Scheitert der Kapitalismus daran, dass die, die es sich leisten könnten, nichts mehr brauchen und denen, die noch Bedarf haben, die Mittel fehlen?
Ich brauche nichts mehr. Also nicht nichts, aber an den Dingen, die aktuell in großer Zahl auf den Markt kommen, all den Mobiltelefonen, Digitalkameras und Tabletcomputern hab ich keinen Bedarf. Auto mag ich mir auch kein neues kaufen, obwohl meines schon sehr alt ist. Es funktioniert noch und ich verwende es ohnehin selten. Schuhe? Seit ich mir angewöhnt habe, ein wenig mehr Geld bei der Anschaffung auszugeben, halten die zehn Jahre und länger. Von den kleinen Reparaturen, die über die Zeit nötig werden, profitiert der Schuhservice am Eck. Humanic und Co. verdienen an mir nichts. Was bei Kleidern in Mode ist, interessiert mich nicht so sehr. Die Qualität des Materials muss stimmen. Lieblingsstücke dürfen mit mir alt werden.
Und so ist es in unserem Haushalt mit sehr vielen Dingen des Konsums: Fernseher? Topmarke, aber gut 20 Jahre alt und gebraucht gekauft. Laptop? Acht Jahre alt. Nachdem Windows den Support für mein Betriebssystem eingestellt hat, bin ich auf Open Source umgestiegen. Überhaupt: Dass elektronische Geräte oft nach kurzer Zeit kaputt sind – ganz egal ob teuer oder relativ billig – verdirbt mir die Lust an den Dingern. Kein Juhuu, weil schon wieder ein neues Handy fällig wird. Zu den early adopters gehöre ich sowieso nicht.
Wofür könnte ich also Geld ausgeben? Eigentlich nur für Dinge, die ich nicht unbedingt brauche. Solche von bleibendem Wert – eine schöne alte Armbanduhr? Hab ich schon. Mehr als eine. Die sind alle zum Aufziehen und halten ewig. An dem bisschen Service, das sie brauchen, verdient ein Uhrmacher.
Stereoanlage? Hab ich – nur fehlt mir die Zeit zum Hören. Video/Festplattenrecorder? Hab ich – nur fehlt mir auch hier die Zeit. Überhaupt: Wenn ich all die schönen Dinge, die ich haben könnte, auch benutzen wollte, bräuchte ich noch viel mehr von der Zeit, die mir jetzt schon fehlt, um die schönen Dinge zu benutzen, die ich bereits besitze.
Ich hab keine Zeit, weil mich meine interessante Arbeit beschäftigt, weil ich Vater eines Siebenjährigen bin, weil ich einen Garten pflege, weil ich meine Freunde wenigstens hie und da sehen möchte.
Zeit wird bisher noch von keinem der international erfolgreichen Konzerne hergestellt. Im Gegenteil: Die Dinge, die in immer kürzerer Zeit und wachsender Menge auf den Markt gekippt werden, fressen fast alle Zeit, wenn man sich auf sie einlässt. Junge Menschen verplempern ihr Leben bei Computerspielen. Die Möglichkeit, elektronische Geräte gleichzeitig zu nutzen und damit den Konsum pro gegebener Zeiteinheit zu intensivieren hat zu nichts geführt, als zum Totalverlust der Aufmerksamkeit. Ich bin davor nicht gefeit und ärgere mich oft genug über mich selbst.
Es gibt ein Missverhältnis zwischen der Steigerung von Produktivität und damit Geschwindigkeit bei der Herstellung von Konsumgütern und der schrumpfenden Aufnahmefähigkeit auf Seiten der Konsumenten. Und ich habe den Eindruck, dass dieses Missverhältnis immer größer wird.
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