Józef Brandt – https://commons.wikimedia.org/wiki/Commons:Copyright_tags#United_States https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/75/Walka_o_sztandar_turecki.jpg
[Seldschuken] Die türkische Geschichtsschreibung ist wieder um eine Facette reicher. Recep Tayyip Erdoğan ist es endgültig gelungen, die Türkei unter seine politische Kontrolle zu bringen. Die letzte große Oppositionsgruppe HDP verschwindet aktuell in den Kerkern des Landes. Viele der so Deportierten werden wohl das Licht der Freiheit nie mehr wiedersehen. Sultan Erdoğan benötigt keine gesetzliche Absegnung der Todesstrafe. Es gibt kaum noch jemanden, der sich seinen Anweisungen wiedersetzen würde. Und wer sollte auch über Missstände und Gräueltaten berichten? Alle nichtstaatlichen Medien sind de facto aufgelöst oder ebenso unter absoluter staatlicher Kontrolle. Das Fundament seines Blutregimes ist gebaut. Ein Bürgerkrieg wird immer wahrscheinlicher, die ausländischen Interventionen nehmen zu.
Sein nächster Schritt, er kam nur für die nicht-wahr-haben-wollenden EU-Regierungen überraschend, ist die Ankündigung, die Grenzen seines „Reiches“ ausdehnen zu wollen. Syrien, Irak und wahrscheinlich auch Teile von Armenien werden wohl seine ersten Ziele sein. Sein gewaltsames Eindringen in die Nachbarregionen gleicht ohnehin mehr einer Okkupation, als einem vorgespiegelten Kampf gegen den IS. Hauptziele sind und bleiben die Auslöschung der Kurden und die Annexion der wasserreichen Gebiete von Euphrat und Tigris.
S.Adler (2001) - Türkei GAP http://wipo.mieo.de/turkei-gap/
Als (noch-)NATO-Mitglied stellt er so für einen großen Teil der Welt – Nordafrika, Kaukasus bis Russland und die europäischen Staaten, eine ernsthafte Gefahr dar. Insbesondere jetzt, wo Präsident Obamas Nachfolger feststeht. Denn Donald Trump hat bereits im Wahlkampf mehrfach betont, dass er einerseits die USA aus der NATO zurückziehen will und auch nicht vor dem Einsatz von Atomwaffen zurückschrecken würde. Im Klartext könnte dies bedeuten – Geschäftsmann wie er ist, investiert er nicht in den Krieg, sondern beliefert lieber die kriegsführenden Länder mit (Atom?)-Waffen. Die Auswirkungen, die daraus für den europäisch-asiatischen Kontinent ergäben, skizzieren ein grausames Szenario.
Der durch Populismus entstandene politische Zerfall Europas, kann diesen Geschehnissen nichts Ernsthaftes entgegensetzen. Egozentrik, Nationalismen und die Polaritäten zwischen links und rechts, angeheizt durch die noch immer stagnierenden Wirtschaften und den damit verbundenen Armutsmechanismen, schaffen ein Klima aus Neid, Hass und dümmlicher Besserwisserei. Allesamt Voraussetzungen, unter denen ein Schulterschluss zum gemeinsamen Wohl nicht stattfinden kann und wird.
Doch es gibt in diesem Chaos auch noch Politiker, die sich ihre Ruhe bewahrt haben und fast uneigennützig konkrete – da auch umsetzbare, Lösungen ansprechen. Hier in Österreich seien genannt: Bundeskanzler Christian Kern und Außenminister Sebastian Kurz. Ihre Rufe nach Solidarität innerhalb der EU, konsequente Position gegenüber der Türkei zu beziehen (jedoch ohne direkte Einmischung), sind nahezu beispiellos, stehen aber leider auch sehr im Widerklang der Störgeräusche Ungarns, Frankreichs, Polens, Deutschlands usw.
Parallelen, die in den vergangenen Monaten einen direkten Vergleich zwischen Hitlers Regime und dem politischen Kurs der Türkei anstellten, sind nicht mehr von der Hand zu weisen. Zu viele Ereignisse laufen bereits nach dem gleichen Muster ab. Es geht hier aber nicht um einen Nationalsozialismus von anno dazumal, sondern um einen religiös inszenierten Neo-Nationalfaschismus, der durchaus dazu geeignet ist, zumindest dem sunnitischen Teil des Nahen Ostens eine relative Einigkeit zu verschaffen. Dies würde jedoch die Situation zwischen Sunniten und Schiiten sicher verschärfen. Ein Flächenbrand wäre die Folge.
Erdoğans Machtstreben müssen Grenzen gesetzt werden. Daran führt kein Weg vorbei. NATO-Ausschluss, Einstellung der EU-Beitrittsgespräche und Neudefinition der bilateralen Beziehungen. Je länger man so einen Menschen gewähren lässt, umso mächtiger, aber auch dreister, wird er. Europäische Bündnisse müssen sich neu organisieren und mit gefährdeten Regionen Schutzabkommen schaffen. Dafür braucht es allerdings ein wirtschaftlich und politisch starkes Europa, das in der Lage ist, seine Probleme auf Basis der Vernunft zu lösen. Diese Lösungen zu finden wird nicht immer einfach sein, weshalb viele Politiker wieder das volle Vertrauen ihrer Bevölkerung brauchen.
Apropos – Europa steht vor einer neuen Flüchtlingswelle. Aus den USA…. Das sollte uns zu denken geben.