Robert Satovic www.saro.works
Erinnern Sie sich noch an Ihre Kindheit? Eine Zeit voller Phantasie und bizarrer Erlebnisse. Wenn wir nächtens unter unseren Betten und in jedem Schatten gruselige Gestalten zu erblicken glaubten und uns sogar der Wind in den Bäumen noch eine Gänsehaut über den Rücken laufen lassen konnte. Wenn wir schlimm waren, drohten manche unserer Eltern mit dem Schwarzen Mann. Etliche von uns saßen vielleicht in Zeltlagern an Lagerfeuern oder tummelten sich an mystischen Orten. Wir erzählten uns gegenseitig Schauergeschichten, in denen wir uns an Phantasie gegenseitig zu übertrumpfen suchten. Unsere Helden waren Comicfiguren oder sagenhafte Gestalten die wir selbst erschufen. Sie kämpften in unseren Namen gegen das Böse in der Welt. Gegen die Monster im Schatten, die nur wir in unserer Vorstellung wahrnehmen konnten. Monster, die uns dennoch in Angst und Schrecken zu versetzen mochten. Wir glaubten an böse Omen, an Flüche und Zauberei. Was war es doch für eine Welt voll von Magie und Abenteuer.
Doch diese Zeit blieb mit unserer Kindheit zurück. Wir begannen mit zunehmendem Wissen Erkenntnisse über die Realität zu gewinnen. Gespenster, Geister, Monster lösten sich zunehmend in Nichts auf. Nur gelegentlich gewähren wir ihnen noch Eintritt in unsere Phantasie – immer dann, wenn wir uns Erzählungen in Form von Literatur und Film hingeben. Mythologische Figuren werden dabei zu Gleichnissen, die uns helfen sollen, die komplexe Alltagsrealität besser zu bewältigen. Geschichten über Ritter und tapfere Edelleute gaben uns früher schon Leitbilder für Tugenden und Anstand. Wir wissen zwar, dass diese Erzählungen nicht der Realität entsprechen, aber wir verstehen die ihnen inne liegende Botschaft.
Und trotzdem gibt es sie; nicht nur als Märchen oder purer Aberglaube – die Erzählungen als Erwachsenenversion von dem scheinbar realen Bösen, von Unmenschen, die uns unsagbares Leid zufügen möchten. Uns identitärer Werte zu berauben suchen, uns in den Abgrund von Pein und Armut stoßen wollen. Tagtäglich vernehmen wir diese Botschaften über Medien, Werbung und Propagandabotschaften. Wir werden angehalten, uns diesen Kräften mit aller Macht entgegenzustemmen, sie sogar bis auf den Tod zu bekämpfen und ja kein Mitgefühl walten zu lassen. Wir lernen die Realität durch einen schier undurchdringlichen Vorhang aus „Fake-News“, gegenläufiger Propaganda und dem überschäumenden Wust aus Social-Media-Meinungen auszublenden. Jeder, der dieses Szenario nur zu hinterfragen wagt, wird zum tumben Gutmenschen, Verschwörungsanhänger, Konspiranten oder überhaupt zum Feind gestempelt. Es ist wie in den alten Geschichten von Gut und Böse. Einfach gestrickte Bilder vermitteln diffuse Gefahren, klare Feindbilder und noch einfachere Lösungen. Wer allerdings etwas genauer hinblickt, erkennt darin die Geschichte von Kain und Abel. Denn wenn wir auf die biblische Menschwerdung blicken, sind wir durch Adam und Eva alle wie Brüder und Schwestern verbunden. Ein Wissen, das sinngemäß auch aus den darwinschen Lehren hervorgeht.
Die Wortwahl dieser Schauermärchen lässt die Welt im Licht eines allesverzehrenden Feuers erscheinen, lässt Menschen ob ihrer reinen Existenz wegen zu Feinden werden, verleiht diesen Menschen in unserer Phantasie ein groteskes Aussehen. Es sind keine Menschen – also braucht es auch keine Menschlichkeit, lautet die Botschaft. Die Heilsbringer vermitteln hingegen von sich Bilder von Rittern in gold-silbern strahlender Rüstung, die sich todesverachtend den von ihnen geschaffenen Monstern stellen. Wer ihre Gesinnung nicht teilt, wird zum ultimativen Lügner diffamiert. Es ist eine Welt aus Schwarz und Weiß in die wir blicken.
Wer also sind diese Geschichtenerzähler? Was veranlasst sie dazu, Menschen zu hasserfüllten Kreaturen zu verkrüppeln? Wieso besitzen sie diese Macht über uns, uns für eine Seite entscheiden zu müssen und irgendwann gegeneinander im Kampf anzutreten? Jede Seite davon überzeugt das Richtige zu tun. Ganz so, als hätten wir nie gelernt, was richtig oder falsch, gut oder böse ist. Werden wir nicht im Moment unserer Entscheidung selbst alle zu Monstern? Bereit unser Blut über das der anderen zu ergießen? Sind diese politischen Akteure vielleicht geistig zerrüttete und in ihrem Wahn gleichzeitig unwiderstehlich charismatische Sektenführer, die uns als Mitglieder für ihre auf Fanatismus gegründeten Glaubensgemeinschaften rekrutieren? Sind sie die leibhaftig gewordene Reinkarnation von Don Quichotte, der als lächerlich-tragische Gestalt Windmühlen bekämpft? Oder sind sie wie frühere Könige, umgeben von unzähligen schleimenden Günstlingen, nur darauf bedacht, ihren Reichtum zu mehren und das Volk bis aufs Blut auszubeuten? Es fehlt uns wahrhaftig nicht an Allegorien. Und wie uns die Geschichte lehrt – es endet immer unter der Guillotine.
Tatsächlich stehen wir wie Zuschauer vor einer Bühne, auf der eine moderne Aufführung von Shakespeare in zeitgemäßer Straßenkleidung geboten wird. Wir erkennen darin, dass sich Zeit, Kleidung und inhaltliche Themen gewandelt haben, aber der Mensch für sich und sein Streben, im Wesentlichen gleichgeblieben sind. Gier, Neid und Eifersucht konnte uns kein Fortschritt bis heute nehmen.
Der Ausweg aus diesem Dilemma liegt in der Pragmatik aus der Erkenntnis, dass dieser Weg ein Weg der Lemminge ist. Vernunft, das Verständnis von Ursache und Wirkung, geübtes hinterfragen – dies sind nur einige Techniken, die wir der sozialen Entwicklung unserer Zivilisation verdanken.
Sozial (https://de.wikipedia.org/wiki/Sozial), jedoch nicht als Schmählaut des unkontrollierten Nehmens, sondern als Inbegriff des Miteinander. Zivilisation als Errungenschaft und nicht als rein evolutionäres Produkt.
Ein gutes Leben beruht auf Frieden im Miteinander!