Schon in der Entstehungsphase um 2000, als mit Einführung der gemeinsamen Währung Euro ein Symbol für ein geeintes Europa geschaffen wurde, hat man Europa totgeredet. Auch in den letzten 15 Jahren, in denen sich Europa etlichen Bewährungsproben stellen musste, haben sich die Prophezeiungen einer EU-Apokalypse nicht erfüllt. Kein Zusammenbruch der Finanzmärkte, keine globale Bankenkrise, nicht einmal der beschworene Grexit konnte den Zusammenhalt Europas wirklich aufbrechen. Vielleicht deshalb, weil es eigentlich nur um Geld ging.
Doch heute ist die Situation eine ganz andere. Der Flüchtlingsstrom aus Syrien, Libyen, Irak und anderen krisengebeutelten Regionen scheint die Länder jetzt zu entzweien. Dabei ist die monetäre bzw. ökonomische Problematik interessanterweise zweitrangig. Im Vordergrund stehen humanistische Differenzen der Akteure, verschärft durch einen politischen Rechtsruck, der sich aus dem wirtschaftlichen Problem heraus etablieren konnte. Während sich Teile Europas - Deutschland, Frankreich, Schweden, Italien, Griechenland und Österreich, für eine auf humanitäre und unbürokratische Basis lösungsorientierte Entscheidung geeinigt haben, wird ganz besonders von den ehemaligen Ostblockstaaten entweder geblockt oder sogar auf ausgesprochen inhumane Weise gegen Flüchtlinge vorgegangen.
Wie der Volksmund ganz richtig sagt: "Wer deine Freunde sind, wirst du in Krisenzeiten erfahren". Während in den betroffenen Ländern zahllose freiwillige Helfer und Spender übermenschliches leisten, die jeweilige Landespolitik ihr eigenes politisches Überleben aufs Spiel setzt, in dem sie Unzufriedenheit bis hin zu Unruhen im eigenen Land riskiert, nur um Menschen, die wirklich notleidend sind, neben Hab und Gut auch Angehörige verloren haben, durch Kriegsereignisse traumatisiert, zumindest vorrübergehend Sicherheit zu bieten und bei einem Neustart zu helfen, versuchen sich andere EU-Nationen dieser rein auf menschlicher Ebene gebotenen Verantwortung zu entziehen, und Populisten Kapital für sich daraus zu schlagen. Dieses Verhalten erzeugt eine tiefgehende Kluft aus Misstrauen und Verachtung: "Kann ich mich im Ernstfall auf meinen Nachbarn verlassen? Wie wird er der nächsten Krise begegnen?". Diese Fragen könnten den weiteren Bestand der EU tatsächlich gefährden.
Allerdings wäre es nicht die EU, gäbe es nicht bereits einen ersten Weg aus der Krise. Russlands Präsident Putin hat es genau genommen vorgemacht. Um den Syrien-Konflikt einzudämmen und damit auch den Flüchtlingsstrom, muss bei aller Verachtung die Syriens Präsident Assad entgegengebracht wird, eine vorrübergehende Solidarisierung stattfinden, um einen Friedensprozess in Gang zu setzen. Verhandlungen zwischen dem Regime und seinen oppositionellen Gegnern müssen durch äußere Kräfte, wie der UNO, möglich gemacht und abgesichert werden. Im Moment ist davon auszugehen, dass nur so ein stabiler Übergang zu einer neuen Regierung geschaffen werden kann, in der Assad aber keine Rolle mehr spielt. Erste diplomatische Schritte seitens einiger EU-Staaten wurden laut jüngster Medienberichte bereits in die Wege geleitet. Sogar die USA scheint diesen Prozess neuerdings zu unterstützen.
Ein wenig Pathos am Schluss - genau an solchen Ereignissen kann sich ein Staatenbund wie die EU messen und bewähren. Einheit nach innen wie außen. Ein gemeinsames Ziel. Gemeinsame Visionen. Europa kann auf eine jahrtausendealte Kultur zurückblicken und hat sich seinen heutigen sozialen Lebensstandard mit viel Leid und Blut erkauft. Wir haben es geschafft einen 70-jährigen Frieden zu leben und es ist noch kein Ende in Sicht. Diese Errungenschaften gilt es zu bewahren, dafür zu arbeiten und auch zu kämpfen wenn es sein muss. Wir dürfen uns nicht durch radikale Elemente vom Weg abbringen lassen, sondern uns jenen Politikern zuwenden, die uns dorthin gebracht haben und es in schwierigen Zeiten sogar geschafft haben, damit es uns zumindest grundlegend an nichts fehlt.