Schafe, Pinguine und Gras aus Wales - Neuseeland

Nur Schottland ist schottischer. Als die ersten Siedler hier in Otago eine Stadt gründeten, nahmen sie sich ein Vorbild an ihrer Heimatstadt. Ein "Edinburgh des Südens" sollte entstehen. Und so nannten sie die Stadt Dunedin, abgeleitet vom schottisch-gälischen Namen für Edinburgh. Dann rodeten sie die Umgebung, stellten die mitgebrachten Schafe in das frei gewordenen Land und warteten auf deren Vermehrung - vergeblich. Das neuseeländische Gras war zu wenig nahrhaft, weshalb die schottischen Farmer Grassamen aus Wales importierten, erzählt Warren, ein Wildhüter, während er uns auf die Otago Peninsula hinausfährt. Die Schafe gediehen daraufhin prächtig, und aus den neuseeländischen Wäldern wurden nach und nach walisische Hügel.

Neuseeland verlor auf diese Weise drei Viertel seiner ursprünglichen Wälder. Der heutige Waldbestand stammt größtenteils aus den USA und Kanada - umgeben von den Wiesen aus Wales. Ähnlich erging es der Tierwelt - vor allem den flugunfähigen Vögeln. Diese mussten über Jahrtausende vor niemandem fliehen, weshalb sie niemals fliegen lernten. Als vor rund 1.000 Jahren Südsee-Bewohner mit ihren Kanus landeten, war es für Flugübungen zu spät. Die Maoris - wie sie sich selbst nannten - verspeisten die größten und nahrhaftesten Vögel fast zur Gänze. Den Rest vernichteten Hund und Katz' der Europäer. Noch heute werden 95% aller Kiwis - der Nationalvogel Neuseelands - von wilden Hunden, Katzen und Possums, kurz nachdem sie geschlüpft sind, gefressen. Die Neuseeländer kämpfen heute verzweifelt darum, den Kiwi zu retten.

Geblieben sind Seelöwen und Robben, Gelbaugen-Pinguine und die erstaunlichen Königsalbatrosse mit einer Flügelspannweite von drei Metern. Sie brauchen ein ganzes Jahr, um ihre Flugfähigkeit auszubilden, probieren es in dieser Zeit aber kein einziges Mal aus. Wenn sie das erste Mal abheben, geht ihre Reise sofort nach Chile - in einem zehntägigen, ununterbrochenen Flug. Danach kreisen sie - fast ohne jemals zu landen - mehrere Jahre über dem Ozean, ehe sie nach Dunedin zurückkehren, sich verlieben und auf der Halbinsel vor der Stadt brüten. Vieles vom ursprünglichen Neuseeland verschwand, manches ist geblieben. Und so spazieren heute Pinguine gemeinsam mit Schafen über Wiesen aus Wales.

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