Gestern, Samstag, 29. 11., war Bert Rürup, der ehemalige Chefökonom des Finanzdienstleisters AWD im Ö1-Mittagsjournal „zu Gast“. Der Mann war daran beteiligt, den Deutschen die so genannte Riester-Rente einzubrocken. Eine staatlich geförderte, private, „außer-Spesen-nix-zu-erwarten“, Pensionsvorsorge. Am Sonntag im „Hohen Haus“ geht es mit dem unsäglichen Bernd Marin weiter und Rainer Münz schließt den Reigen. Was macht einen Menschen eigentlich zum Pensionsexperten? Offenbar einzig die zweifelhafte Leistung, künftigen Ruheständlern mit Pensionskürzungen und (Lebens-)Arbeitszeitverlängerung zu drohen. Die Leistung, die hier abgefragt wird, ist also schmal, Visionäres fehlt sowieso.
Dabei gab es schon ein Konzept, das auf das zentrale Problem der Altersversorgung im Unmlagensystem reagiert hat, nämlich, dass die Alterspensionen ausschließlich aus Arbeitseinkommen finanziert werden. In diesem Solidarsystem war der Glauben an Fortschritt und Wohlstandsmehrung aufgehoben. Und da waren Arbeiterkinder mitgedacht, die durch Bildung den Aufstieg schaffen würden um später einen entsprechenden Beitrag zu leisten. Nur haben die zukunftssüchtigen Verwalter des Pensionsversicherungssystems eine Eigenart des Kapitalismus ignoriert: Das ständige Bestreben durch technischen Fortschritt der Konkurrenzvorteile zu erreichen. Dazu kommt, dass menschliche Arbeit immer schon einen wesentlichen Kostenfaktor und damit ein Ärgernis dargestellt hat. Der Sieg des Kapitalismus ist daher immanent ein Sieg der Mechanisierung im Produktionsprozess.
In stark wachsenden Ökonomien ist es vielleicht nur wahren Visionären gegeben, in dieser Dynamik ein zentrales Problem für das Sozialversicherungssystem zu erkennen. Aber Österreich hatte so einen Hellsichtigen. Alfred Dallinger hat sehr früh erkannt, dass es zum Problem werden muss, wenn Werte in wachsendem Maß von Maschinen geschöpft werden, die keinen Beitrag zur Zukunftssicherung der Arbeitnehmer leisten. Dallingers Konzept einer Wertschöpfungsabgabe war selbst in seinen eigenen,damals noch „sozialistischen“, Reihen umstritten und wurde vom politischen Gegner als Maschinensteuer denunziert. Aber das ist das verbreitete Schicksal von Visinären. Was ich nicht begreife ist, dass der oben beschriebene Zusammenhang in keiner Pensionsdebatte auftaucht. Die etwas helleren Geister sehen sogar den Widerspruch zwischen hoher (weiter steigender?) Arbeitslosigkeit und der Forderung, die Lebensarbeitszeit doch zu verlängern. Das Mittel gegen die, angeblich drohende Lücke bei der Finanzierung zukünftiger Pensionen kennen auch sie nicht. Aber die zentrale Ursache des Problems öffentlich zu nennen, wäre immerhin ein Anfang.