Im Schatten des Sultans – die EU und NATO am Gängelband von Erdogan.

by Richard Krauss EMET-NEWS-PRESS 18.07.2016

Die Hintergründe des versuchten Putsches gegen Erdogan werden in den Nachrichtendienstzentralen der EU-Mitgliedsstaaten und der NATO Staaten wohl bekannt sein. Dass dies der breiten Öffentlichkeit nicht unter die Nase gerieben wird, ist naheliegend.

Es mutet dann auch etwas tölpelhaft an, wenn sich die Regierungschefs in Europa auf einer Tagung überrascht und besorgt über die Ereignisse in der Türkei zeigen und die "Einhaltung der demokratischen Regeln und Gesetze fordern". Wüsste man es nicht besser, könnte man es als feine Ironie oder gar Spott bezeichnen.

Von welcher Demokratie wird hier gesprochen? Von Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung oder gar einer unabhängigen Justiz ?

Wohl kaum. Das Bild der vergangenen Monate spricht für sich.

Der Bonaparte vom Bosporus räumt im Stile des Sonnenkönigs gewalttätig ohne Rücksicht auf Verluste jeden vermuteten Widersacher aus dem Weg.

"Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten", so Erdogan bereits 1997 bei einer Rede in Siirt. Augenscheinlich scheint für Erdogan nun der Zeitpunkt gekommen, diesen Zug endgültig zu verlassen.

Die Folgen für Erdogan sind kalkulierbar. Die übliche Betroffenheitsrethorik der europäischen Verlautbarungsmaschinerie wird bald verhallen. Die rote Linie von Kanzlerin Merkel im Bezug auf die Todesstrafe könnte wie im Falle Obama und Syrien zum Rohrkrepierer werden. Es darf angenommen werden, dass das Regime Erdogan die Reaktionen der EU und der NATO in Zusammenhang mit Russland sehr sorgfältig analysiert und das Risiko abgewogen hat.

Nun, was hat Erdogan zu verlieren? Auf den ersten Blick nichts! Den Beitritt zur EU, den hat er schon lange zu den Akten gelegt. Die Visafreiheit für türkische Staatsangehörige wäre für ihn allenfalls ein "nice to have". Die radikalen Säuberungsaktionen waren wohl vorbereitet und wurden mit militärischer Präzision durchgeführt. Ganz im Stile von Schiller bei Wilhelm Tell "hier vollend ichs - die Gelegenheit ist günstig" .

Ob sich nun die Handlanger Erdogans des Prinzips des "Agent Provocateur" bedient haben, ist in der Konsequenz irrelevant. Ebenso die Frage, ob eine weitere externe Partei mit von der Partie war. Öffentlich die USA am Ohr in die Arena zu zerren, um danach von John Kerry abgewatscht zu werden, war in der Tat genauso diletantisch wie der Putsch selbst. Und auch die stümperhafte Ausführung des Putschversuchs lässt vermuten, dass die Damen und Herren von Langley die Finger eher nicht im Spiel gehabt haben.

So mag man sich in diesen Stunden in den Hauptstädten manchen Landes fragen, wie man mit diesem Despoten umzugehen habe.

Nüchtern betrachtet braucht die EU in der Flüchtlingsfrage die Türkei, um Zuhause die räudigen Schafe bei Laune zu halten und den Machterhalt bei den nächsten Wahlen zu sichern. Pragmatismus, Dialogbereitschaft sind die Stichworte.

In Hinblick auf die NATO stellt sich das gleiche Bild dar. So stellt auch John Kerry in Brüssel klar, dass er nicht angedroht habe, der Türkei den Stuhl vor die Tür der NATO zu stellen.

Mittelfristig würde sich sicherlich Zypern anbieten, doch auch da ist zu befürchten, dass dies zu Erdogans Krim werden wird.

Bleibt also der verlässliche Partner Griechenland mit Souda Base auf Kreta als eine mögliche minimale Alternative für die NATO im Nahen Osten.

Meine Sympathie und Wertschätzung gilt am heutigen Tag denjenigen in der Türkei, die mutig die Pressefreiheit und andere demokratischen Grundwerte unter Einsatz ihrer Freiheit und ihres Lebens verteidigen, auch wenn von ihnen nicht in aller vorderster Schlagzeile berichtet wird. Und damit meine ich keinesfalls die undurchsichtige Rolle der Putschisten.

Senat RP/Polish Senate

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