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Wer sich noch immer fragt, welchen Weg die türkische Politik geht, muss sich nur das jüngste Video einer ‚Parlamentsdiskussion‘ (siehe Foto) ansehen. Offensichtlich sind ‚schlagende‘ Argumente zunehmend das bevorzugte Mittel, die Politik Erdoğans seinen Kontrahenten nahezubringen.

Nicht zuletzt wegen dem umstrittenen EU-Deal zur Flüchtlingspolitik, ist die türkische Regierung seit letztem Sommer immer mehr in die internationale Kritik geraten. Man erinnere sich z.B. an den Abschuss eines russischen Kampf-Jets im Herbst 2015 auf syrischem Gebiet, nahe der türkischen Grenze, die immer wieder kolportierte Unterstützung des IS und den illegalen Ölkäufen, der ‚Bürgerkrieg‘ gegen die eigenen Landsleute (Kurden), schleppendes Vorgehen der Behörden bei Attentaten, die mysteriöse Tötung des prokurdischen Rechtsanwaltes Tahir Elçi November 2015, das repressive staatliche Vorgehen gegen die Meinungs- und Pressefreiheit, die wahllose Inhaftierung politischer Gegner, die immer wieder erneut versuchte Einflussnahme auf im Ausland lebende türkische Staatsbürger, die Entwicklung von einem relativ modern geprägtem demokratischen Staat hin zu einem frühorientalischen feudalistischen ‚Sultanat‘. Diese Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Dahingehend richtet sich auch die neueste Nachricht, ‚Großwesir‘ Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu würde offen über seinen Rücktritt nachdenken, da er zuletzt von der AKP-Führung in seinen Befugnissen eingeschränkt wurde. Hintergrund ist einmal mehr die von Präsident Recep Tayyip Erdoğan geforderte Verfassungsänderung, die ihm als Präsidenten einerseits mehr Macht verleihen würde und gleichzeitig das bis dato weitgehend säkular (in der Verfassung verankert) orientierte Regierungssystem, in ein islamisch orientiertes (Stichwort: Scharia) System überzuführen. Damit würde sich nicht nur einer staatlichen Willkürherrschaft Tür und Tor öffnen, es würde gleichzeitig den Nahen Osten an die Grenzen der EU heranführen.

Was dies in der Realität bedeutet, erleben wir seit Jahrzehnten im Nahen und Mittleren Osten. Gewalt, Willkür, Korruption und Terrorherrschaft sind an der Tagesordnung. Eine gesellschaftliche Entwicklung findet praktisch nicht statt.

Sollte sich die politische Entwicklung in der Türkei weiter in diese Richtung bewegen, steht das Rückgrat der Westmächte auf dem Prüfstand. Kann ein Land mit islamischer Verfassung, das nachweislich massiv gegen Menschenrechte verstößt, einen genoziden Kampf gegen die Bevölkerungsgruppe der Kurden betreibt, sich von allen demokratischen Grundwerten abkehrt, überhaupt noch Mitglied der NATO sein? Wird die Türkei weiter ein EU-Beitrittskandidat bleiben? Wie wird Ost und West darauf reagieren (müssen)? Wird das türkische Volk diese Entwicklung mittragen oder wird es, ähnlich wie in Syrien, zu einem Türkei weiten Bürgerkrieg kommen? Muss Europa mit einer weiteren Flüchtlingswelle rechnen? Wie weit treibt Erdoğan seine Einmischungs- und Expansionspläne im Nahen Osten noch und löst damit wahrscheinlich einen überregionalen Flächenbrand aus? Von Vernunft scheint die türkische Politik nicht mehr getrieben zu sein. Die Szenarien eines großflächigen militärischen Konflikts nehmen derzeit täglich an Wahrscheinlichkeit zu.

Vor diesen Hintergründen ist es mehr als an der Zeit, dass sich die europäische Politik neu orientiert und zueinander findet. In den kommenden Jahrzehnten braucht es verlässliche internationale Partner, um die bevorstehenden Herausforderungen bewältigen zu können. Wir als Europa wären von so einem Konflikt direkt bedroht. Unsere Politik darf sich nicht mehr an einem ‚Andienen‘ an die USA und einer russlandfeindlichen NATO-Politik orientieren. Europa besteht nun seit 70(!) Jahren ohne Krieg. Sollten wir also wieder in einen Krieg hineingezogen werden, müssen wir stark und einig, vor allem aber zielfest und besonnen sein. Und schon gar nicht dürfen wir uns von radikalen Einflüsterern gegenseitig aufreiben lassen.

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Spinnchen

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