No worries - Australien

Kings Canyon. Unsere letzte Tour in Australien, bevor es geradewegs nach Christchurch in Neuseeland geht. Wir brechen im Dunkeln in Yulara mit dem Bus auf. Hunderte Kilometer kein Haus, kein Auto, das uns entgegenkommt. Nur gähnendes Land in der beginnenden Hitze des Tages. 40 Grad werden erwartet. Das ist etwas weniger als in den letzten Tagen, berichtet der Fahrer. Vereinzelt sehen wir wilde Kamele, Pferde und Dingos, die tote Kängurus von der Straße zerren. Der Kings Canyon erzählt von Wind und Erosion, und er erzählt vom Meer, das vor mehreren hundert Millionen Jahren hier über der Wüste lag.

Beinahe einen Monat sind wir durch Australien gefahren, gesegelt und gegangen. Eindrücke von einem Land sind immer zufällig, sie sind nie die ganze Wahrheit. Sie sind abhängig davon, wo man gerade stehen bleibt, wo man verweilt, in welche Richtung man schaut und in welches Gespräch man sich verwickeln lässt. Vieles muss sich nun erst setzen - im Kopf, im Bauch, im Herzen - und zu Geschichten formen. Eines läßt sich nach vielen Erfahrungen anderswo aber flink und leichtsinnig sagen: Australien ist ein außergewöhnlich freundliches Land. Man wird schnell angesprochen - im Cafe, am Flughafen, im Bus. Die Menschen sind offen, interessiert und erzählen rasch über sich. Ich denke zurück an das erste Erlebnis - am Immigration Desk im Flughafen von Sydney. Als der Beamte der Border Force unsere Pässe sieht, wechselt er in ein langsames und behäbiges Deutsch mit starkem Akzent: "Ich wünsche ihnen beiden eine schöne Zeit bei uns in Australien." Sein Wunsch wurde erfüllt.

Ebenso schnell wie man die Freundlichkeit wahrnimmt, erkennt man die Regelfülle Australiens. Man will alle möglichen Risken ausschalten. Und dafür steht ein großes Arsenal an Regeln und Vorsichtsmaßnahmen zur Verfügung. So gibt es beispielsweise beim Segeln kein Ankern für die Nacht, ohne dass man bereits um 16 Uhr per Funk seine Anker-Position bekannt gibt. Am nächsten Morgen kommt ein Funkweckruf und man wird nach den Plänen für den Tag befragt. Gut, wenn man welche hat. Eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf der Straße wird nicht einfach durch ein Verkehrsschild angezeigt - beispielsweise mit der Zahl 80. Bereits einige hundert Meter davor weist eine Tafel darauf hin, dass nun bald die Geschwindigkeit auf 80 reduziert werden wird. Insbesondere an der Ostküste gibt es es eine Art Straßen-Trivial-Pursuit: Riesige Schilder am Straßenrand stellen eine Frage, die 500 Meter später beantwortet wird. Wieder etwas später fordert ein Schild zum Mitmachen auf. Denn so bliebe man wach und am Leben, heißt es. Und im Outback gibt es praktisch keine Situation, in der man nicht darauf hingewiesen wird, dass mindesten ein Liter Wasser pro Stunde getrunken werden soll. Guides sehen es gerne, wenn man seine Wasservorräte aus der Tasche holt und gut sichtbar in die Höhe hält. Und so weiter und so fort.

Den Australiern ist diese Eigenart bewusst: "That's our Nanny State", seufzen sie augenzwinkernd. Und weil es nicht immer gelingt, alle Regeln einzuhalten - weil man eben nicht immer einen Plan für den nächsten Tag hat, oder weil man mit irgendetwas einfach zu spät dran ist - gibt es bei Versäumnissen oder Schwierigkeiten eine ebenso regelgemäße Reaktion: "No worries!" Und das beschreibt die Menschen in Australien vielleicht am besten.

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irmi

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Silvia Jelincic

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fischundfleisch

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