Was kann man über eine Stadt am anderen Ende der Welt sagen? Über eine Stadt, in der wir gerade einmal drei Tage sind? Über deren glanzvolle Oberfläche wir unsere Hand bloß kurz gleiten lassen? Oh ja, Sydney ist groß und großartig. Das sagt fast jeder. Und man darf dem auch glauben, wenn man von ganz weit oben - nachdem man beispielsweise über die Stahlbögen der Hafenbrücke geklettert ist - den Blick über den riesigen natürlichen Hafen schweifen läßt. Und man spürt es auch, wenn man mittendrin ist, wenn man mit der Fähre nach Manly hinüberfährt, vorbei an Harbour Bridge, Opera House und zahllosen Segelbooten, die den Port Jackson füllen - geradeso als gäbe es in Sydney jeden Tag eine Regatta.
Was kann man sonst noch sagen, nach so kurzer Zeit, nach so wenigen Augenblicken? Dass Sydney trotz seiner Größe und der beinahe fünf Millionen Einwohner ruhig und gelassen wirkt - auch an einem Montagmorgen? Dass die Möwen agressiver sind, weil mindestens sieben von ihnen einer Asiatin am Nebentisch den Burger zerlegen, während sie aufspringt und davonläuft? Dass sich Sydney mehr als andere Städte vor Ebola fürchtet und am Flughafen alle zehn Meter ein Schild darauf hinweist, dass Ebola dafür verantwortlich sein kann, wenn einem gerade unwohl ist? Nach 20 Begegnungen mit einem sich übergebenden Piktogramm wird mir tatsächlich übel.
Jedenfalls fällt auf, dass - wie überall - die Häuser der Banken in der ersten Reihe am Meer stehen. Ob sie das verdient haben, möge in diesem Doppelsinn offen bleiben. Als Sydney noch ganz jung war, haben Menschen dort gelebt - in "The Rocks". Nach den Hochhaus-Schluchten wird die Stadt niedriger und breitet sich wie eine endlos in die Länge gezogene englische Kleinstadt aus - entlang der Kais und Buchten des natürlichen Hafens. Bis nach Bondi, dem legendären Strand, in dem alle schutzlos in der Sonne und die Surfer draußen auf ihren Brettern liegen. Mehrere Tonnen Sonnencreme werden hier jedes Jahr in den Ozean gespült. Am Heimweg kommen wir noch einmal an der Oper vorbei. Eigentlich ist sie kleiner und ihr Dach weniger weiß als in unserer Hochglanz-Erinnerung. Und vielleicht ist gerade das das Schöne und Einnehmende an dieser Stadt am anderen Ende der Welt: dass sie kleiner, näher und freundlicher ist, als man denkt.