Waren die Schlepper gewissenlose Mörder oder doch nur Komplizen einer gewissenlosen mörderischen Flüchtlingspolitik?
Von Richard Schuberth
Jede Niete, jede Scherriffstern-Applikation auf Mikl-Leitners Lederjacken signalisiert Wehr- und Handlungsfähigkeit – jede Pressekonferenz gleicht einem Frontbesuch. In ihren gesteppten Schweinhäuten vom KiK-Markt hält die Innenministerin nicht nur den geschmacklichen Ausnahmezustand aufrecht, bei der Pressekonferenz zum Fund der 70 Ermordeten rief sie auch den moralischen aus, indem sie damit drohte, Menschen mit Gewissen fortan die Rechtshilfe zu verweigern, wie schon jenen, die bei ihrer Flucht auf Helfer angewiesen sind. Wer jetzt noch meine, verkündete sie ohne die Spur des Errötens, dass Schlepper sanftmütige Fluchthelfer seien, dem sei nicht mehr zu helfen.
„Der Schlepper“, steht in meinem „Neuen Wörterbuch des Teufels“, „selbst figuriert in dieser Posse als der Erzschurke, gegen welchen das Grenzregime sich als humanitäre Organisation darstellen will. Er ist es, auf den wir den Ekel vor den Flüchtlingen umleiten sollen, die er uns zuscheucht. Dadurch können wir uns deren Abschiebungen als Akte der Menschlichkeit, Befreiung aus Schlepperklauen, als sanfte Rückführungen in Heimat und Familie schönreden, gleich der Refundierung gekidnappter Mädchen an ihre Eltern. Der Schlepper hat aus ihren Hoffnungen nach einem besseren Leben, die wir keineswegs zu erfüllen gedenken, kriminellen Profit geschlagen. Somit gleicht er unseren ökonomischen Ambitionen in den Herkunftsländern dieser Flüchtlinge. Mit der Zerschlagung von Schlepperbanden zerschlagen wir erfolgreich Spiegelbilder von uns selbst.“
Und folgerichtig führte Mikl-Leitner den prototypischen Schlepper als ihr eigenes Abbild sowie das Stillleben der Politik vor, die sie exekutiert. Schlepper, resümierte sie, seien gar nicht „interessiert am Wohlergehen der Flüchtlinge, dass sie an einen sicheren Ort gebracht werden, sondern sind nur interessiert am Profit.“
Im Gegensatz zu Herstellern und Exporteuren der österreichischen Sturmgewehre, mit denen der IS Menschen ermordet oder nach Europa treibt, im Gegensatz zur Republik Österreich, die, ganz dem europäischen Trend folgend, all die Ungebetenen Securityfirmen wie Siwacht und der börsennotierten ORS überlässt, die ihre beachtlichen Dividenden wohl nicht allein durch Einsparung von Klopapier und Deutschkursen in Asylantenheimen lukrieren kann, und nicht zuletzt dem unermesslich großen politischen Kleingeld, das die Mächtigen aus der medialen Transformation von Einzelschicksalen in eine Asylantenflut, in eine entmenschte bedrohliche Plage schlägt, kraft der es sich zur eigenen Entmenschlichung das gute Gewissen machen lässt, und gegen die man das Wahlvolk milizenhaft in Stellung bringt, um die eigene zu behalten.
Mit den Schleppern aber verhält es wie mit dem Volk der Ausländer: Es gibt solche und solche. Gewissenlose Gesellen mit überhöhten Gewinnspannen und Bereitschaft zum Mord, sobald die Waren zu heiß wird, nüchterne Dienstleister wie jene Vorarlberger Bauernburschen, die einst vielen jüdischen Bürgern das Leben retteten, und idealistische Fluchthelfer wie den Kurden Khalil al-Dakhi, der unter Lebensgefahr versklavte Frauen und Mädchen aus der IS-Hölle rettet. Würde der Islamische Staat an Österreich grenzen, und in gewisser Weise tut er das, drohten al-Dakhi Verhaftung und moralische Ächtung, er wäre möglicherweise sogar gezwungen, die Flucht vor der Polizei zu ergreifen und seine Schützlinge ihrem Schicksal zu überlassen. Wir sehen: Die Ethik des Schlepperwesen ist komplex und breit gefächert, was sich vom aktuellen europäischen Innenministerwesen nicht behaupten lässt.