Der Tag beginnt britisch, mit Regen und einer Autofahrt auf der "falschen" Seite. Rund um die halbe Insel. Mit dem letzten Tageslicht kommen wir nach Viseisei. Hier liegt der sogenannte Vuda Point, an dem der Legende nach die ersten Fidschianer dieses Land betreten haben. Das war vor mehr als 3000 Jahren. Melanesier waren mit hochseetauglichen Auslegerkanus aufgebrochen, hatten die Insel Viti Levu entdeckt und zu ihrem Lebensraum gemacht. Von hier aus besiedelten sie die übrige Inselgruppe. Weiter im Süden auf Tonga nannte man die Insel Fisi. Im Mund der Engländer wurde daraus Fiji. Und in der alten Welt blieb das der Name für die damals noch einsamen Inseln in der Südsee.
Viseisei ist für hiesige Verhältnisse ein großes Dorf. Mehr als 1000 Menschen leben hier, und es liegt direkt am Meer. Wege und Straßen gibt es kaum. Die Häuser stehen frei auf dem Rasen, ohne Zaun, ohne Grenzen zueinander. Gibt es hier einen öffentlichen Weg? Wo beginnen die privaten Grundstücke? Wir können es nicht erkennen und zögern. Noch nie hatten wir das Gefühl, in ein Dorf tatsächlich einzutreten - geradeso als würde man ein Haus betreten. "Can I help you?" Lächelnd kommt ein älterer Mann auf uns zu. Er heißt Viliame, sagt er, und wenn wir wollen, geht er mit uns durch das Dorf. Ganz wie ein Hausherr, denke ich mir, der Gäste durch seine Räumlichkeiten führt.
Viliame erzählt uns die Jahrtausende alte Geschichte des Vuda Points. Und er erzählt uns, dass sein Dorf das erste war, das auf den Fijis mit dem Christentum in Berührung kam. Alle im Dorf seien heute Methodisten, dank der Missionare der London Missionary Society, die 1826 nach Fiji gekommen waren. Viliame ist stolz, sehr stolz auf das, worauf wir Europäer nicht ausschließlich stolz sein sollten - auch wenn seine Geschichte den historischen Fakten nicht ganz standhält. Denn die ersten Missionare kamen erst 1830 nach Fiji, und auch die Bekehrung hatte sich vermutlich anders zugetragen. Doch das ist an dieser Stelle nicht von Bedeutung. Bedeutsam sind nicht Fakten, sondern nur, welche Geschichte geglaubt und erzählt wird. Und Viliame erzählt, dass ihr damaliger Häuptling von den Engländern einen Mantel, einen Regenschirm und eine Bibel geschenkt bekam. Als er dann starb, riss man die Knöpfe aus dem Mantel und bewahrte sie in der Kirche auf. Da liegen sie noch heute. Viliame ist stolz auf diese Knöpfe, und sie gelten ihm als Beweis. Denn jeden, der behauptet, ein anderes Dorf sei früher zum Christentum konvertiert, fragt er: "Habt ihr Knöpfe von den Engländern?" Nein, die haben sie nicht. Und damit ist die Diskussion beendet.
Das Dorf besteht bis zum heutigen Tag aus zwei Stämmen, erzählt Viliame weiter. Sie würden vertraut und gesellig miteinander leben und auch untereinander heiraten. Dennoch haben sie unterschiedliche Aufgaben, auch heute noch. Während die einen den Häuptling ernennen, stellen die anderen die Krieger. Wie die Krieger heute eingesetzt werden, berichtet Viliame nicht. Nur, dass die Jungend am liebsten Rugby spielt. Und er erzählt, dass sein Dorf nicht nur wegen des Vuda Points berühmt sei. Mehrere Minister und sogar ein Premierminister würden aus diesem Dorf stammen. Ein Denkmal gibt es am Vuda Point nicht. Ein Steinwurf weiter im Norden liegt ein Ölhafen, eine kleine Marina und ein Urlaubsresort. Hier im Dorf flattert nur die Wäsche im Abendwind. - Es ist dunkel geworden, der Regen hat jetzt aufgehört. Am Heimweg öffnet sich der Himmel und glüht.