entlarvt, die Inkompetenz enttarnt, die Ahnungslosigkeit und Skrupellosigkeit unter Beweis gestellt. Das Publikum wendet sich ab, rauft sich die Haare oder verfolgt in Schockstarre das Bühnengeschehen. Die Umfragewerte der FPÖ haben sich mittlerweile bei 10 - 12% eingependelt. Das sind keine günstigen Voraussetzung für den beginnenden Nationalrats-Wahlkampf. Wer wird überhaupt Spitzenkandidat der FPÖ sein? Der Wiener Bürgermeister, der alle Hände voll zu tun hat seine Bande zu bändigen? Auf Bundesebene wird die blaue Truppe nun höchtens unter »ferner liefen« ins Ziel kommen. Österreich kann aufatmen. Wien hat das Land gerettet.
All das eine schreckliche Vorstellung? Aber was ist die Alternative? Die FPÖ landet bei der kommenden Wien-Wahl knapp hinter der SPÖ auf Platz 2 und hetzt drei Jahre lang eine »Rot & Co Koalition« vor sich her, ehe sie 2018 den Bundeskanzler stellt. Ist ein Opfer auf Zeit da nicht die bessere Wahl? Denn zwei Jahre später ist es ja auch für Wien so weit. Wien darf wieder wählen. Und Michi Häupls Nachfolger kann dann seinen Wienern zurufen: »So an Bledsinn mochts ma oba nimma!«